Sauber glaubt nicht an Sieg in Silverstone

Peter Sauber holt seine Fahrer auf den Boden

der Tatsachen zurück

Nach zwei Podestplätzen wittert Sergio Perez in Silverstone die ganz grosse Sensation. Der Mexikaner rechnet sich insgeheim sogar Chancen auf seinen ersten Grand-Prix-Sieg aus, aber: "Damit greift er sehr hoch", winkt Teamchef Peter Sauber ab. Zwar habe man sich dieses Jahr schon oft gute Gelegenheiten entgehen lassen, es sei also "viel möglich", aber: "Schwer zu sagen, wo diese Rennen enden würden, wenn."

Von einer besonderen Erwartungshaltung will der Schweizer nichts wissen: "Ich komme nach Silverstone wie zu jedem anderen Rennen - mit der Gewissheit, dass wir ein gutes und vielleicht sogar ein sehr gutes Auto haben. Wenn alles zusammenpasst, kann man damit gute Resultate erzielen. Das haben wir in Kanada gesehen. Auch wenn man auf P15 startet, ist das noch möglich", verweist er auf Perez' zweiten Podestplatz dieser Saison.

Aber nicht nur Perez, sondern auch Kamui Kobayashi rechnet sich in Silverstone einiges aus, schliesslich fühlt sich der Japaner auf schnellen Strecken besonders wohl. Lieber als Silverstone ist ihm nur noch Suzuka. "Silverstone hat schnelle Kurven. Kamui mag das", lächelt Sauber und gibt sich optimistisch: "Die Ingenieure sagen, das ist auch für das Auto gut. Hoffen wir, dass das stimmt."

Kobayashi: "Eine schwierige Zeit"

Kamui Kobayashi hat das Lachen nicht verlernt -

und steigerte sich im Qualifying


Kamui Kobayashi wartet auf ein weiteres Erfolgserlebnis. Nur einmal hat der japanische Rennfahrer in diesem Jahr zweistellig gepunktet. Und der fünfte Platz von Barcelona liegt nun auch schon ziemlich lange zurück. Dabei wäre die Geschwindigkeit im Rennen eigentlich vorhanden, doch bei Kobayashi scheint es im Qualifying zu haken. Im Interview geht der 25-jährige Japaner auf Spurensuche und versucht zu erklären, warum es bei ihm in letzter Zeit nicht ganz rund lief.

Frage: Kamui, die Leistung deines Teams schien in letzter Zeit nicht allzu konstant zu sein. Worauf ist das deiner Meinung nach zurückzuführen?

Kamui Kobayashi: Nun, ich denke, da spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Ein Punkt ist zum Beispiel, dass die Teams eine sehr ähnliche Geschwindigkeit aufweisen. Wenn da auch nur eine Kleinigkeit schiefgeht, stehst du hinten. Wir hatten in den vergangenen Rennen sicher das Tempo, um in die Punkte zu fahren. Leider hatte ich aber auch viel Pech. Es geht jedoch immer darum, bei der Musik zu sein und konstant zu agieren.

Was ist die grösste Baustelle? Die Arbeitsweise des Teams, der Reifenhaushalt?

Wir hatten jetzt schon öfter ein Problem mit der Strategie. Beim jüngsten Rennen in Valencia gab es zudem ein paar Schwierigkeiten beim Boxenstopp. Das sind Kleinigkeiten. So steckten wir aber im Verkehr fest und büssten an Geschwindigkeit ein. Normalerweise sind wir schneller. Aufgrund meiner Position im Feld konnte ich aber nicht die gesamte Leistung abrufen.

Auch im Qualifying lief es zuletzt nicht ganz nach Wunsch ...

Nun, eigentlich hatten wir nur in Bahrain etwas zu kämpfen. In den restlichen Rennen schien es ziemlich in Ordnung zu sein.

Im Rennen scheint das Auto aber generell schneller zu sein als im Qualifying ...

Es stimmt: Im Qualifying haben wir mehr Probleme als im Rennen. Ja, unser Auto ist schnell. Wir sind da nahe an den anderen dran.

Du meinst, das Feld liegt sehr nah beisammen?

Ja. Du kannst aufgrund von Kleinigkeiten schon eine Menge an Boden verlieren. Nehmen wir zum Beispiel das vergangene Rennen: Sebastian (Vettel) war zwar weit vorn, doch alle anderen waren nah beisammen. Das ist schon etwas Besonderes.

Wir haben nun beinahe die Saisonhälfte erreicht. Welche Note würdest du deinem Team auf einer Skala von null (schlecht) bis zehn (gut) geben?

Drei.

So wenig?

Wir schlagen uns in diesem Jahr recht gut. Ich konnte mich im Qualifying noch einmal etwas steigern. Ich bin da besser unterwegs als 2011. Das stimmt mich zufrieden. In den Rennen gelingt mir meist ein guter Start. Durch die Strategie und die Boxenstopps fielen wir aber auch schon zurück. Es ist eine schwierige Zeit.

