Haug: "Es ist einer der süssesten Siege"

Geduscht, aber glücklich: Mercedes-Motorsportchef

Norbert Haug (Mitte rechts)

Norbert Haug war nach dem ersten Sieg für das Mercedes-Team beim Grand Prix von China am Sonntagnachmittag ein gefeierter Mann. 78 Glückwunsch-SMS gingen auf dem Handy des Motorsportchefs ein, der von den Fahrern die verdiente Champagnerdusche erhielt. Und durch die rosa-rote Brille des Erfolges sah sogar ein Pokal made in China gut aus. Im Interview schildert Haug seine Gefühle und hofft, dass sich die Silberpfeile auch in Bahrain in Szene setzen können.

Frage: Norbert, wie schön war es, heute auf dem Podium zu stehen?

Norbert Haug: Sehr schön. Allen voran, weil ich ganz genau wusste, was meine drei Freunde planen. Der Herr Hamilton, der Herr Rosberg und der Herr Button. Das war unausweichlich, deshalb rieche ich jetzt auch so fein. Das ist ein echt tolles Erlebnis.

Wie fühlen Sie sich?

Sensationell. Ich danke den Jungs, die so hart gearbeitet und an uns geglaubt haben. Wir erhalten aus Stuttgart jegliche Unterstützung - und unsere Jungs wissen das. Wir sind sehr ehrgeizig, unsere Vorstandsmitglieder sind sehr ehrgeizig.

Sie hatten schon viele Erfolgen im Motorsport. Wo ordnet sich dieser ein?

Es ist einer der süssesten Siege, wenn nicht sogar der süsseste. Für Ross (Brawn) noch mehr als für mich. Und für die Jungs, und natürlich für die Damen.

Wo kommt der Pokal hin?

Der kommt zu Ross (Brawn), zum Team. Sie haben so hart gearbeitet, das verdienen sie. Wir werden sicher eine Kopie für Stuttgart bekommen. Sie glauben an uns. Heute ist ein Tag, an dem wir uns zurücklehnen und geniessen können.

Wie stolz sind Sie auf das Team? Sie haben viel Kritik aushalten müssen. Jetzt hat es mit einer Pole-Position, mit einem Sieg und einem dominanten Rennen geklappt.

Mit einer Doppel-Pole-Position, bitteschön. Und der Drittschnellste war auch ein Mercedes. Das war gut. Natürlich bin ich stolz. Aber die Kritik am Team ist normal. Davon darf man sich nicht ablenken lassen. Ich würde auch viel von Mercedes erwarten. Jetzt haben wir gezeigt, dass wir etwas können. Es haben viele Teams viel länger für den ersten Sieg gebraucht. Jetzt sollten wir nicht den Mund voll nehmen, sondern uns freuen und dann weiterarbeiten.

Der Erfolg tut gut, oder? Das war in den letzten drei Jahren ein Weg, der von vielen als steinig beobachtet wurde.

Natürlich. Ich kenne Teams, die jetzt im Hintergrund sicherlich ganz viele Geräusche machen. Die haben fünf Jahre gebraucht, um zu gewinnen. Wir haben zweieinviertel gebraucht. Es gibt viele Teams, die das nicht geschafft haben. Wir haben haben uns das erarbeitet, sind ein kleines Team und haben ein kleines Budget. Trotzdem hält die Truppe zusammen - das habe ich immer gesagt. Wir alle bei Mercedes haben die gleiche Moral, wir erhalten die totale Unterstützung in Stuttgart.

War es nervenzerreissend?

Nein, eigentlich nicht.

Ganz easy also?

Es war kontrolliert und schön. Es war eine tolle Strategie, Nico hat einen super Job gemacht und war dominant. So viel zum Thema 'die Reifen halten nicht'.

Wart ihr euch da von Anfang an sicher?

Nein.

Ab wann haben Sie an den ersten Sieg geglaubt? Ab wann waren Sie sich sicher?

Nach drei Runden. Als es sich stabilisiert hat. Und man muss ja auch an etwas glauben, sonst bekommt man nichts.

