McLaren optimistisch für Malaysia

Kann Hamilton Reifenproblemen trotzen

und aus Buttons Schatten treten?

Vor dem Saisonstart in Melbourne hatten die meisten Experten Red Bull auf ihrer Favoritenliste ganz oben. Aber Pustekuchen! McLaren landete erst eine Doppelpole, holte sich im Rennen den Sieg durch Jenson Button und Platz drei durch Lewis Hamilton. Die schnellste Rennrunde war das Sahnehäubchen. Der Speed des MP4-27 überraschte sogar die Fahrer. "Die Leute haben mich nach dem Rennen gefragt, ob wir damit gerechnet hätten", meint Button. "Ich habe ihnen gesagt, dass es für uns unerwartet kam." Der erfolgreiche Auftakt sei für ihn und das ganze Team nach dem Rätselraten der Wintertests eine große Erleichterung gewesen, ergänzt der Weltmeister von 2009.

Der Teamkollege ging nach dem Rennen mit seinen Ingenieuren in medias res. "Es war schwierig, zu verstehen, was passiert ist", so Hamilton, der nach eigener Aussage zwar über das Wochenende gesehen sehr glücklich mit seinem Boliden war, im Vergleich zu Button aber in bestimmten Phasen etwas Rennpace vermisste. "Am Start gab es ein kleines Problem mit Kupplung. Es war nicht mein Fehler", erklärt der 27-Jährige, der die Führung in der ersten Kurve an seinen britischen Landsmann verlor. Die gerissenen Lücken nach Start und Restart führt Hamilton auf die Tatsache zurück, dass Button die Reifen schneller zum Arbeiten bekam. "Es hilft, dass wir die Gründe verstanden haben und die Rennpause nur fünf Tage dauert."

Entspannter Button vertraut dem Team

Teamchef Martin Whitmarsh betont, die starke Leistung habe der gesamten McLaren-Crew Auftrieb gegeben. Von Rasten und Rosten will die Truppe aus Woking nichts zu wissen. "Wir erwarten für Malaysia eine Kampfansage unserer ärgsten Konkurrenten. Allen voran Red Bull und Mercedes, die am Wochenende etwas beweisen müssen", prognostiziert Whitmarsh. Sein wichtigster Angestellter bleibt cool. Als "ruhig, frisch und extrem positiv" beschreibt Button seine Gemütslage und spricht seiner Mannschaft das Vertrauen aus: "Alle Mechaniker und Ingenieure arbeiten unter Hochdruck daran, das Paket zu optimieren. Wir können ein Auto genauso gut entwickeln wie jedes andere Team - wenn nicht sogar besser."

Dennoch insistiert Button, sein ungefährdeter Erfolg im Albert Park führe nicht dazu, dass er sich in Sicherheit wiegt. "Wir entspannen nicht. Das Rennen hat gezeigt, dass wir in Malaysia mit mehreren Teams rechnen müssen, wenn es um den Sieg geht." Mit der Rolle des Favoriten, die McLaren spätestens seit dem vergangenen Sonntag innehaben dürfte, kommt Hamilton gut klar. "Lieber Gejagter sein als Jäger - so wie es in den vergangenen Jahren immer gewesen ist", merkt der Mann mit dem gelben Helm an. "Wir arbeiten wie die Verrückten daran, vorne zu bleiben. Malaysia wird die Kräfteverhältnisse weiter klären, aber letztlich wird das Entwicklungstempo von Red Bull, Lotus und Ferrari den Verlauf der Saison bestimmen."

Hamilton schielt auf ersten Sieg in Sepang

Von der Piste in Sepang, die sich durch Hochgeschwindigkeits-Abschnitte, Haarnadelkurven und tropische Hitze auszeichnet, schwärmt Button: "Es gibt fantastische Kurven. Wenn das Auto funktioniert, ist es eine Freude, dort zu fahren. Wenn nicht, wird es schmerzhaft." Hamilton schließt nicht nur wegen der Highspeed-Werte bei den Wintertests darauf, dass das Streckenprofil dem neuen Chrompfeil liegt: "Sepang wird auch wegen der hohen Temperaturen ein echter Test, aber die Kühlung haben wir immer gut im Griff gehabt." Physisch sei es ein hartes Rennen, das ganze Team jedoch bestens auf die Hitze und Luftfeuchtigkeit Südostasiens vorbereitet.

