Kommt Saisonsieger Nummer acht von Lotus ?

Kimi Räikkönen weiss,

dass er vor allem im Qualifying noch zulegen muss

Erlebt die Formel 1 in Valencia tatsächlich den achten Sieger im achten Saisonrennen? Die beiden Lotus-Piloten Kimi Räikkönen und Romain Grosjean gehören jedenfalls zu den heissesten Favoriten, sollte die Abwechslung auf der obersten Stufe des Podiums auch bei der Rückkehr der Königsklasse nach Europa weitergehen.

"Ich liebe es zu gewinnen und auf nichts anderes arbeite ich hin", stellt Räikkönen klar. Der Finne ging in der ersten Formel-1-Karriere zweimal im Hafengebiet von Valencia an den Start. Als beste Platzierung steht für ihn ein dritter Platz aus der Saison 2009 zu Buche. "Ich habe noch in Valencia gewonnen, also ist das ein gutes Ziel", findet der Lotus-Pilot und weiß, worauf es auf dem 5,419 Kilometer langen Stadtkurs ankommt: "In Valencia ist Konstanz alles. Es ist sehr leicht, durch kleine Fehler Zeit zu verlieren." Nach Melbourne, Monte Carlo und Montreal ist Valencia bereits die vierte nicht permanente Rennstrecke im Kalender. "Das Layout ist aber ganz anders. Valencia ist ganz klar die schnellste dieser vier Strecken", sagt Räikkönen und erwartet am Rennwochenende (22. bis 24. Juni) Lotus-Bedingungen. "Es dürfte wie schon in der Vergangenheit auch diesmal wieder sehr warm werden. Wir haben in Montreal gesehen, dass der E20 am besten funktioniert, wenn es warm ist. Hoffentlich können wir diesen Trend in Valencia bestätigen." Seine persönliche Schwäche im bisherigen Saisonverlauf ortet der "Iceman" im Qualifying, wo er im Lotus-internen Duell gegen Teamkollege Grosjean mit 2:5 hinten liegt. "Das Qualifying wird sehr wichtig. Wenn du weit vorn und noch dazu auf der sauberen Seite startest, ist das ein grosser Vorteil, denn die Strassen werden nur einmal im Jahr für Rennen benutzt." Wie für einen Stadtkurs üblich, ist das Überholen in Valencia eine delikate Angelegenheit. Räikkönen zählt in diesem Zusammenhang auf den verstellbaren Heckflügel: "Wir werden sehen, inwiefern uns DRS hier eine Hilfe beim Überholen sein wird."

Grosjean sieht sich kurz vor dem ersten Sieg

Grosjeans
Valencia-Ausblick fällt im Vergleich zu Räikkönen ähnlich aus. "Wir müssen im Qualifying noch zulegen", sagt der Franzose und ist überzeugt: "Die Lücke zum Sieg ist nicht sehr gross. Wir haben in Kanada viel über das Auto gelernt. Dieses Wissen wollen wir nun umsetzen." In Montreal fuhr Grosjean als Zweiter hinter Sieger Lewis Hamilton zum zweiten Mal in seiner Formel-1-Karriere auf das Podest. Dabei hatte der Franzose mit einem ungewöhnlichen Problem zu kämpfen: "Ich bekam am Fuß jede Menge Blasen. Beim Fahren merkt man das aufgrund des Adrenalins gar nicht so sehr, aber danach war es recht schmerzhaft." Auf dem Rückflug nach Paris kam ihm Räikkönens Physiotherapeut mit entsprechenden Pflastern zu Hilfe. Inzwischen sind die Schmerzen längst verflogen und Grosjean gerät mit Blick auf das Rennen in Valencia ins Schwärmen: "Ich gab hier im Jahr 2009 mein Formel-1-Debüt. Ich habe also gute Erinnerungen an die Strecke, die ich abgesehen davon ohnehin mag." Aufgrund der Charakteristik mit einigen harten Bremszonen und nicht zuletzt angesichts der zu erwartenden hohen Temperaturen hofft Grosjean genau wie Teamkollege Räikkönen, dass "wir gut aussehen sollten". Anders als noch in Montreal wird in Valencia nach Ansicht von Grosjean eine Ein-Stopp-Strategie kaum zum Erfolg führen. "In der Vergangenheit brachte die Hitze in Verbindung mit dem rauen Asphalt meist eine Drei-Stopp-Strategie zu Tage", erinnert der Lotus-Pilot und hofft im Sinne eines reibungslosen Wochenendes vor allem auf "konstante Bedingungen an allen Tagen".

