Webber: Da ist noch mehr drin

Vor Ferrari, aber hinter McLaren: Webber sieht

noch viel Arbeit vor sich.

Der Sonntagnachmittag schien lang keine weitere Sternstunde des Red-Bull-Teams zu werden. Doch Mark Webber begeisterte beim Grand Prix von China zumindest die Fans von Startplatz sechs aus mit einem tollen Rennen samt zahlreichen Zweikämpfen. Am Ende stand Rang vier, knapp hinter Lewis Hamilton, zu Buche. Mit seinem Überholmanöver an Sebastian Vettel kurz vor Schluss setzte der Australier ausserdem ein dickes Fragezeichen hinter die interne Hackordnung zugunsten des Deutschen.

Ganz zufrieden ist Webber nicht und sagt: "Am Ende war der vierte Rang wohl nicht das Maximum. Mir sind einige Fehler unterlaufen, als ich versucht habe, Druck zu machen." Auch die Anfangspahse verlief für ihn alles andere als optimal. "Wir haben am Start einige Positionen verloren und Probleme gehabt, die Reifen zum Arbeiten zu bekommen. Aber ich habe versucht, den Kopf einzuziehen und eine etwas andere Strategie zu fahren", erklärt Webber und stellt fest: "Heute brauchte man etwas Erfahrung. Es war ein sehr, sehr enger Grand Prix."

Der Red-Bull-Pilot nennt die Ausarbeitung der Strategie eine schwierige Aufgabe. Und berichtet von einem Sonntag, der ihm durchaus Spass bereitet habe. "Es war ein interessantes Rennen und ich habe den grössten Teil genossen." Ob das daran lag, dass er sich ausgerechnet Vettel noch krallte? Webber will die Szene - zumindest nach Aussen hin - nicht überbewerten. "Der Unterschied zwischen dem vierten und dem fünften Rang ist nicht gravierend, wenn es um Teamkollegen geht. Es sind nur ein paar Punkte mehr, das ist alles", so der 35-Jährige.

Webber erkennt einen Fortschritt bei Red Bull, sieht aber noch eine Menge Arbeit auf die Truppe zukommen: "Wir waren bei der Zieldurchfahrt nahe an McLaren dran - wie in allen Rennen. Nichtsdestotrotz ist es noch ein langer Weg." Dass die Formel-1-Bühne in China anderen gehört hat, bezweifelt Webber nicht und schickt Glückwünsche an Premierensieger Rosberg: "Gratulation an Nico. Das ist die Schlagzeile. Er verdient den Sieg."

Vettel: "Müssen einen ordentlichen Zacken zulegen"


Über Langeweile konnte sich Sebastian Vettel beim Grossen Preis von China in Schanghai heute nicht beklagen. Der Red-Bull-Pilot erlebte ein Rennen mit Höhen und Tiefen, in welchem er in der ersten Runde von Startplatz elf auf 15 zurückfiel, anschließend bis auf den zweiten Platz noch vorne fuhr und in den letzten Runden des Rennens schließlich noch bis auf Rang fünf zurückgereicht wurde. "Nach dem schlechten Start und der schwachen ersten Runde bin ich mit Platz fünf ganz zufrieden", lautete im Ziel das Fazit das 24-Jährigen.

Nachdem Vettel gestern in der Qualifikation den Sprung in den dritten Abschnitt verpasst hatte, nahm er das Rennen heute von Startplatz elf auf. So hatte der Deutsche die freie Wahl der Reifenmischung, er entschied sich jedoch, wie die Fahrer aus den Top-Ten, das Rennen auf der weichen Mischung in Angriff zu nehmen. Doch schon am Start lief für den Red-Bull-Fahrer einiges schief. "Ich habe den Start ein wenig verschlafen", muss Vettel nach dem Rennen eingestehen. "Ich habe nicht auf Anhieb die richtige Drehzahl gefunden, war deshalb etwas verwirrt und war dann beim Start ein wenig zu spät", so der 24-Jährige. Diese Störung brachte seinen gesamten Startablauf durcheinander. "Beim Erlöschen den Startampeln habe ich zu spät reagiert. Normalerweise bin ich dabei richtig schnell, aber heute war ich wohl einer der Langsamsten. Ich bin einfach nicht früh genug aufgewacht", beschreibt Vettel seine Probleme.

