Vergne hofft auf die ersten Punkte in Malaysia

Selbstbewusster Rookie:

Jean-Eric Vergne ist vom neuen Toro Rosso überzeugt

In seinem ersten Grand Prix ist Jean-Eric Vergne auf Platz elf knapp an den Punkterängen vorbeigeschrammt. Der Franzose spricht von einer guten und einer schlechten Nachricht aus Melbourne: "Leute, die das Rennen verfolgt haben, könnten meinen, die letzte Runde würde mir Gedanken machen", so Vergne, der sich aber mehr über den im Tumult der ersten Kurve verunglückten Start ärgert als über die verlorenen Positionen in der Schlussphase. "Natürlich ist so etwas leicht gesagt. Aber Rang sechs oder sieben wären möglich gewesen", mutmasst er bezüglich der Anfangsphase. "Mein Auto war so gut, dass ich diese Position sogar hätte halten können", meint Vergne weiter.

Weiter nach vorne ging es nach dem Start-Schlamassel dann nicht mehr. "Die Start- und-Zielgerade im Albert Park ist nicht sehr lang und unter normalen Umständen kaum zum Überholen geeignet", bedauert der 21-jährige Rookie. Er hätte experimentieren müssen, auf der schmutzigen Fahrbahn Zeit eingebüsst und sich schliesslich in der Safety-Car-Phase im Hinterfeld befunden. "Aber danach ging alles besser", freut sich Vergne über die guten Neuigkeiten von Rennen eins seiner Karriere. Nachdem er Force-India-Pilot Paul di Resta überholt hatte, konnte er den Speed des Toro Rosso bei freier Fahrt ausspielen und zu Kimi Räikkönen aufschliessen.

Sepang im Simulator gelernt

"In der letzten Runde wollte ich dann zu viel und unbedingt überholen. Ich habe einen Fehler gemacht und Positionen eingebüsst", blickt Vergne zurück. "Aber so laufen die Dinge nun mal." Kurz zusammengefasst heisst das in der Bilanz des amtierenden Vizemeisters in der Renault-World-Series: Die Geschwindigkeit stimmt, Punkte wären möglich gewesen. Er hat Lust auf mehr Racing in der Formel 1 und freut sich darauf, in Malaysia an die Performance beim Auftakt anknüpfen zu können: "Ich bin hungrig."

Am Donnerstag steht für Vergne eine Streckenbegehung gemeinsam mit seinen Ingenieuren an. Die Piste in Sepang ist für ihn einmal mehr Neuland. "Ich habe mich im vergangenen Jahr und Anfang des Monats im Simulator vorbereitet", erklärt Vergne, der Malaysias Hochgeschwindigkeits-Kurven bereits vor dem Profil des Albert Park lernte, um mit frischen Eindrücken nach "Down Under" zu fliegen. "Wir wissen genügend über Sepang, um schnell zu sein, wenn die Ampel auf Grün schaltet", kündigt er an.

Vergne: "Habe keine konkreten Ziele"


Im Schatten von sechs Weltmeistern wollen sich in der neuen Formel-1-Saison zwei französische Rookies in Szene setzen. Charles Pic dürfte mit seinem Marussia eher im hinteren Bereich kämpfen, aber seinem Landsmann Jean-Eric Vergne darf man im Toro Rosso einige Glanzlichter zutrauen. Der 21-Jährige will sich im Teamduell gegen Daniel Ricciardo behaupten und im Fokus von Red Bull bleiben. Im Weltmeisterteam könnte Ende 2012 der Platz neben Sebastian Vettel frei werden. Vergne sieht sich aber noch nicht als Kandidat.

Frage: Jean-Eric, du hast viele Jahre darauf hingearbeitet, nun bist du vor deinem ersten Grand-Prix-Start. Wie fühlst du dich?


Jean-Eric Vergne: Ich kann es noch gar nicht so richtig fassen. Ich versuche, es als ein ganz normales Rennen zu betrachten, aber das ist es natürlich nicht. Es ist toll, hier nun in Melbourne den ersten Grand Prix fahren zu dürfen. Sehr schön!

Im Mittelfeld scheint es sehr eng zuzugehen. Was erwartest du an diesem Wochenende?

Ich setze mich überhaupt nicht unter Druck. Ich will möglichst viel lernen und das Rennen einfach so nehmen wie es kommt.

Wo reiht ihr euch nach Abschluss der Testfahrten ein?

Es ist schwierig einzuschätzen, wo wir im Vergleich zu anderen stehen. Ich denke, wir sind auf einem Niveau mit Sauber, Williams und Force India. Wer dann wo irgendwelche Vorteile hat, müssen wir mal schauen. Hier werden wir etwas sehen, aber ein realistisches Bild bekommen wir erst nach den Rennen in Malaysia und China. Unser Ziel ist es, konstant immer neue Updates zu bringen und das Auto schneller zu machen. Das soll während der gesamten Saison vorangehen.

Wie sind die Tests aus deiner Sicht verlaufen?

