Sauber fordert eine Budget-Obergrenze

Peter Sauber und Monisha Kaltenborn wünschen sich

niedrigere Kosten

Seit dem Ausstieg von BMW ist das Sauber-Team mit einer schwierigen finanziellen Situation konfrontiert. Derzeit fehlt dem Rennstall aus Hinwil ein zweistelliger Millionenbetrag im Teambudget - umso beeindruckender war der tolle zweite Platz von Sergio Perez mit dem neuen C31 in Sepang.

Hinter den Kulissen wird in der Formel 1 derzeit über Einsparungsmöglichkeiten diskutiert, doch innerhalb der Teamorganisation FOTA konnte man sich nicht auf einen Konsens beim Ressourcen-Restriktions-Abkommen RRA einigen. Das Resultat: Neben Red Bull, Toro Rosso und Ferrari stieg auch Sauber aus. Geschäftsführerin Monisha Kaltenborn nimmt nun die Top-Teams in die Pflicht. Sie kritisiert, dass die reichen Teams noch immer nicht begriffen haben, dass in der Formel 1 ein volles Starterfeld eine Grundbedingung für den Erfolg der Serie ist. Unter den aktuellen Umständen könne das aber nicht garantiert werden.

Kaltenborn wünscht sich Budget-Obergrenze

"Wenn die Situation für die kleineren Tams nicht gut ist - und ich würde soweit gehen, dass abgesehen von den Top-4-Teams alle in der gleichen Situation sind - dann ist das nicht gut für den Sport", argumentiert die Österreicherin gegenüber 'Formula1.com'. "Es ist die Herausforderung, Parameter zu erstellen, die es den aktuellen Teams erlauben, langfristig zu bestehen, in diesem Sport zu bleiben und unterschiedliche Aktivposten zu nutzen, um mehr oder weniger auf dem gleichen Niveau zu konkurrieren." Sie fragt sich, "wie lange die Top-Teams noch brauchen, um zu verstehen, dass die kleinen Teams genauso wichtig für die Formel 1 sind wie die großen Vier." Obwohl Sauber nicht mehr Teil der FOTA ist, findet Kaltenborn, dass das RRA ein Schritt in die richtige Richtung ist, aber nicht als einzige Massnahme zur Kostensenkung ausreicht. "Jetzt müssen wir den nächsten Schritt machen und es weiterentwickeln", sagt sie. Für die Zukunft sieht sie eine Budget-Obergrenze, wie sie ursprünglich von Ex-FIA-Boss Max Mosley vor einigen Jahren angedacht wurde, als bestes Mittel gegen die aus dem Ruder laufenden Kosten in der Formel 1: "Dann könnte jedes Team in diesem Bereich tun, was es will, denn wir alle haben unterschiedliche Stärken."

Concorde Agreement als Chance

Was sie damit meint? "Schauen wir einmal unser Team an", erklärt Kaltenborn. "Wir haben eine gute Infrastruktur und einen guten Windkanal, daher könnten wir dann davon profitieren. Andere Teams haben andere Aktivposten. Das würde die Formel 1 interessanter machen, da wird uns dem wirtschaftlichen Aspekt mit unterschiedlichen Strategien und Herangehensweisen nähern würden." Obwohl es derzeit nicht nach einer Einigung im Streit um die Kostensenkung in der Formel 1 aussieht, rechnet Kaltenborn mit baldigen Fortschritten. Sie begründet dies mit dem fälligen neuen Concorde Agreement, das ab 2014 gelten soll: "Ich rechne im nächsten Jahr mit einem entscheidenden Schritt vorwärts bei der Realisierung. Wenn das aktuelle Concorde Agreement Ende dieser Saison ausläuft, dann wäre das der richtige Zeitpunkt, um entsprechende Regeln festzulegen."

Derzeit stehen sich die Teams aber laut der Geschäftsführerin noch selbst im Weg: "Inzwischen sollten es aber selbst die grossen Teams begriffen haben, dass eine Formel 1 mit vier Teams nicht besonders attraktiv für die Fans wäre - das wäre eine ganz falsche Botschaft. Daher hoffe ich - und die meisten das RRA unterstützen und bereits signalisiert haben, dass sie auch den nächsten Schritt unterstützen würden -, dass sehr bald etwas geschieht."