Hamilton möchte seine sieglose Bilanz in Malaysia aufpolieren. "Am Rennwochenende bin ich mir solcher Dinge kaum bewusst. Aber ich habe auch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich auf jeder Strecke gewinnen will" Einen Strich durch die Rechnung machen könnte ihm wieder Button, der beim abgebrochenen Rennen 2009 im Brawn reüssierte. "Die Ingenieure wissen, was unser Auto schnell macht. Und ich weiß, dass sie sich wirklich darauf freuen, am Wochenende das Maximum aus dem MP4-27 herauszuholen", kündigt der Mann aus Frome an.

Whitmarsh möchte den Kurs nicht mehr im Rennkalender missen. "Sepang ist eine der echten Formel-1-Strecken in der neuen Welt. Sie steht für die Expansion des Sports nach Asien zu Beginn des Jahrtausends", beschreibt der McLaren-Teamchef die wichtige wirtschaftliche Perspektive des Grand Prix, der seinen Farben in der Vergangenheit zwei Siege bescherte: 2003 durch Kimi Räikkönen und 2007 durch Fernando Alonso.

"Bei Red Bull bauen die Reifen langsamer ab"


Lewis Hamiltons Traum ging in Melbourne nicht in Erfüllung. Nach dem durchwachsenen Jahr 2011 wäre es ein perfektes Signal gewesen, 2012 mit einem Sieg von der Pole-Position in die Saison zu starten. Doch Teamkollege Jenson Button machte dem Weltmeister 2008 wie schon einige Male im Vorjahr einen Strich durch die Rechnung. Mit einem perfekten Start setzte er sich an die Spitze, in der Safety-Car-Phase fiel Hamilton dann sogar noch auf Rang drei hinter Sebastian Vettel zurück. Dennoch will er den Auftakt-Grand-Prix nicht als Enttäuschung abhaken. "Wenn das ein schlechter Tag für mich war, dann kann ich definitiv nicht beklagen", stellt er gegenüber der 'Press Association' klar. Für ihn überwiegt das Positive: "Ich weiß, dass dies ein Auto ist, mit dem ich auf jeden Fall um den Titel fahren kann. Das hat Jenson bewiesen. Er hatte ein fantastisches Rennen, und es ist definitiv ein guter Start in die Saison, dass wir beide auf dem Podest standen und Punkte holten."

Konkurrenz bei Rennperformance stark

Doch woran lag es, dass sich Hamilton schließlich doch klar geschlagen geben musste? "Ich war am Sonntag bereit, ich fühle mich so bereit wie es nur geht", meint der 27-Jährige, "doch einige Dinge liefen nicht so, wie ich es gebraucht hätte." Und das trotz der Unterstützung von Freundin Nicole Scherzinger und seiner Mutter. "Es ist schön, dass sie da war, und das gilt auch für meine Mutter. Ihre Unterstützung bedeutet mir sehr viel." Er zeigt sich aber überrascht, dass ihn Vettel doch noch übertrumpfte - und das vom sechsten Startplatz: "Das wird eine enge Saison, denn Red Bull ist extrem schnell - Gott weiss, wo die am Sonntag herkamen." Dem McLaren-Piloten fällt auf, dass das Weltmeister-Team in einem Punkt im Vorteil ist, der sich schon in Malaysia angesichts der hohen Temperaturen bemerkbar machen könnte: der Abbau der Reifen. "Wir scheinen zwar das Team zu sein, das es zu schlagen gilt, was ein gutes Zeichen ist", glaubt er. "Das Team hat dafür hart gearbeitet, aber wir sollten jetzt nicht abheben, denn sogar Ferrari war im Rennen schnell, und bei Red Bull scheinen die Reifen weniger schnell abzubauen. Daher ist es zu früh, um irgendetwas zu sagen. Im Qualifying waren wir unglaublich schnell und konkurrenzfähig, sie waren aber im Rennen sehr schnell."

Hamilton rechnet mit starkem McLaren in Malaysia

Trotz der kleinen Unsicherheit bei den Reifen rechnet er aber mit einer starken Performance in Malaysia. Red Bull scheint den RB8 zwar noch nicht ganz im Griff zu haben, doch der McLaren erwies sich bereits bei den Tests als ein Auto, das in schnellen Kurven besonders gut funktioniert. Und davon gibt es in Sepang einige. "Malaysia ist eine Strecke, wo wir wieder schnell sein sollten", zeigt er sich zuversichtlich. "Hoffentlich schaffen wir einen Doppelsieg." Der Schlüssel wird für ihn sein, "das Wochenende auf die richtige Weise zu beginnen", meint der McLaren-Star. "So wie das vergangene Wochenende. Wir haben jetzt ein noch grösseres Selbstbewusstsein. Wir müssen einfach mehr Doppelsiege einfahren, aber wir sind dabei. Wir sind zumindest so schnell wie Red Bull."

21.3.2012