Sauber: Wir brauchen jetzt dringend Geld!

Peter Sauber (68) steht in seiner 20. Formel-1-Saison. Und hat den erfolgreichsten Saisonauftakt der Geschichte hinter sich. «Wir sind glücklich. Aber wir brauchen jetzt dringend Geld», sagt Sauber.

Frage: Sie haben sich bei einem Sturz in Australien den Arm verletzt. Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

Peter Sauber: Es geht mir recht gut. Aber es ist eine Verletzung, die halt einige Wochen Heilungszeit braucht. Der Ellbogen ist überdehnt. Und den muss man ruhig stellen. Sonst schlottert die ganze Sache später.

Fabian Cancellara hat es bei seinem Sturz schlimmer erwischt.

Ja, das ist so. Es ist bedauerlich.

Ist Velo fahren gefährlicher als die Formel 1?

Ja, ganz sicher. Velo fahren ist sehr gefährlich. Nicht nur bei den Rennen, sondern auch im normalen Strassenverkehr.

Dann fahren Sie nicht mehr Velo?

Nein.

Aber in der Boxengasse der Formel 1 ist es auch nicht ungefährlich. 1974 hat sich Luca di Montezemolo als Rennleiter von Ferrari in Holland den Fuss gebrochen, weil ihm Ronnie Peterson mit dem Lotus über die Zehen gefahren ist.

(lacht) Ja. Aber mir ist ja keiner über den Ellbogen gefahren. Ich bin selber schuld.

Sie werden es verschmerzen können. Nach diesem Traumstart.

Ja, das kann man sagen. Seit Jahren sagen wir im Vorfeld immer: Die ersten Rennen sind die wichtigsten. Da muss man Punkte machen, weil noch kaum ein Team so richtig präsent ist. Da gibt es Teams, die wollen mit dem Kopf durch die Wand. Das war auch in diesem Jahr so. In dieser Phase muss man bereit sein. Und dann braucht es auch Glück.

Dann haben Sie vom Überraschungseffekt profititiert?

Gut, das Auto muss schnell sein. Und so viel Glück hatten wir ja nicht. Dass unser Auto gut ist wussten wir nach den Tests in Jerez und Barcelona. Aber wir wussten nicht, wie schnell die anderen sind. Und die Konkurrenz glaubte einfach, dass wir mit wenig Gewicht fahren. Davon geht man immer aus, wenn ein Team aus dem Mittelfeld so schnell ist.

Aber dann würde man auch noch gerne wissen, wie gut man wäre, wenn ein Star wie der Alonso oder Hamilton im eigenen Cockpit sitzen würde?

Pérez war ja der schnellste Mann bei Trockenheit und bei Regen. Klar: Wenn man weiss, dass das Auto super ist, dann stellt man sich natürlich auch immer die Frage, wie es wäre mit einem Topfahrer. Aber darüber spricht man nicht. Weil es gegenüber den eigenen Fahrern nicht gut ist. Wenn man Neulinge hat, dann sind die in den ersten Jahren sicher nicht auf dem Level eines Fahrers, der seit zehn Jahren dabei ist.

In Ihren Prognosen vor dem Saisonstart waren Sie ja sehr zurückhaltend. War das Taktik?

Nein. Wir hatten früher schon sehr tolle Tests. Und wurden dann total enttäuscht. Beispielsweise in der Saison 2010. Und dehalb wird man halt vorsichtig. Darum ist die Freude jetzt enorm.

Wieviele Teamchefs haben Ihnen nach dem tollen Start gratuliert?

Da gab es herzige Sachen. Martin Whitmarsh von McLaren hat sehr nett gratuliert. Franz Tost von Toro Rosso hat auch ein liebes SMS geschrieben. Und dann auch die Leute von Ferrari mit Chef Domenicali. Da haben wir ja ein sehr freundschaftliches Verhältnis.

Sie gelten ja als Gentleman in der Formel 1. Gibt es noch andere von diesem Schlag?

Diese Frage kann man so in diesem Geschäft eigentlich gar nicht stellen. Ich habe Colin Chapman nicht gekannt. Ken Tyrrell gefiel mir als Typ. Der hat uns aber nicht ernst genommen. Und mit Frank Williams war das ähnlich.

Sind mit ehemaligen Fahrern auch Freundschaften geblieben?

Es gibt Fahrer, zu denen man noch herzliche Kontakte hat. Beispielsweise zu Jean Alesi, auch wenn es da mal gekracht hat. Und zu Johnny Herberth sowie Jacques Villeneuve. Und dann natürlich mit Frentzen und Wendliger. Da ist eine Freundschaft entstanden.

Räikkönen, Massa, Kubica: Es ist ja beeindruckend, was der Sauber-Rennstall für eine Talentschmiede ist. Sie müssen in dieser Beziehung eine vorzügliche Nase haben?

Ein grosses Team kann sich gar nicht erlauben, konsequent auf junge Fahrer zu setzen. Die holen Stars. Von daher machen wir aus der Not eine Tugend. Wenn man mit jungen Fahrern arbeitet, geht man auch immer wieder Risiken ein. Wir sind gezwungen, Risiken einzugehen. Das hat also nicht nur mit einer guten Nase zu tun.

Gibt es auch eine gewisse Ohnmacht, dass man für die Fahrer nur Durchlauferhitzer ist? Auch Pérez wird nicht zu halten sein!