Saubers Talentschuppen: "Wir sind anders"

Teamchef Peter Sauber umarmt

sein neues Supertalent Sergio Perez


Kimi Räikkönen (2001), Felipe Massa (2002), Kamui Kobayashi (2010) und Sergio Perez (2011): Die Liste der Talente, die Peter Sauber in die Formel 1 gebracht hat oder die ohne ihn keine Zukunft gehabt hätten, ist lang. "Das machen wir nicht mit Absicht, aber es macht Freude", sagt der Teamchef über den langjährigen Ruf seines Rennstalls, ein ideales Pflaster für junge Fahrer zu sein.

Dabei sieht er sich selbst "überhaupt nicht" als Scout, der aktiv auf die Suche nach Talenten geht: "Wir haben nie Fahrer gesucht", stellt Sauber klar. "Auch bei Sergio nicht. Telmex kam zu uns, weil sie für Sergio einen Platz gesucht haben. Die waren bei allen Teams hier. Dann kamen sie zu uns, weil wir diesbezüglich einen guten Namen haben. Wo der Unterschied zu anderen Teams sicher da ist: Ein junger Fahrer findet bei uns ein anderes Umfeld als in einem anderen Team. Das hilft ihm ganz sicher, sich besser zu entwickeln."

Sauber war einmal ein Siegerteam

"Wir sind schon anders als die englischen Teams", räumt der Schweizer ein. "Man macht uns ab und zu den Vorwurf, dass wir gar nicht gewinnen wollen. Man vergisst dann gern, wie viel wir früher gewonnen haben. Bei Mercedes war man nicht glücklich, wenn man nicht alle Rennen gewonnen hat. Eins pro Jahr durften wir verlieren. Wir wissen schon, wie gewinnen ist - wir haben das nicht vergessen." Was viele übersehen: Sauber war in der damaligen Sportwagen-WM als Mercedes-Werksteam mit dem legendären Juniorteam Schumacher/Frentzen/Wendlinger das Mass aller Dinge und konnte 2008 beim Grand Prix von Kanada unter der Eigentümerschaft von BMW auch in der Formel 1 einen Doppelsieg erringen. Es sei also durchaus eine Siegermentalität vorhanden: "Dieser Wille ist da, nur wird er einfach nicht so demonstrativ gezeigt. Das ist ja auch nicht nötig", findet der 68-Jährige. "Es gibt natürlich erfolgreiche englische Teams, die wollen keine Rookies", zeigt er einen Unterschied auf. "Ron Dennis hat ein einziges Mal diesen Schritt gemacht. Hamilton wurde von ihm gross gezogen - und das hat funktioniert. Ob das dann auch immer funktioniert, das wird die Zukunft zeigen, aber damals hat es funktioniert. Früher haben die nur die Besten genommen, am liebsten zwei zusammen, wie mit Prost und Senna."

Button: Kein Verständnis für Frank Williams

"Bei Frank Williams war es genau das Gleiche", erinnert sich Sauber. "Williams hatte einmal ein grosses Talent, aber das hat er nach einem Jahr wieder weggeschoben (Jenson Button nach der Saison 2000). Da habe ich nur den Kopf geschüttelt. Diese zwei Teams waren sehr erfolgsverwöhnt. Bei denen haben die guten Fahrer angeklopft. Das tun sie ja bei uns nicht. Von daher waren wir gezwungen, Talente zu finden." Nur viermal nahm Sauber Grand-Prix-Sieger (Johnny Herbert 1996, Jean Alesi 1998, Heinz-Harald Frentzen 2003 und Giancarlo Fisichella 2004) unter Vertrag, einmal sogar einen Weltmeister (2005): "Einen Star hatten wir mal bei uns, Jacques Villeneuve", blickt er zurück. "Der ist für das gefahren, was wir ihm offeriert haben. Aber das war der einzige Weltmeister, der bei uns gefahren ist - und das im fortgeschrittenen Alter. Es sind nicht einmal primär die Kosten, sondern es ist einfach so, dass ein Alonso nicht bei uns anklopft."

Was könnte Alonso im Sauber anstellen?