Sauber beginnt eine Saison meist sehr stark, verliert dann jedoch oft ein bisschen den Anschluss ...

In diesem Jahr ist das anders. Wir steigern uns.

Japan macht derzeit eine schwierige Phase durch. Ist es schwieriger als erwartet, dort Sponsorengelder aufzutreiben?

Nun, ich habe den Eindruck, es bessert sich allmählich. In Japan ist die Elektrizität aber noch ein grosses Thema. Ich rede von den Energiekosten. Geld ist nicht genug vorhanden, doch immerhin geht es den Leuten dort von Tag zu Tag besser.

Zu den Zeiten von Ayrton Senna und Alain Prost war Suzuka stets restlos ausverkauft. Seither scheint das Interesse mehr und mehr nachgelassen zu haben. Wie erklärst du dir das? Haben die Japaner das Interesse an der Formel 1 verloren oder woran könnte das sonst liegen?


Es liegt am lieben Geld. Nur am Geld.

Bridgestone, Honda und Toyota sind nicht mehr dabei. Hat das vielleicht dazu beigetragen?

Sicher. Die Medien spielen aber auch eine grosse Rolle. Es gibt keine Bilder. In der Vergangenheit war das anders. Der Motorsport wurde in Japan aber schon immer sehr rege verfolgt. Es ist halt eine sehr teure Angelegenheit. Dabei geht es um das Image. Und jedem ist bewusst, wie es um die Wirtschaft in Japan bestellt ist. Deshalb sind sie nicht mehr dabei.

Dass es in Suzuka also immer leerer wird, ist deiner Meinung nach eine Kombination aus dem Rückzug von Bridgestone, Honda und Toyota und der Wirtschaftslage?

Ich denke, die Fanbasis ist sogar gewachsen. Das Problem ist aber: Die Konzerne haben in der Vergangenheit viele tausend Tickets ausgegeben. Jetzt ist es anders. Das ist besser für die Ticketverkäufer in Suzuka. Ein weiteres Problem ist aber, dass man die Formel 1 nicht im Fernsehen verfolgen kann. Sie (TV-Sender Fuji) zeigen die Formel 1 zwar noch, aber halt auf einem anderen Kanal. Du musst bezahlen, wenn du es sehen willst. Früher war es noch kostenlos möglich, die Formel 1 zu sehen. Das ist erst seit diesem Jahr der Fall.

Perez: Können uns solche Qualifyings nicht leisten

Sergio Perez hadert mit dem Bremsverhalten seines

Sauber-Boliden


Bei den vergangenen zwei Rennen in Montreal und Valencia holte Sergio Perez 17 Punkte. Eine gute Bilanz, möchte man meinen, doch der Mexikaner zeigt sich unzufrieden: Bei beiden Rennen musste er von Platz 15 losfahren. Beim Tischgespräch vor dem Grand Prix von Grossbritannien erklärt er, warum es im Qualifying derzeit nicht klappt und spricht über sein gegründete Wohltätigkeitsorganisation.

Frage: Sergio, du musstest bei den vergangenen zwei Rennen aus schlechten Startpositionen losfahren. Gibt es Hoffnung, dass sich das ändert?

Sergio Perez: Die letzten zwei Rennen waren sehr schlecht - wegen ähnlicher Probleme. Wir haben bei den Bremsen etwas geändert, um das zu verbessern. Dennoch ist Silverstone eine ganz andere Strecke, wo man sehr wenig bremst, aber wir müssen uns in diesem Bereich verbessern, denn wir können uns kein weiteres Qualifying wie in Valencia oder Montreal leisten. Daran arbeiten wir. Das Team leistet gute Arbeit, und ich bin zuversichtlich, dass dieses Problem an diesem Wochenende aussortiert sein wird.

Könnt ihr in diesem Bereich viel tun, ausser das Auto einfach schneller machen?

Ja, auf jeden Fall. Bei den vergangenen zwei Rennen bin ich von Platz 15 gestartet. Das entspricht definitiv nicht dem Potenzial unseres Autos. Ich musste aber von dort starten, weil das Qualifying so schlecht gelaufen war - wegen der Bremsprobleme. Wir haben also definitiv Spielraum, um uns im Qualifying zu verbessern, ohne dass das zu Lasten der Rennperformance geht. Es gibt Strecken, wo man einen Kompromiss eingehen muss, damit der Reifen hält - ich glaube, aber dass Silverstone da anders ist.

Das Problem sollte sich hier aber nicht so stark auswirken, weil nur wenig gebremst wird.

Ja, hier wird wenig gebremst. Der Abtrieb steht im Vordergrund, nicht die mechanische Seite.

Wenn du in der Sommerpause nach Mexiko reist, wirst du dir dann auch den neuen Kurs in Austin ansehen?