Hätten Sie gedacht, dass es so wenig Gegenwehr gibt? Der Abstand war so gross.

Es war eine ganz clevere Strategie. Wir haben uns aus allem herausgehalten. Wenn wir nicht vorne losfahren, sieht das Spiel ganz anders aus. Da waren viele gleich schnelle Autos. Aber wichtig war, dass sich Nico (Rosberg) absetzen konnte. Ich glaube, unser Auto ist mit am Besten mit den Reifen umgegangen.

Nico Rosberg hat eine brillante Leistung gezeigt.

Nico war drauf wie das Messer. Wir haben ihm gesagt, dass er die Reifen schonen muss. Er hat es kontrolliert und er hat es unheimlich gut gemacht. Wenn es läuft, dann läuft es.

Seid ihr wirklich vorne an der Spitze dabei oder war das das Idealpaket für den Reifen und den Verschleiss?

Das müssen wir abwarten. Das Streckenlayout war ganz gut, die Temperatur war ganz gut. Aber wir haben nichts geschenkt bekommen. Ohne das Problem mit der Radmutter bei Michael hätte es auch einen Doppelsieg geben können. Schade, aber das war schon mal ein gutes Lebenszeichen.

Das nächste Rennen findet in Bahrain statt. Wie stark werden Sie dort sein?

Das kann ich schwer abschätzen, es kommt auf die Temperaturen an. Es ist alles so dicht beieinander. Eine Drei-Stopp-Strategie hat dazu geführt, dass man in den Verkehr gekommen ist. Für zwei Stopps musste man über 20 Runden mit dem Reifen umgehen - wir konnten das. Wir waren bisher die Reifenfresser, jetzt sind wir die Reifenflüsterer.

Die Teams müssen heute schon einpacken und es geht nach Bahrain. Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, zu feiern?


Ja, die gibt es. Das machen wir wahrscheinlich in Bahrain. Am Abend wir nicht viel gehen, wir fliegen auch zurück.

Ross Brawn hat gesagt, es kämen vielversprechende Teile für die nächsten Rennen.

Wir hätten nichts dagegen, wenn es so weiterginge.

Brawn: "Nico hat das fantastisch gemacht"


Es ist vollbracht: Nico Rosberg hat dem "neuen" Mercedes-Werksteam in der dritten Saison in der Formel 1 den ersten Sieg beschert. Der Deutsche setzte sich beim Grand Prix von China in Schanghai von der Pole-Position aus an die Spitze und fuhr den Sieg letztlich ungefährdet ins Ziel. Damit sorgte er auch bei Teamchef Ross Brawn für große Erleichterung. "Das erinnert mich daran, warum ich den Motorsport so liebe. Nach diesen harten Jahren ist das ein ganz besonderer Sieg für uns. Ich muss allen im Unternehmen danken, die uns so fantastisch unterstützt haben", so Brawn nach dem Rennen gegenüber 'RTL'.

"Mir hat gerade jemand erzählt, dass ich ein Jahr alt war, als wir den letzten Grand Prix gewonnen haben. Das ist eine nette Statistik", so Brawn anlässlich des ersten Siegs eines Werks-Mercedes in der Formel 1 seit September 1955. "Jeder Rennsieg ist etwas Besonderes, aber nach einer harten Zeit solch ein Rennen zu gewinnen, ist schon sehr speziell. Die Ingenieure und Fahrer wussten, was sie zu tun hatten, und haben es perfekt gemacht. Am Freitag war das Auto noch nicht gut in Form, mit viel Benzin waren wir nicht schnell genug, aber die Ingenieure und Fahrer haben gute Arbeit geleistet. Sie haben von Freitag auf Samstag eine Menge Speed gefunden, am Samstag sahen wir vollgetankt viel besser aus", erklärt Brawn bei 'Sky Sports F1'. "Aber bis zum Start des Rennens weiß man nie, wo man steht. Unsere Autos aus der ersten Reihe starten zu sehen, war schon etwas Besonderes."