Wie gut Sauber mit einem Megastar wie Fernando Alonso aussehen würde, der in Malaysia sogar im hoffnungslos unterlegenen Ferrari vor Sauber-Pilot Sergio Perez gewonnen hat? "Keine Ahnung, aber diese Frage mussten wir uns in der Vergangenheit immer wieder stellen: Wo wäre unser Auto mit einem Topfahrer? Das ist keine Kritik an unseren Fahrern, denn bei Sergio und Kamui ist das Talent vorhanden. Aber sie sind noch sehr jung und es fehlt ihnen natürlich an Erfahrung. Schwer zu sagen, wie gut die Fahrer sind, aber die Frage stellt man sich immer", gesteht der Schweizer. "Wenn ich zum Beispiel sehe, was Alonso mit dem Ferrari macht: Ich glaube nicht, dass Felipe so schlecht ist, sondern Alonso ist einfach sehr gut. Er kämpft bis zur letzten Runde." Allerdings scheint sich gerade Perez als neues Supertalent herauszukristallisieren - also ein junger Fahrer, dem trotz der Telmex-Millionen kaum jemand eine Chance gegeben hätte. Sauber schon - und er ist stolz darauf: "Es ist ja kein Zufall, dass das immer wieder funktioniert", betont er. "Auch Kamui hätte kein Mensch eine Chance gegeben. Kamui habe ich ausgesucht, aber die anderen wurden uns angeboten. Aber da musste man natürlich ja sagen. Bei Perez hat man immer über einen Paydriver gesprochen. Das ist natürlich ein Witz. Wir hätten ihn nicht genommen, wenn wir nicht von ihm überzeugt gewesen wären."

Sauber: Perez kein Ferrari-Fahrer

Jetzt scheint auch Ferrari von Perez überzeugt zu sein - angeblich hat die Scuderia schon bei Monisha Kaltenborn angefragt. Perez hat bekanntlich im vergangenen Jahr schon einen Formel-1-Ferrari getestet und ist Mitglied der Ferrari-Nachwuchskademie unter der Leitung von Luca Baldisserri. Aber: "Wir haben seit 15 Jahren ein exzellentes Verhältnis zu Ferrari, aber das hat mit Sergio nichts zu tun. Sergios Status bei Ferrari wird masslos überbewertet", sagt Sauber. Dass die Fahrer in der Formel 1 heutzutage immer jünger werden, obwohl sie vielleicht besser noch ein paar Jahre Erfahrungen sammeln sollten, stört ihn indes nicht: "Ich habe mir diese Frage nie gestellt, denn in allen Sportarten werden die Sportler immer jünger. Die können ja nicht alle vier oder fünf Jahre GP2 fahren. Wenn ich an Kimi zurückdenke, war er auch sehr jung, aber er hat von Anfang an funktioniert", gibt Sauber zu Protokoll.

Sauber und der Qualifying-Speed

Können Sauber und Perez in China an die Leistung

aus Malaysia anknüpfen?


Kaum hat Lotus-Teamleiter Alan Permane den mangelnden Qualifying-Speed von Sauber als deren großes Problem ausgemacht, reagiert die Mannschaft aus der Schweiz. "Wir haben eine bessere Balance zwischen Qualifying und Rennen als im vergangenen Jahr", so Chefdesigner Matt Morris im Gespräch mit 'Autosport', "aber wir müssen unsere Leistung im Zeittraining verbessern, weil wir nicht dort stehen, wo es die Pace des Autos zulässt." Optimierungen des Setups, um die Reifen besser zum Arbeiten zu bringen, stehen in Hinwil genauso auf der Agenda wie die Entwicklung neuer Teile für den C31, die in Barcelona erwartet werden.

Beim ersten Europarennen der Saison sollen dann Verbesserungen am DRS die Überholqualitäten des weissen Renners steigern. Bis dato fordert Morris: "Wir haben ein wettbewerbsfähiges Auto und müssen die Form halten. Das, was wir nach den ersten zwei Rennen auf der Habenseite wissen, ist ein Traumstart." Es sei dem unermüdlichen Einsatz der Sauber-Mannschaft am Rennplatz und in der Fabrik in Hinwil zu verdanken, dass Leistungen wie der zweite Platz von Sergio Perez möglich seien. "Wir wussten schon in Melbourne, dass wir ein gutes Fahrzeug haben, auf dem wir aufbauen können."

Malaysia als Strecke nicht optimal

Doch mit dem Erreichten will man sich bei Sauber nicht zufrieden geben und rasselt mit den Säbeln. Morris kündigt an, "mehr Punkte und Podiumsplätze" einfahren zu wollen. Malaysia sei wegen seiner langen Geraden nicht die Art Strecke gewesen, die dem C31 entgegenkommt, meint Morris: "Das Layout passt nicht optimal zum Auto. Das Resultat, das wir in Sepang einfahren konnten, war also grossartig." Allerdings dürfte das auch auf die Piste in Schanghai zutreffen, die über eine der längsten Geraden im Kalender verfügt. Dafür sollen die wahrscheinlich niedrigeren Temperaturen in China Sauber Testmöglichkeiten für neue Teile einräumen.

3.4.2012