Es war aus meiner persönlichen Sicht okay. An meinem letzten Testtag hatte ich nicht ganz so viel Glück (technische Probleme am STR7), aber ansonsten war alles wie erwartet. Ich konnte viel lernen. Ich bin froh, nun mit dem Team hier zu sein. Die haben mir alle sehr geholfen.

Dein Teamkollege hat im vergangenen Jahr bereits einige Rennen bei HRT absolviert. Hat Daniel dadurch einen Vorteil, oder siehst du dich sofort auf Augenhöhe?

Wir fordern und gegenseitig heraus. Ich setze mir dennoch erst einmal keine konkreten Ziele. Ich bewege das Auto so schnell wie ich kann, dann schauen wir mal, wo wir stehen. Es ist aus meiner Sicht sinnlos, nun irgendwelche Ansagen zu machen wie: Ich will vor ihm, oder direkt hinter ihm starten. Ich nehme es ganz locker. Ich steige ins Auto, fahre schnell, gebe dem Team Feedback und versuche so, das Auto zu verbessern. Im Qualifying will ich so schnell wie möglich sein.

Was hat dir Helmut Marko mit auf den Weg gegeben?

Er rechnet vielleicht damit, dass ich in den ersten Rennen ein paar Fehler machen werde. So ist das eben bei einem Rookie. Ich muss aber ehrlich sagen, dass ich mich in meiner Karriere nie wie ein Rookie gefühlt habe, auch wenn ich manchmal in einer Serie einer war. In der Formel 1 ist das natürlich nicht ganz so einfach. Ich versuche, nicht wie ein Rookie zu denken, sondern wie ein erfahrener Fahrer. Ich orientiere mich an solchen. Ich setze mir immer hohe Ziele. Marko setzt sie mir wahrscheinlich auch.

Es wird viel über die Reifen diskutiert. Was dürfen wir diesbezüglich erwarten?

Im vergangenen Jahr war der Verschleiss beim Test in Barcelona enorm hoch. In diesem Jahr zwar auch, aber das relativiert sich alles. In Barcelona haben wir am Rennwochenende 2011 gesehen, dass die Reifen mit zunehmend Gummi auf der Strecke immer weniger stark abbauten. Im vergangenen Jahr konnte Perez mit nur einem Stopp fahren. Wir erwarten, dass sich die Strecke im Verlauf des Wochenendes deutlich verbessern wird. Sonntag wird es ganz anders sein als am Freitag.

Wird es auch in diesem Jahr besondere Strategien geben?

Ich gehe davon aus, dass alle eine ähnliche Strategie wählen.

Im vergangenen Jahr durftest du den Red Bull in Abu Dhabi testen. Wie gross ist der Unterschied zwischen dem Red Bull des Vorjahres und deinem aktuellen Toro Rosso?

Es ist ein grosser Unterschied, weil es komplett andere Autos sind. Bei den diesjährigen Autos gibt es die angeblasenen Diffusoren nicht mehr. Das macht bezüglich Abtrieb einen erheblichen Unterschied aus. Der Red Bull des Vorjahres lag einfach fantastisch, hatte unglaublich viel Grip. Unser neuer Toro Rosso ist gut ausbalanciert, aber wir haben nicht so viel Abtrieb. Sebastian hatte da im vergangenen Jahr wirklich ein unglaublich gutes Auto. Das kann man so nicht mit den diesjährigen Fahrzeugen vergleichen.

Wie kommst du mit den physischen Anforderungen in der Formel 1 zurecht?

Es ist okay. Natürlich sind die Kräfte viel größer, alles geht viel schneller. Der Nacken wird wirklich hart gefordert. Barcelona ist eine der anstrengendsten Strecken bezüglich der Belastung der Nackenmuskulatur. Das war schon heftig, aber es geht. Je mehr Rennen du fährst, desto mehr gewöhnst du dich auch an die Belastungen. Das werde ich in den ersten Rennen erfahren.

Wie hast du dich ausserhalb des Cockpits darauf vorbereitet?

Sehr intensiv. Den gesamten Winter habe ich jeden Tag hart trainiert. Ich war allein 15 Tage lang in Deutschland in den Bergen. Dort standen Ausdauertraining und viele andere Dinge auf dem Programm. Es ging um Kardiotraining, Stärkung der Nackenmuskulatur und all die Dinge, die man als Rennfahrer braucht. Danach ging es dann in die Wintertests.

Inwiefern war der Simulator hilfreich?

Ich habe seit zwei Jahren immer mal wieder im Red-Bull-Simulator gesessen. Dort verwendet man zum Beispiel haargenau das gleiche Lenkrad. Das kenne ich wie aus dem Schlaf, ohne auch nur ein einziges Rennen damit bestritten zu haben.

Siehst du eine Chance, im kommenden Jahr im Red Bull zu fahren?

Nun haben wir noch nicht einmal das erste Rennen dieses Jahres hinter uns. Ich denke überhaupt noch nicht an das kommende Jahr.

22.3.2012