Beeindruckend war die Tatsache, dass Rosberg seinen Sieg mit dem bisher als "Reifenfresser" bekannten Mercedes auf einer Zwei-Stopp-Strategie herausfuhr. "Unsere Daten haben uns gezeigt, dass wir mit zwei Stopps durchkommen können, wenn die Fahrer die Reifen schonen. Die Chance, dass zwei Stopps funktionieren würden, war nicht allzu gross, aber Nico hat das fantastisch gemacht", lobt der Brite seinen Fahrer. "Es war beeindruckend. Wir hatten immer noch ein wenig Sorgen um die Reifen, aber er hat sie perfekt behandelt." Getrübt wurde der Triumph lediglich durch den Ausfall von Michael Schumacher, dessen rechtes Vorderrad nach dem ersten Boxenstopp nicht fest angezogen war. "Es ist tragisch, dass wir ein Problem mit Michael hatten, denn auch er war heute gut in Form", sagt Brawn. "Michael war auf der gleichen Strategie wie Nico. Sie haben beide die Reifen geschont, das war entscheidend."

Dass der Mercedes im Gegensatz zu den ersten beiden Grands Prix an diesem Wochenende auch im Rennen konkurrenzfähig war, liegt für Brawn in den gleichbleibenden Wetterbedingungen begründet. "Dadurch fanden wir eine gute Balance für das Rennen. An den vorherigen Wochenenden hatten wir wechselnde Bedingungen, das waren wir nicht so gut in Form. Aber durch die konstanten Bedingungen von Freitag bis Sonntag haben wir das richtige Betriebsfenster etwas weiter öffnen können." Der Teamchef ist davon überzeugt, dass Rosberg auch ohne den Fehler von McLaren beim letzten Boxenstopp von Jenson Button das Rennen gewonnen hätte. Gleichwohl habe das Missgeschick der Konkurrenz Mercedes geholfen. "Jenson war so hinter dieser Gruppe und hätte eigentlich davor herausfahren können. So konnten wir im letzten Stint das Tempo kontrollieren", sagt Brawn. Der Brite hofft, den positiven Trend in die kommenden Rennen mitnehmen zu können. "Mehr Abtrieb macht uns schneller, darauf arbeiten wir hin. Wir haben für die nächsten Rennen auch noch einige gute Teile in petto", verspricht Brawn. Heute ist aber zunächst einmal feiern angesagt. "Wir haben ein neues Abenteuer begonnen. Ich hatte das Glück, schon viele besondere Tage zu erleben, und der heutige ist sicherlich ein ganz besonderer." Angesprochen auf die Champagner-Attacke auf Norbert Haug, der auf dem Podium ordentlich "eingeseift" wurde, zeigt Brawn wenig Mitleid. "Das hat er sich auch verdient", so der Teamchef mit einem Augenzwinkern.

Siebter deutscher und dritter Vater/Sohn-Sieg


Mercedes-Pilot Nico Rosberg ist mit seinem Premierensieg in Schanghai zum siebten deutschen Grand-Prix-Sieger in der Geschichte der Königsklasse geworden. Der in Wiesbaden geborene 26 Jahre alte Sohn des früheren Weltmeisters Keke Rosberg aus Finnland und einer deutschen Mutter stand am Sonntag im 111. Anlauf zum ersten Mal ganz oben auf dem Siegerpodest. Für Mercedes war es nach der Rückkehr als Werksteam Anfang 2010 der erste Sieg im 41. Rennen und Nummer zehn insgesamt. Zuvor letzter Silberpfeil-Sieger war Juan Manuel Fangio am 11. September 1955 in Monza.

Vor Rosberg wurde für Wolfgang Graf Berghe von Trips (Horrem), Jochen Mass (Bad Dürkheim), Michael Schumacher (Kerpen), Heinz-Harald Frentzen (Mönchengladbach), Ralf Schumacher (Kerpen) und Sebastian Vettel (Heppenheim) bei einer Formel-1-Siegerehrung die deutsche Hymne gespielt. Von Trips war mit seinen beiden Erfolgen 1961 in den Niederlanden und Grossbritannien der erste deutsche Sieger und auf dem Weg zum WM-Titel, bis er am 10. September 1961 in Monza tödlich verunglückte. Mass gewann 1975 beim abgebrochenen Grand Prix auf dem Montjuich in Barcelona sein einziges Rennen.