Turbulente erste Runde

Anschliessend gingen die Schwierigkeiten weiter. Vettel verlor zwei Positionen an die Williams-Piloten, deren Manöver ihn dann in die Bredouille brachte. "In der ersten Kurve haben sich die beiden dann leicht berührt. Ich musste dadurch bremsen, wusste nicht genau, was noch passieren würde und habe weitere Plätze verloren. Ich wäre sogar fast noch hinter Petrow und Heikki, die beiden Caterham zurückgefallen", beschreibt der Deutsche die ersten Meter des Rennens und kommt zu dem Schluss: "Das war eine wirklich schlimme erste Runde." Das Resultat dieser problembehafteten ersten Rennrunde war Platz 15 für Vettel - alles andere als eine gute Ausgangsposition für eine Aufholjagd in der Weltmeisterschaft. "Aber durch unsere Strategie konnten wir das kompensieren", sagt Vettel. In Runde zehn wechselte Vettel von der weichen auf die Medium-Reifenmischung und fuhr im Anschluss mehrmals die zu diesem Zeitpunkt schnellste Rennrunde. Durch die guten Zeiten schob sich der Deutsche Schritt für Schritt nach vorne und überholte trotz schlechter Voraussetzungen einige Gegner. "Wir waren auf den Geraden zu langsam und haben dort zu viel Zeit verloren. Dadurch war es sehr schwierig, andere Fahrer zu überholen", so Vettel nach dem Rennen. In Runde 29 lag er bereits auf Rand drei, musste sich dann jedoch Jenson Button geschlagen geben, der in der DRS-Zone am Red Bull vorbeifuhr.

Mit zwei Stopps auf Rang zwei

In Runde 32 stoppte Vettel zum zweiten und letzten Mal an der Box und lies wieder einen Satz Medium-Reifen montieren. Die Zwei-Stopp-Strategie spülte den 24-Jährigen nach den Stopps seiner Konkurrenten bis auf den dritten Platz hinter Kimi Räikkönnen nach vorne, doch am Ende musste Vettel den Preis dafür bezahlen. "Es war schon zehn Runden vor Schluss klar, dass nicht mehr viel ging", so der Red-Bull-Pilot gegenüber 'RTL'. "In dem langen Rechtsbogen vor der Geraden habe ich mich extrem schwer getan, ich war dort nie in der Lage, Kimi ernsthaft zu gefährden. Deswegen war mir schon klar, was mir droht", sagt Vettel. Zwar gelang es ihm noch, den Finnen zu überholen, doch der Lotus-Pilot litt genau wie Vettel unter stark nachlassenden Reifen und fiel in der Schlussphase des Rennens noch bis auf Rang 14 zurück. Auch Vettel war letztlich im Kampf gegen seine Widersacher chancenlos. "Am Schluss waren unsere Reifen zehn Runden älter als die meiner Konkurrenten, sie damit hinter mir zu halten, das geht nicht." So musste der Deutsche zunächst erneut Button und anschliessend auch Lewis Hamilton und Teamkollege Mark Webber zeihen lassen. Für Vettel eine Art Déjà-vu: "Es hat mich ans vergangene Jahr erinnert, da wurde ich in den letzten Runden auch überholt. Aber meine Reifen waren wirklich verbraucht. Du versuchst zwar, immer noch etwas aus ihnen herauszuholen, aber sie waren wirklich am Ende."

Besseres Rennen in Bahrain?

"Das Podium war so nah, aber letztlich so weit entfernt." Auch Änderungen an den Einstellungen seines Red Bull änderten daran nichts mehr: "Es wurde immer schwieriger, da die Reifen völlig abgefahren waren. Ich habe alles Mögliche verstellt, die Bremsbalance, das Differenzial usw., aber ich konnte nichts mehr ausrichten", beschreibt Vettel seinen aussichtslosen Kampf. "Das war schade. Das Podium war so nah, aber letztlich so weit entfernt. Aber wir haben gute Punkte gewonnen." So lautet das Fazit des Deutschen: "Es war ein interessantes Wochenende. Schlechtes Qualifying, aber im Rennen war es wieder etwas besser." Dennoch fordert Vettel: "Nichtsdestotrotz müssen wir einen ordentlichen Zacken zulegen. Wir können aber ganz zufrieden sein mit den Sachen, die wir am Wochenende gelernt haben. Ich glaube, wir können schon in Bahrain ein bisschen besser dastehen." Bedenken über die Reise nach Bahrain hat Vettel nicht: "Nein. Ich glaube, es wir schon okay sein. Es ist wie immer, es wird viel geredet. Wir habe schon ein paar Leute dort, die aufbauen, und die Strecke liegt ja ein wenig im Niemandsland, dort ist es bisher sehr ruhig. Es wird viel Tohuwabohu gemacht, aber ich habe kein Problem damit, dorthin zu gehen", schließt sich der Deutsche der offiziellen Sprachregelung an.

Red Bull: Kein Podium und dennoch zufrieden


Das Red-Bull-Team setzte beim Grossen Preis von China in Schanghai auf unterschiedliche Strategien. Während Mark Webber dreimal zum Reifenwechsel kam, arbeitete sich Sebastian Vettel mit nur einem Stopp zwischenzeitlich vom 15. bis auf den zweiten Rang nach vorn. Erst in der Schlussphase des Rennens bauten seine Reifen so stark ab, dass er die beiden McLaren-Piloten und seinen Teamkollegen doch noch ziehen lassen musste.

