Red Bull will in Valencia um Sieg kämpfen

Zuletzt in Montreal musste sich Red Bull nach einer Pole-Position durch Sebastian Vettel und Startplatz vier von Mark Webber mit den Rängen vier und sieben am Rennsonntag begnügen. Vettel hatte die Führung nur zu Beginn des Grand Prix behaupten können, wurde anschliessend durchgereicht und entschied sich kurz vor Schluss noch für einen Boxenstopp, um durch frische Reifen den Platz in den Punkten abzusichern.

Grund für den Leistungseinbruch waren die Pirelli-Reifen. Diese bauten vor allem bei Vettel schneller ab als gedacht, weshalb man kurfristig umdisponieren und zu einer Zwei-Stopp-Strategie wechseln musste. Bei Webber traten in der Anfangsphase des Rennens Probleme mit dem Motor auf, die den Australier zusätzlich zurückwarfen.

In knapp einer Woche steht das achte Rennen der Saison an. Auf dem Stadtkurs im spanischen Valencia möchte der österreichische Rennstall zuletzt verloren gegangene WM-Punkte wieder gutmachen, auch wenn die Charakteristiken der Strecke durchaus mit denen von Montreal zu vergleichen sind. "In Valencia fahren wir mit einem Schnitt von 200 km/h, weshalb die Strecke eine der schnellsten im Rennkalender ist", so Vorjahressieger Vettel vor dem Grand Prix von Europa, der unmittelbar am Mittelmeer-Hafen der spanischen Grossstadt ausgetragen wird. Vettel weiter: "Überholen ist möglich, allerdings nur mit etwas Geschick. Grund dafür sind die Luftverwirbelungen, die dadurch zustande kommen, dass die Autos sehr nah hintereinander herfahren und die verwirbelte Luft aufgrund der nahstehenden Mauern nicht verfliegen kann." Diese Verwirbelungen der Luft, im Fachjargon auch "dirty air" genannt, beeinflusst laut Vettel das Fahrverhalten immens: "Man verliert Grip und manchmal muss man sogar vom Gas gehen", so der 24-Jährige, der eine weitere Besonderheit der Strecke ausmacht: "Die Start- und Zielgerade in Valencia ist sehr aussergewöhnlich, da sie nicht sehr lang ist und in eine schnelle Rechtskurve führt, die wir mit 290 km/h durchfahren."

Teamkollege Mark Webber möchte vor dem Rennen in Valencia keine voreiligen Prognosen tätigen. "Es ist sehr schwierig, vorherzusagen, wie gut wir in Valencia sein werden, da bisher sieben unterschiedliche Piloten gewannen und viele unterschiedliche Fahrer auf dem Podium standen", so der 35-Jährige. "Unser Hauptziel ist, unsere Positionen in beiden WM-Wertungen zu verbessern. Ich persönlich möchte Boden in der Fahrerwertung gutmachen und das Team will seine Führung in der Teamwertung ausbauen. Ich weiss, dass jeder in der Fabrik in Milton Keynes zwischen diesen beiden Rennen sehr hart gearbeitet hat."

Red Bull und das Problem Pole-Position


Nach dem Qualifying sah bei Sebastian Vettel alles danach aus, als habe Red Bull ausgerechnet auf der Highspeed-Strecke in Montreal zurück zur Form der Saison 2011 gefunden. Beim Rennen am Sonntag erwies sich diese Vermutung jedoch als Trugschluss. Auf Platz vier war der Doppelweltmeister trotz Pole-Position und anfänglicher Führung nicht nur hinter Sieger Lewis Hamilton, sondern auch noch hinter den Überraschungsgästen auf dem Podium zurück: Romain Grosjean und Sergio Perez.

Christian Horner beschreibt bei 'Sky Sport F1' die Situation am Kommandostand, als sich Vettel im letzten Renndrittel auf Rang zwei liegend - entgegen der Strategie Hamiltons - zunächst gegen einen zweiten Boxenstopp entschied: "Die Reifen waren noch in Ordnung. Wir zogen es vor, die Position auf der Strecke zu behalten, weil wir hinter den zu diesem Zeitpunkt sehr schnellen Grosjean zurückgefallen wären", so der Red-Bull-Teamchef.

Durchfahren war keine Alternative mehr

Horner glaubte, so noch unter die Top 3 fahren zu können. "Die einzige Option auf das Podium war, draussen zu bleiben", betont er. Bei Red Bull stellten die Verantwortlichen schnell fest, dass sie falsch gepokert hatten. "Dann sind wir mit den Reifen wirklich in Probleme geraten", erinnert sich der Brite, der Vettel doch an die Box rief. Es habe keine Alternative gegeben, meint Horner: "Wenn wir draussen geblieben wären, wären wir mit Sicherheit viel weiter hinten angekommen."