Schumacher-Ära ab 1992

Eine neue Ära prägte dann Michael Schumacher, der seinem Premierensieg vom 30. August 1992 in Spa-Francorchamps noch 90 weitere Siege und sieben WM-Titel folgen liess. Frentzen feierten seinen ersten Sieg 1997 bei Williams, zwei weitere dann 1999 bei Jordan. Ralf Schumacher gewann zwischen 2001 und 2003 sechs Rennen für Williams, Vettel holte seit 2008 bislang 21 Siege und zwei WM-Titel. Wie einst Vettel bei seinem Premierenerfolg 2008 in Monza hatte auch Rosberg in Schanghai am Tag zuvor seine erste Pole-Position erobert, die als achter Deutscher. Zuvor hatten Michael Schumacher (68 Mal), Vettel (30), Ralf Schumacher (6), Frentzen (2) sowie von Trips, Nick Heidfeld (Mönchengladbach) und Nico Hülkenberg (Emmerich/je 1) auf dem ersten Startplatz gestanden. Rosberg sorgte jetzt für die 110. deutsche Pole. Insgesamt ist Rosberg der 83. Fahrer in der Geschichte der Formel 1, der eine Pole-Position erobert, und der 103. Sieger in der Königsklasse. Noch länger als der Mercedes-Pilot hatten nur noch der Brite Jenson Button (113 Rennen), der Italiener Jarno Trulli (117), der Brasilianer Rubens Barrichello (124) und der Australier Mark Webber (131) auf ihren ersten Sieg gewartet. Button wurde später sogar noch Weltmeister.
Rosberg hat mit seinem ersten Sieg auch seine Familie in einen kleinen erlesenen Kreis der Formel 1 gebracht. Die Rosbergs sind erst das dritte Vater/Sohn-Paar in der Geschichte der Königsklasse, das Rennen gewonnen hat. Nicos Papa Keke hat in seiner aktiven Zeit insgesamt fünf Grand-Prix-Siege gefeiert und 1982 den WM-Titel geholt.

Rosberg sen. erlebt Sieg seines Sohnes

Vor Keke und Nico Rosberg hatten sich die Briten Graham und Damon Hill sowie die Kanadier Gilles und Jacques Villeneuve in die Siegerlisten eingetragen. Der 1975 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommene Graham Hill gewann insgesamt 14 Rennen und war 1962 und 1968 Weltmeister. Sohn Damon holte den WM-Titel 1996 und brachte es sogar auf 22 Siege. Bei den Villeneuves war der Sohn deutlich erfolgreicher als sein 1982 in Zolder tödlich verunglückter Vater Gilles, der sechs Grand-Prix-Siege feierte. Jacques gewann elf Rennen und wurde 1997 Weltmeister. Das einzige Brüderpaar, das Rennen gewonnen hat, sind Michael und Ralf Schumacher. Keke Rosberg ist übrigens der erste Formel-1-Weltmeister, der einen Grand-Prix-Sieg seines Sohnes selbst miterlebt hat.

Geldstrafe für Mercedes wegen Schumacher-Boxenstop


Der Ausfall von Michael Schumacher, der nach seinem Boxenstopp in Runde 13 wegen eines nicht ordnungsgemäss befestigten Vorderrads das Rennen in Schanghai beenden musste, hat ein Nachspiel. Nach einer Untersuchung durch die Rennkommissare wurde das Mercedes-Team nach dem Rennen wegen einer "unsicheren Freigabe" mit einer Geldstrafe von 5.000 Euro bestraft.

Das umsichtige Verhalten Schumachers wurde bei der Entscheidung als mildernder Umstand gewertet. "Die prompte Reaktion des Fahrers, der das Auto unmittelbar nach Erkennen des Problems angehalten hat, wurde bei der Bemessung der Strafe berücksichtigt", heisst es in einer offiziellen Stellungnahme der Rennkommissare Garry Connelly, Emanuele Pirro und Vincenzo Spano.