"Es war sehr schwierig, die Balance für das gesamte Rennen richtig hinzubekommen", so Webber. "Schlussendlich ist der vierte Rang nicht allzu schlecht. Es war nicht das Maximum, aber es geht zwischen den Teams an der Spitze sehr eng zu. Zu einem Zeitpunkt des Rennens las ich Position 13/14 auf der Boxentafel, ich muss aus diesem Grund mit dem vierten Rang zufrieden sein. Als ich versuchte, auf der Rückgeraden Druck zu machen, leistete ich mir ein paar Fehler", so Webber, der einmal neben die Strecke geriet, worauf die Frontpartie seines Autos beängstigend aufstieg und der Australier wohl nur knapp einem weiteren Überschlag in seiner Rennfahrerkarriere entgangen ist. "Es ist sehr einfach schwierig, denn man kommt leicht auf den Gummiabrieb. Meiner Meinung nach war die Strategie gut, aber es ist mit einem Drei-Boxenstopp-Rennen immer ein Glücksspiel, denn man kann den Verkehr schlecht einschätzen, mit dem man es zu tun bekommen. Gratulation an Nico, er verdient den Sieg, und auch an Mercedes. Ich habe mir nun drei vierte Plätze geholt, das sind gute Punkte, und damit müssen wir ganz zufrieden abreisen. Aber wir müssen weiter Druck machen und uns weiter verbessern."

"Am Ende des Rennens war vom Reifen nicht mehr viel übrig", so Vettel, der im Gegensatz zu Webber nur zwei Stopps einlegte. "Im Auto sitzend reagierte ich mit der Balance der Bremsen, dem Differenzial, versuchte alles, um die Reifen zu schonen. Aber in den letzten paar Runden wusste ich, dass es meine einzige Chance ist zu versuchen, vor Kimi zu bleiben. Ich glaube, er geriet in ein paar Probleme. Wir haben ein paar gute Punkte geholt, und es war eine gute Aufholjagd vom 15. Platz. Mercedes hat heute ziemlich komfortabel gewonnen, das haben sie gutgemacht. Wir waren auf den Geraden generell zu langsam, das hat es schwierig gemacht, andere zu überholen. Aber alles in allem bin ich angesichts der schwachen ersten Runde glücklich über den fünften Rang. Ich habe den Start verschlafen, ich war mit der Drehzahl nicht ganz zufrieden und verpasste den Anfang etwas, als die Lichter ausgingen. Für gewöhnlich bin ich diesbezüglich ziemlich schnell, aber heute war ich einer der Letzten. Die erste Runde war nicht grossartig, aber dank der Strategie haben wir es geschafft, wieder nach vorne zu kommen. Meiner Meinung nach war das Wochenende für uns gut, wir haben eine Menge gelernt, hoffentlich werden wir diese Lektionen lernen und kommendes Wochenende in die richtige Richtung arbeiten."

"Das war ein sehr arbeitsreiches und ereignisreiches Rennen", so Teamchef Christian Horner. "Angesichts der Tatsache, von wo wir losfuhren, und wo wir in der ersten Runde lagen, bekamen wir es mit einigen schwierigen strategischen Entscheidungen zu tun. Mit Mark waren wir die ersten, welche zum Boxenstopp kamen, was sehr aggressiv war. Mit Sebastian sind wir früh zum Reifenwechsel gekommen und haben die Strategien an diesem Punkt aufgeteilt. Mark setzen wir auf drei Stopps, Sebastian auf zwei Stopps, und dann begann sich das Rennen zu entwickeln. Unsere Geschwindigkeit war im Rennen ziemlich stark, und wir konnten zu den McLaren vorrücken. Unglücklicherweise wurde Sebastians linkes Vorderrad hart rangenommen, womöglich hinter Kimi, und er hatte am Ende des Rennens auf dem linken Vorderreifen nicht mehr viel drauf. Nichtsdestotrotz ist es immer noch ein starkes Ergebnis, Fünfter zu sein, wenn man in der ersten Runde 15. war. Auch Mark setzte auf einen langen letzten Rennabschnitt. Er hatte einen großartigen Zweikampf mit Lewis. Dank der Strategie haben wir ihn zu ihm gebracht, aber am Ende hat es gerade so eben nicht gereicht. Nichtsdestotrotz sind das eine Menge guter Punkte. Gratulation an Nico Rosberg und Mercedes zu ihrem Grand-Prix-Sieg."

"Dass wir Vierter und Fünfter geworden sind, ist meiner Meinung nach unglücklicherweise ein Ergebnis, mit dem wir glücklich sein können", so Cyril Dumont von Renault. "Schliesslich sind wir von den Positionen sechs und elf gestartet. Sebastian war nach der ersten Runde 14., das war also eine ziemlich gute Aufholjagd. Die Strategie war gut, wir führten mit Sebastian zwei Stopps durch, aber unglücklicherweise war der letzte Rennabschnitt etwas zu lang, und am Ende waren die Reifen bei ihm nicht mehr in Schuss. Mark fuhr ein solides Rennen. Wir müssen nun an unserer Qualifying-Geschwindigkeit arbeiten, um in der Startaufstellung von etwas weiter vorn zu starten."

15.4.2012