Ich habe überhaupt keine Pläne, dorthin zu fahren. Diese Saison ist so stressig - ich habe grundsätzlich nur vor, ein paar Tage zuhause zu verbringen. Derzeit plane ich nicht, nach Austin zu fahren.

Beim letzten Rennen hast du mit der härteren Mischung begonnen. War das ein Fehler?

Was bei mir falsch gelaufen ist, war der letzte Stopp. Die anderen stoppten in den Runden 41 und 42, wir aber nicht. Aus diesem Grund hatte ich am Ende wirklich Probleme mit meinen Reifen.

Du warst der erste, der den ersten Stopp gemacht hat ...

Ja - und auch beim zweiten Stopp. Das Problem war, dass ich den Runden 41 und 42 der Schnellste war, doch ab Runde 43 hatte ich massiven Reifenabbau. Wir konnten nicht reagieren, aber wir lernen daraus. Wir hatten Probleme, aber hoffentlich können wir unsere Strategie bei diesem Rennen verbessern, obwohl ich der Meinung bin, dass das Team gute Arbeit geleistet hat, denn wir haben von einem sehr schwierigen Rennen zwei Punkte mitgenommen. Es hätte natürlich auch mehr sein können, denn wir befanden uns bereits auf Platz sieben, aber so ist der Rennsport, und so sind die Reifen, die uns zur Verfügung stehen. Wir müssen das Beste daraus machen.

Bei den vergangenen Rennen haben wir Piloten gesehen, die zehn bis 15 Runden vor Schluss noch einen Stopp eingelegt haben.

Ich bin der Meinung, dass man von dieser Herangehensweise profitieren kann. Vor allem auf einer Strecke wie Valencia, wo der Abbau so enorm ist. Gegen Ende des Rennens wird der Abbau schlimmer, daher ergibt das Sinn.

Welches Armband trägst du da?

Es ist das Armband einer Vereinigung, die ich mit einigen Freunden in Mexiko gegründet habe, um karitativ tätig zu sein.

Wem helft ihr?

Unterschiedlich. Wir gehen in Schulen, in Häuser, wo die Menschen nichts zu essen oder keine Eltern haben. Wir organisieren für sie Fussballspiele, unterschiedliche Dinge. Wir versuchen, durch Charity etwas Geld für sie zu sammeln. Ich wollte immer schon anderen Menschen helfen, aber jetzt befinde ich mich in meinem Heimatland in einer sehr starken Position. Diese Veranstaltungen geben mir sehr viel, denn durch sie bin ich den Menschen sehr nahe, die Hilfe brauchen. Ich bin sehr froh, dass ich nun diese Vereinigung gegründet habe. Ab August gibt es auch eine Stiftung. Das mache ich gerne.

Gibt dir das eine gewisse Erdung?

Auf jeden Fall. Man lernt sehr viel. Wenn ich mit diesen Menschen in Kontakt bin, dann hilft das auch mir, denn in der Formel-1-Welt kann man schnell den Boden unter den Füssen verlieren - man hebt ab. Diese Dinge helfen dir dabei, ein guter Mensch zu sein. Jeder Fahrer, der in diesem Fahrerlager ist, trägt meiner Meinung nach eine Verantwortung, anderen Menschen zu helfen - einfach weil er in der Position ist, wo er helfen kann.

Sauber erklärt Rücktritts-Verwirrung

Rücktritt vom Rücktritt oder einfach nur ein

Missverständnis? Peter Sauber möchte nicht, wird aber vielleicht auch mit 70 noch Teamchef sein...


Peter Sauber hat immer gesagt, dass er mit 70 Jahren nicht mehr an der Boxenmauer stehen möchte. Am 13. Oktober wird er 69. Trotzdem scheint vom ursprünglich angedeuteten Plan, die operative Leitung endgültig an Monisha Kaltenborn abzugeben, vorerst keine Rede mehr zu sein.

Sauber selbst wundert sich jedoch, dass dieses Thema von den Medien erneut aufgegriffen wird: "Ich weiss nicht, warum ich das immer wieder gefragt werde", meint er in Silverstone und klärt auf, wie es zu dem Missverständnis kommen konnte: "Ich habe es klar gesagt: Mit 70 MÖCHTE ich nicht mehr an der Boxenmauer stehen. Ich habe nicht gesagt: Ich WERDE nicht mehr an der Boxenmauer stehen."

Dass er sich ein Hintertürchen offen gelassen hat, sei "kein Umkehren von meiner Absicht, sondern ich bin nach dem Ausstieg von BMW, mit dem ich nicht gerechnet habe, mit solchen Aussagen vorsichtig geworden", gibt er zu.
Nur eines bleibt in Stein gemeisselt: "Es ist auch ganz klar, dass mich Monisha als Teamchefin ablösen wird. Den Zeitpunkt werden wir gemeinsam bestimmen."

6.7.2012