Rosberg jubelt: "Hammer! Sensationell!"


Nico Rosberg hat am Sonntag den Mercedes-Stern an den Formel-1-Himmel geschickt. Der Weltmeistersohn setzte seine Pole-Position beim Grand Prix von China in Schanghai mit einer souveränen Fahrt in den ersten Sieg um. Im 111. Formel-1-Rennen seiner Karriere stand Rosberg erstmals auf dem Podest ganz oben und bescherte dem Mercedes-Werksteam somit den ersten Grand-Prix-Erfolg seit Fangio 1955.

Frage: Nico, wie schmeckt denn der Siegerchampagner?


Nico Rosberg: Sehr lecker. Das könnte ich gern öfters haben.

Es ist der erste Mercedes-Sieg seit 1955. Geht einem so etwas durch den Kopf?

Nein. Ich liege da in Führung und denke, es wird mein erster Rennsieg und der erste Sieg von Mercedes in der Neuzeit. Das ist eigentlich alles.
Wie glücklich bist du?

Hammer! Sensationell! Am gesamten Wochenende kam alles perfekt zusammen: Qualifying, Start, Strategie und die Bedingungen. Es war ein bisschen kühler geworden. Alles kam zusammen. Die Balance des Autos war richtig gut. Es war aber auch schön zu sehen, wie wir uns gesteigert haben auf einmal. Wir haben hart am Setup gearbeitet, um es zu verbessern. Im Qualifying waren wir immer schon stark und jetzt auch im Rennen. Das ist toll. Es hat lange genug gedauert, mehr als zwei Jahre. Mit einem Silberpfeil zu gewinnen ist Wahnsinn. Ich freue mich, das mit dem gesamten Team zu teilen. Besser geht es nicht. Jetzt kann es ruhig so weitergehen. Beim nächsten Rennen wir es aber auf jeden Fall schwieriger. Die Temperaturen werden höher sein. Wir haben noch unsere Probleme im Rennen. Es wird aber immer besser.

Jenson Button war zeitweise nahe dran. Hat es Momente gegeben, wo du gezweifelt hast?

Es war für mich kaum zu erkennen, wie nahe er wirklich dran ist, weil er auf einer anderen Strategie unterwegs war. Ich war mir der Sache aber recht sicher. Es hat sich super angefühlt, und ich konnte die Reifen gut über die Distanz bringen. Als Jenson bei seinem letzten Stopp ein Problem hatte, da dachte ich: 'Okay, das wird schon reichen'. Mir war aber auch vorher klar, dass er recht weit hinten liegen würde, selbst bei einem perfekten Stopp. Das hätte nicht mehr gereicht für ihn. Ich hatte meine Reifen sehr geschont und hätte noch schneller fahren können, deswegen habe ich mir keine allzu grossen Sorgen gemacht. In den letzten Runden war es irgendwie verrückt, weil in jeder Runde ein anderer Name hinter mir war. Ich dachte: 'Was ist denn da los?' Erst war derjenige hinter mir, dann der und dann wieder ein anderer.
Es war dein erster Formel-1-Sieg. Was ist dir in der letzten Runde durch den Kopf gegangen?

Das war nicht nur in der letzten Runde, sondern die ganze Zeit - eigentlich die letzten 40 Runden. Das ist so etwas von lang, das kann man gar nicht beschreiben. Das hört nicht mehr auf, unglaublich.

Wird man mal misstrauisch, fängt man an zu beten?

Nein, das nicht. Ich war mir schon sicher, dass ich das nach Hause fahren kann. Nach dem letzten Boxenstopp dachte ich: 'Okay, das pack' ich jetzt schon'. Sorgen hatte ich nicht wirklich.

Norbert Haug meinte, es sei schade, dass man nun schnell packen müsse und nicht feiern könne. Kannst du wenigstens etwas feiern?

Schade ist es schon. Wenn jetzt drei Wochen Pause wären, dann würden wir heute Abend alle wahnsinnig werden (lacht). Aber so müssen wir jetzt alles etwas dämpfen. Wir werden das aber nachholen. Es gibt sicherlich bald mal wieder einen Sieg.

