Peter Sauber übers Kaffeesatzlesen

Peter Sauber bei den Jerez-Tests 2012

Offiziell geht die Saison erst am 18. März in Melbourne los. Aber für uns fiel der Startschuss bereits am letzten Montag. Wir stellten in Jerez das neue Auto vor und drehten mit dem Sauber-C31-Ferrari auch die ersten Runden.

Am Dienstag begannen dann in Andalusien die ersten Testfahrten. Das war für uns deshalb so spannend, weil wir die neuen Autos unserer Konkurrenten erstmals im Original sehen konnten. Bis dahin hatte es ja nur Bilder von den Präsentationen gegeben. Die einzig wichtige Ausnahme war Mercedes. Sie werden ihren neuen Silberpfeil erst beim zweiten Test vom 21. bis 24. Februar in Barcelona einsetzen.

Die grosse Frage war natürlich, ob jemand, nach dem Verbot der abenteuerlichen Motorsteuerungen (Off-Throttle-Blowing), wieder eine revolutionäre Erfindung wie eben diesen angeblasenen Diffusor zu bieten hatte. Bis jetzt sieht es nicht so aus. Im Heckbereich gibt es bei den einzelnen Autos zwar unterschiedliche Lösungen bei der Führung der Auspuffgase, aber das ist nichts Unerwartetes. Und fast alle Autos haben im Frontbereich eine Stufe, die bei den Fans wenig Begeisterung ausgelöst hat. Nötig ist sie, weil die Nasen aufgrund einer Regeländerung tiefer positioniert sein müssen. Interessant ist, dass bisher einzig McLaren ohne diese Stufe auskommt – was nichts anderes bedeutet, als dass sie ein weniger hohes Chassis verwenden. Das ist deshalb bemerkenswert, weil höhere Chassis (zumindest auf den ersten Blick) aerodynamische Vorteile bringen. Aber klar ist ebenso, dass McLaren das nicht tun würde, wenn sie nicht einen andern Weg gefunden hätten, den entsprechenden Abtrieb zu generieren.

Für uns begannen die Testfahrten nach Plan. Kobayashi fuhr am Dienstag über 100 Runden, was für einen ersten Testtag sehr erfreulich war. In der Folge lief es dann nicht mehr ganz so rund. Ein Benzindruckproblem, ein verschmutzter Getriebeölfilter und ein Hydraulik-Ölleck sorgten im Laufe der Woche für einige Wartezeiten in den Boxen. Da war nichts dabei, was sich nicht rasch korrigieren liesse, aber das hat uns eben doch einiges an wertvoller Einsatzzeit gekostet.

Wichtig war, dass wir bereits am Mittwoch eine neue Heckpartie testeten und dabei eine Menge Daten sammeln konnten. Das wird uns helfen, die Entwicklungsrichtung für die Zukunft festzulegen. Bereits beim nächsten Test werden wir wieder neue Teile erproben, um dann beim letzten Test, vom 1. bis am 4. März, ebenfalls in Barcelona, ein umfangreiches Entwicklungspaket zu bringen.

Natürlich ist klar, dass auch unsere Gegner nicht an Ort und Stelle stehen bleiben. Alle werden bis zum ersten Rennen mit Hochdruck arbeiten. Deshalb sind die bisher erzielten Rundenzeiten auch nicht mehr als eine Momentaufnahme. Und auch diesmal wissen wir nicht, mit welcher Benzinmenge unsere Rivalen unterwegs waren. Jeder Versuch, nach Jerez eine Rangliste zu erstellen, ist für mich nicht mehr und nicht weniger als Kaffeesatzlesen.

Deshalb gilt auch 2012: Erst beim allerletzten Test, wenn die Teams die technischen Updates für den Start in Melbourne ausprobieren, lichtet sich der Nebel der Ungewissheit. Von Peter Sauber

Quelle: BLICK

13.2.2012