Adrian Sutil stimmt dieser Sicht der Dinge zu und meint zur Vettel-Strategie: "Er hat Schadensbegrenzung betrieben, indem er zwar sehr spät, aber doch noch gestoppt hat", rekapituliert der frühere Force-India-Pilot bei 'Sky'. "Alonso hat gar nicht mehr gestoppt, ist voll auf einen Stopp gegangen. Das hat ihn weit nach hinten geworfen. Vettel hat gut reagiert, aus dieser Situation noch ein bisschen was rauszuholen", so Sutil weiter.

Auch Webbers Red Bull fraß Reifen

"Wir sind zu hart mit den Reifen umgegangen, als dass die Ein-Stopp-Strategie hätte aufgehen können", resümiert Horner nach einem "komplizierten Rennen", dass paradoxerweise die auf superweichen Reifen herausgefahrene Pole-Position seines Schützlings nicht leichter gemacht hatte. Im Gegenteil: "Mit der härteren Mischung von weiter hinten zu starten wäre vielleicht die bessere Option gewesen, schliesslich hat das bei Perez funktioniert", verweist er auf die Sauber-Strategie.

Auch beim siebtplatzierten Mark Webber habe sich in Montreal alles um die Pneus gedreht, glaubt Horner: "Er hatte ein Rennen, dass von den Reifen bestimmt wurde. Solange er freie Fahrt hatte, schien alles in Ordnung zu sein", so der Teamchef, der für den Australier nie eine Ein-Stopp-Strategie in Erwägung zog: "Es war von Anfang an klar, dass wir mit einem Stopp nicht über die Distanz kommen würden. Wir waren im Rennen einfach nicht schnell genug", räumt Horner ein.

Die Bilanz der Red-Bull-Mannschaft fällt trotzdem nicht rabenschwarz aus: "Es sind nichtsdestotrotz gute Punkte", betont der Chef, der den Kampf um die WM-Kronen weiter offen sieht. "In der Konstrukteurs-Wertung liegen wir auch noch in aussichtsreicher Position", merkt Horner an.

Red Bull und die Grauzonen des Reglements


Vor dem Grossen Preis von Kanada sorgte ein Loch im Unterboden des Red Bulls für eine Menge Aufsehen. Denn laut Reglement dürfe es sich nicht auf einer Fläche 450 mm hinter dem Cockpit befinden, was beim RB8 allerdings der Fall war. Zuvor hatte der Motorsport-Weltverband FIA allerdings im Rahmen des Grand Prix von Monaco jene aerodynamische Neuerung als legal eingestuft, um anschließend angesichts eines drohenden Protests der übrigen Top-Teams wieder zurück zu rudern.

"Hätte Red Bull einfach einen kleinen Schlitz durch die Löcher laufen lassen, der vor den Hinterrädern endet, wäre der Unterboden legal gewesen, ohne dass die Performance des Autos eingeschränkt worden wäre", erklärt ein FIA-Techniker, wie man das Reglement hätte umgehen können. "Schon in Monaco hätte man das ganz leicht ändern können. Aber die Konkurrenz war so fies, dass sie sich erst eine Stunde vorm Qualifying bei uns über die Löcher beschwerte. Da blieb keine Zeit mehr einen Schlitz zu sägen."

Zwar legten McLaren und Ferrari in Monaco keinen offiziellen Protest bei der FIA ein. Dennoch beklagten sie sich öffentlich über Red Bulls Regelauslegungen, die der Auffassung waren, sich in einer Grauzone zu bewegen. In Montreal folgte dann die nächste Verbalattacke: Diesmal ging es um die Bremsbelüftung am Red Bull. Diese leitet die Luft durch Löcher in der Radnabe und darauf passende Löcher in den Felgen nach aussen, was in den Augen der FIA als bewegliches aerodynamisches Mittel einzuordnen ist. Red Bull musste infolge dessen sein Bremskühlungssystem noch in Montreal umbauen.

"Es ist in der Formel 1 nichts Ungewöhnliches, dass der, der vorne ist, angegriffen wird", sieht Helmut Marko, Motorsportchef bei Red Bull, die aktuelle Situation. "Typisch war: Donnerstag in Monte Carlo waren wir eine Sekunde weit weg von der Spitze. Da hat keiner was bemängelt. Samstag fährt Webber die Bestzeit, plötzlich ging es wieder los." Am Sonntag folgte dann noch der Sieg des Australiers, was wohl auch die FIA noch einmal zur Prüfung der Lage bewegte.

Noch kurz vor der Urteilsverkündung der FIA bezüglich des Unterbodens von Red Bull hatte Teamchef Christian Horner versichert, sein Team habe das Formel-1-Regelwerk richtig interpretiert und bewege sich in einer so genannten Grauzone. Red Bull selber kann dem Urteil durchaus etwas Positives abgewinnen, hat man doch nun etwas mehr Klarheit: "Ein Reglement hat immer Grauzonen. Jetzt gibt es wenigstens ein klares Statement. Wenn es überall so klar formuliert worden wäre, wäre das gut", lautet das Statement von Helmut Marko.

16.6.2012