Mercedes & Rosberg: Der Knoten ist geplatzt!


Das Mercedes-Team verblüffte beim Grossen Preis von China die Beobachter. Nico Rosberg fuhr von der Pole-Position aus gestartet in Schanghai ein starkes Rennen und bekam keine Probleme mit der Abnutzung der Reifen, so wie das viele Experten erwartet hatten. "Ihre Probleme wurden übertrieben dargestellt", wiegelt Pirellis Motorsportdirektor Paul Hembery hingegen ab. "Das ist nicht mehr das 2011er-Auto."

Und so gelang es Rosberg in seinem bereits 111. Grand Prix, seinen ersten Sieg zu holen - und das sogar mit einer Zwei-Boxenstopp-Strategie. Der Erfolg gelang übrigens genau 111 Jahre nach dem ersten Mercedes-Sieg bei der "Rennwoche von Nizza" im Jahr 1901. Und es ist der erste Sieg eines Werks-Silberpfeils seit dem Grossen Preis von Italien am 11. September 1955 in Monza. Wenig Glück hatte hingegen wieder einmal Michael Schumacher. Das Team zog beim ersten Boxenstopp das rechte Vorderrad nicht an, sodass er in Runde 13 das Auto mit einer beschädigten Vorderradaufhängung abstellen musste. Die Enttäuschung darüber dürfte dieses Mal grösser gewesen sein als bei vielen anderen Ausfällen in seiner Formel-1-Karriere...

Lauda hatte Mercedes schnell auf der Rechnung

"Mir war eigentlich schon nach den ersten Runden klar, wie die beiden gehen", zeigte sich Ex-Formel-1-Weltmeister Niki Lauda in seiner 'RTL'-Analyse beeindruckt. "Der Nico und der Michael sind ähnliche Rundenzeiten gefahren und haben sich sofort konstant mit dem Speed etablieren können, gegen alle anderen. Solange der Michael gefahren ist - er wäre sicherlich Zweiter geworden -, war alles voll unter Kontrolle." Nach den ersten beiden Saisonrennen, in denen man zunächst mit zu starker Abnutzung der Reifen und anschliessend mit zu geringen Temperaturen in den Reifen kämpfte, erwischte man nun ganz offenbar genau das richtige Fenster: "Das war ein langer, steiniger Weg, aber hier, nach der Pole-Position, haben sie schon mal mit Respekt gezeigt, was sie können", so Lauda. "Das Reifenproblem hier ist überhaupt nicht zum Tragen gekommen. Mercedes hat hier vom Start weg bis ins Ziel bewiesen, dass sie alles richtig gemacht haben und das Rennen souverän gewonnen. Allen Unkenrufen zum Trotz war dieses Auto im Training und im Rennen einfach das Beste und alle anderen konnten da gar nicht mehr mitgehen. Wenn das einmal so passiert ist, tut man sich auch leichter, weil man weiß, man kann's, man hat's bewiesen. Und alle weiteren Grand-Prix-Siege kommen dann relativ schnell."

Rosberg: Perfektes Wochenendes und Hochgefühle

"Dies ist ein ganz besonderer Augenblick für mich", strahlt Rosberg. "Das gesamte Wochenende verlief perfekt. Erst meine erste Pole-Position, dann mein erster Sieg in der Formel 1 - es war einfach fantastisch. Aber nicht nur das: es ist auch der erste Sieg eines neuen Silberpfeils und für dieses großartige Team. Das ist etwas ganz Besonderes für mich. Ich möchte mich bei allen im Team bedanken, hier in China sowie in unseren Werken in Brackley und Brixworth. Ich bin sehr stolz, dass wir das Auto so rasch verbessert haben. Ich werde dieses Rennen sicher nie vergessen und die letzten 20 Runden fühlten sich an, als ob ich an den 24 Stunden von Le Mans teilnehmen würde! Aber es war ein wahnsinnig tolles Gefühl, die Ziellinie zu überfahren. Jetzt freuen wir uns über diesen Erfolg, bleiben aber mit beiden Beinen auf dem Boden. Wir sind noch nicht dort, wo wir sein wollen und müssen noch hart daran arbeiten, das Auto und die Reifen unter allen Bedingungen zu verstehen. Jetzt geben wir weiter Gas, um unsere Rennpace noch mehr zu steigern. Warten wir ab, wie es in Bahrain aussieht."