Vor einem Jahr hiess es noch, mit Pérez holt man einen Fahrer, der für sein Cockpit bezahlt. Darum muss ich jetzt schon ein wenig schmunzeln, wenn man ihn schon bei Ferrari sieht. Es ist für uns eine Bestätigung, dass wir den Richtigen genommen haben.

Aber eine Talentschmiede zu sein, kann man ja auch zum Geschäftsmodell machen?

Da muss man aufpassen. Mit Kimi Räikkönen haben wir einst viel Geld verdient, das stimmt. Aber wir kennen ja die klassische Ablösesumme wie im Fussball nicht. Und Pérez hat einen Vertrag mit Sponsor Telmex. Und nicht mit uns.

Dann habt ihr keinen Einfluss auf die Zukunft von Pérez?

Wir haben einen gewissen Einfluss. Und wir haben ja noch den Gutiérrez. Auch ein schneller Mann. Der 2. Platz von Pérez in Malaysia hat in Mexiko ein gewaltiges Echo ausgelöst. Ich habe mehr als sechzig SMS erhalten.

Doch die Mexikaner sind ja 2012 auf dem Auto nicht mehr so präsent.

Ja, aber das ändert sich wieder. Sie werden uns nach diesem Start wieder mehr lieben.

Ist die Erwartungshaltung überall enorm gestiegen?

Ja, das ist so. Das Team Lotus behauptet ja, dass sie schon die Nummer 3 wären. Vor Ferrari und Mercedes. Dann wären wir im besten Fall die Nummer 6. Die Lotus-Chefs sagen, der Sauber sei in der Qualifikation zu langsam.

Das ist ja auch so.

Ja, das ist ein Problem. Daran arbeiten wir. Bringen das die Fahrer noch nicht hin oder liegt es am Auto? Auch diese Frage stellen wir uns. Es ist klar, dass man in dieser Beziehung mit jungen Fahrern gewisse Abstriche machen muss.

Und die anderen Teams werden jetzt technisch brutal aufrüsten.

Natürlich. Und die haben auch ganz andere Mittel. Das ist alles eine Kostenfrage. Und die Mittelbeschaffung ist immer noch unsere grösste Sorge. Da hilft uns natürlich dieser Top-Start. Doch mit unserem bescheidenen Budget bleiben wir eingeschränkt.

Sie haben nur 300 Mitarbeiter, knapp 100 Millionen Budget – und Sie stehen für Qualität und Seriosität. Warum steigt kein Schweizer Grosskonzern ein?

Wir hatten ja mit der Crédit Suisse schon eine grosse Schweizer Firma. Aber sagen Sie mir grosse englische oder französische Konzerne, die in die Formel 1 einsteigen? Es ist für alle schwierig. Wir sind weiter mit Hochdruck auf Sponsorensuche.

1993 sind Sie in der Formel 1 gestartet. Wie oft haben Sie diesen Schritt schon bereut?

Noch nie. Wir sind zwanzig Jahre in der Formel 1. Das ist für ein Schweizer Team eine Sensation. Es gibt mit Williams, McLaren und Ferrari nur drei Teams, die länger dabei sind. Rund 25 Teams sind in dieser Zeit gekommen und wieder gegangen. Brabham, Tyrrell, Lotus, da sind populäre Namen darunter. Die grossen Partner haben uns auch immer lange die Treue gehalten. Red Bull, Petronas, die Crédit Suisse oder Motorenlieferant Ferrari waren oder sind während vielen Jahren dabei.

Sie sind ja ein treuer Mensch und seit über 45 Jahren mit Christine verheiratet.

Ja. Und wir machen immer noch Spaziergänge. Stundenlang. Und es gibt Phasen, da hängen beide lange den eigenen Gedanken nach.

Sie wollten sich ja schrittweise zurückziehen, mussten aber nach dem Ausstieg von BMW Ende 2009 wieder voll in die Verantwortung. Da hat Ihnen das Schicksal einen Streich gespielt.

Das BMW nach vier Jahren aufgegeben hat, das kam für alle total überraschend. Es ist noch heute unerklärlich. Das Zurückkaufen war wirtschaftlich eigentlich nicht vertretbar. Aber die Alternative wäre die Schliessung gewesen. Das wollte ich nicht. Selbst wenn es nicht funktioniert hätte, würde ich es rückblickend wieder machen. Denn Aufgeben war für mich noch nie eine Alternative. Und irgendwie werden wir es über die Runden schaukeln.

7.4.2012

Quelle: SonntagsBlick

Die Sauber-Fahrer und die WM-Punkte

  • Frentzen (De) 66 Punkte
  • Heidfeld (De) 55 Punkte
  • Massa (Bra) 53 Punkte
  • Herbert (Gb) 49 Punkte
  • Kobayashi (Japan) 40 Punkte
  • Diniz (Bra) 33 Punkte
  • Alesi (Fr) 32 Punkte
  • Wendlinger (Ö) 26 Punkte
  • Pérez (Mex) 21 Punkte
  • Villeneuve (Ka) 19 Punkte
  • Fisichella (It) 19 Punkte
  • Lehto (Fi) 18 Punkte
  • Räikkönen (Fi) 17 Punkte
  • Salo (Fi) 17 Punkte
  • De la Rosa (Sp) 15 Punkte
  • Boullion (Fr) 11 Punkte
  • De Cesaris (It) 9 Punkte
  • Morbidelli (It) 8 Punkte
  • Larini (It) 5 Punkte
  • Fontana (Arg) 4 Punkte