Grosjean begeistert Boullier


Die Lotus-Bilanz des Kanada-Wochenendes fällt aus wie die so vieler anderer in dieser Saison: Gut gefahren, nicht gewonnen. "Es gab keine Chance auf den Sieg. Wir sind glücklich, nahe an Hamilton und McLaren dran gewesen zu sein, die die Könige waren", analysiert Teamchef Eric Boullier den zweiten Platz des Romain Grosjean und Rang acht durch Kimi Räikkönen. Einen so deutlichen Unterschied zwischen den beiden Piloten hatte es in dieser Saison selten gegeben.

Ist entgegen aller Erwartungen nicht Räikkönen, sondern Grosjean der Erlöser der Lotus-Mannschaft? "Er überrascht mich immer wieder. Ein harter Arbeiter, der zuhören kann. Er hat das Tempo und kann es über eine volle Renndistanz gehen", lobt Boullier seinen Landsmann und amtierenden GP2-Champion in den höchsten Tönen. Räikkönen ist deshalb nicht abgeschrieben: "Wir brauchen Kimis Hilfe, er hat einen anderen Fahrstil." Dieser Treueschwur klingt halbherzig.

Mit welchem Fahrer auch immer: Boullier hätte nichts dagegen, mit dem Premierenerfolg die Serie von sieben Siegern in sieben Rennen schon in Valencia auf acht auszubauen. "Ein angenehmer Druck. Wenn es heiss ist, könnte das klappen", meint er. Hohe Temperaturen hatten den E20 zuletzt bevorteilt. "Ich bin mir nicht sicher, ob das Auto wirklich sensibel ist. Die Reifen haben nur ein schmales Fenster und wenn ein Auto sie schont, kann das Wetter helfen", erklärt Boullier. Neben der Hilfe von Petrus verspricht sich Lotus auch von der Streckencharakteristik in Silverstone, Hockenheim und Budapest Hilfe. Nach den Eindrücken aus Montreal jedoch muss Lotus zunächst die Leistung im Qualifying steigern. Und das betrifft sowohl Grosjean als auch Räikkönen. "Wir haben da schon einige Ideen. Ich sage nicht, dass wir um die Pole-Position kämpfen werden, aber wir werden uns definitiv weiter vorne platzieren", so Boullier.

Lotus und das lange Warten auf den Sieg


Romain Grosjean stand am Sonntag in Montreal wieder auf dem Podium. Aber trotz des siebten Siegers im siebten Rennen war Lotus nicht an der Reihe, den ersehnten Erfolg zu feiern. Mehrheitseigener Gerard Lopez ist trotzdem zufrieden mit dem Status Quo in der Königsklasse: "Wir verfügen über zwei Spitzenfahrer. Im Moment sind wir sehr gut aufgestellt, da wir zwei Piloten haben, die jederzeit viele Punkte einfahren können", so der luxemburgische Finanzinvestor.

Das Ziel will Lopez nicht umgehend nach oben korrigieren: "Die Top 4 sind realistisch. Aber wenn wir mehr haben können, nehmen wir auch mehr." Und solange wartet Lotus eben auf die Sternstunde, die Teamchef Eric Boullier seit Wochen beschwört. "Das ganze Paket muss passen, denn die anderen Fahrer versuchen auch, Grands Prix zu gewinnen", erklärt Lopez, für den die Chance in Kanada schon am Samstag fast perdu war.

Die Analyse klingt so: "Hier waren wir im Qualifying nicht so stark. Kimi (Räikkönen) hatte Probleme mit dem Differenzial und hätte normalerweise in der zweiten Startreihe stehen müssen", sagt Lopez und lässt offen, was für den Finnen aus dieser Position möglich gewesen wäre. Grosjean hätte von weiter vorne den Triumph wohl im Visier gehabt. "Romain hatte im Qualifying Probleme auf seinem neuen Reifensatz", meint Lopez.

16.6.2012