Bittersüsse Freude für Schumacher

"Glückwunsch an das gesamte Team, Mercedes-Benz und natürlich Nico, der vom Start bis ins Ziel ein perfektes Rennen gefahren ist", so Schumacher. "Das war gestern und heute eine grossartige Leistung und ich freue mich für ihn. Was mein Rennen angeht, so war nach meinem ersten Boxenstopp leider mein rechtes Vorderrad locker. Aus diesem Grund stellte ich das Auto am Streckenrand ab, denn ich wollte keinen grösseren Schaden riskieren. Ich habe sofort gespürt, dass etwas nicht stimmte, besonders in Kurve drei, als ich die rechte Fahrzeugseite mehr belastete. Bis dahin fuhr ich ein kontrolliertes Rennen, hielt meine Verfolger hinter mir in Schach und achtete auf meine Reifen. Das war kein glückliches Ende für ein Rennen, das viel schöner hätte verlaufen können und es tut mir leid für die Jungs, die stets so hart arbeiten und ihr Bestes geben. Aber wir alle wissen, dass das zum Rennsport dazu gehört."

Brawn jubelt über "historischen Tag"

"Dies ist gewiss ein ganz besonderer und historischer Tag", freut sich auch Teamchef Ross Brawn. "Ich freue mich wahnsinnig für Nico, er hatte sich seinen ersten Sieg schon einige Male verdient und nun hat er es mit einer perfekten Fahrt von der Pole-Position geschafft. Jetzt bin ich gespannt, wie er sich mit diesem Sieg auf dem Konto weiterentwickeln wird. Es tut mir leid für Michael, der auf Position zwei liegend ein kontrolliertes Rennen fuhr und nach seinem Boxenstopp aufgeben musste. Er ist jedoch der Erste, der anerkennt, dass wir als Team gemeinsam gewinnen und verlieren. Seine Leistungen in diesem Jahr haben gezeigt, dass auch er aufs oberste Podiumstreppchen fahren kann. Ich gratuliere unserem Team hier an der Strecke, in Brackley und in Brixworth aus tiefstem Herzen. Sie haben enorm viel Energie in dieses Projekt gesteckt und jetzt sehen wir, wie sich ihre Entschlossenheit und ihr Können auszuzahlen beginnen. Mein Dank gilt auch all unseren Kollegen bei Mercedes-Benz in Stuttgart sowie in aller Welt - ihre Unterstützung war einmalig und wir sind stolz, den ersten Sieg eines Silberpfeils seit 57 Jahren erzielt zu haben. Ich war erst ein Jahr alt, als Juan Manuel Fangio 1955 in Monza gewann, aber an diesen Sieg heute werde ich mich für eine sehr lange Zeit erinnern!"

"Ein sensationeller Sieg für Nico und unser Team!", freut sich Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug, der freudig durch die Boxengasse hüpfte. "Es war unglaublich, wie Nico fuhr und das Rennen von der ersten bis zur letzten Runde kontrollierte. Ein grosses Dankeschön an alle unsere Teammitglieder in Brackley, Brixworth, Stuttgart, Fellbach, Untertürkheim und Möhringen für ihren unerschöpflichen Einsatz sowie ihren Glauben an unsere Fähigkeiten und dass wir es schaffen werden. Nicos Leistung war heute superb. Unser Team wählte eine perfekte Zweistoppstrategie und Nico und sein Auto gingen sehr gut mit den Reifen um. Es ist schade, dass Michael nach seinem ersten Boxenstopp ausfiel, weil es ein Problem mit der Befestigung seines rechten Vorderrads gab. Dadurch entging ihm die Chance auf eine mögliche Podiumsplatzierung. Es war aber besonders schön, dass Jenson und Lewis ebenfalls auf dem Podium standen - Mercedes-Power bei den ersten Drei!"

15.4.2012