Prost glaubt nicht an Schumachers WM-Chancen

Alain Prost (rechts) bei einem PR-Termin

am Freitag in Monte Carlo

Mit der Bestzeit im gestrigen Qualifying in Monaco feierte Michael Schumacher zwar den bisher grössten Erfolg in seiner zweiten Karriere, doch Alain Prost glaubt nicht, dass der siebenmalige Weltmeister noch einen drauflegen und einen achten WM-Titel gewinnen kann.

Prost bewertet Schumachers Rückkehr nach zweieinhalb Jahren "nicht hundertprozentig positiv, denn er hat schon so viel gewonnen. Ich glaube, dass er wieder Weltmeister werden wollte, aber das war wohl eine zu hohe Zielsetzung", so der viermalige Champion, der seine aktive Laufbahn 1993 beendet hat. Ob er sich vorstellen kann, dass Schumacher noch einmal Weltmeister wird? "Nein, das habe ich nie geglaubt", winkt Prost ab.

Allerdings würde er nicht so weit gehen, das Comeback als Fehlentscheidung zu bezeichnen: "Finde ich nicht. Er ist im Team akzeptiert. Es war kein Fehler", nimmt Prost Schumacher in Schutz und widerspricht damit Kritikern, die finden, dass die magere Erfolgsbilanz seit 2010 die in der Geschichte der Formel 1 einzigartige Statistik der Karriere davor im Nachhinein verwässert.

Dem zweiten Comeback-Superstar der Formel 1, Kimi Räikkönen, scheint es schneller gelungen zu sein, den Rost abzuschütteln. Prost gibt zu, "ein bisschen" überrascht zu sein, wie rasch sich der "Iceman" mit Lotus etablieren konnte: "Seine Mentalität und seine Einstellung sind sehr gut", lobt er und grinst: "Es ist aber immer noch Kimi!"

"Ich mag ihn", so Prost. "Er spielt keine Spielchen, sondern er ist einfach er selbst. Wir alle kennen ihn gut. Wenn man ihn akzeptiert, bestens. Er strahlt eine positive Einstellung aus und fährt gut. Es ist nicht leicht, nach zwei Jahren zurückzukehren, selbst wenn er Rallye gefahren ist. Er könnte dieses Jahr eine Überraschung werden."

Prost und Jones uneinig


Der Polesetter von Monte Carlo, Michael Schumacher, war vor einigen Wochen der Erste, der sich über die Unvorhersehbarkeit der aktuellen Formel 1 beschwert hat. Der siebenmalige Weltmeister kritisierte vor allem Reifenhersteller Pirelli und die Eigenschaft der Pneus, kein durchgehendes Fahren am Limit mehr zuzulassen.

Rückendeckung erhält Schumacher nun von seinem früheren Rivalen Alain Prost: "Wenn ich nur für mich selbst spreche, dann würde ich sagen, es ist ein bisschen zu unvorhersehbar", sagt der Franzose. "Man kennt die Formel 1 und würde manchmal gern ein bisschen besser verstehen, was da vor sich geht. Aber die Formel 1 hat sich verändert, genau wie sich auch das Publikum verändert hat. Man kann das nicht mehr damit vergleichen, was wir vor zehn, 20 oder 30 Jahren hatten."

Abwechslung tut dem Sport gut

"Die Menschen sind zufrieden, weil nicht ständig der gleiche Fahrer und das gleiche Auto gewinnen", fährt er fort. "Das ist für die Formel 1 heutzutage das Schlimmste, wenn ein Fahrer und ein Auto zu sehr dominieren. Ich selbst teile diese Meinung nicht, aber ich sehe ein, dass die Zuschauerzahlen ein bisschen steigen und sich die Menschen mehr dafür interessieren. Für die Ingenieure in den Teams muss es aber ein Albtraum sein. Vielleicht ist es ein bisschen zu viel", kritisiert Prost, "aber zumindest haben wir die Show. Die Leute schauen mehr und mehr Formel 1. Das ist gut." Kopfschütteln löst seine Kritik bei einem anderen Ex-Weltmeister, Alan Jones, aus: "Einige beschweren sich darüber, dass es zu unvorhersehbar ist, aber die gleichen Leute haben sich auch beschwert, dass es zu langweilig war, als immer nur ein Fahrer gewonnen hat. Man kann es halt nicht allen recht machen. Ich persönlich finde es absolut fantastisch", lobt der Australier. "Die Formel 1 ist dadurch viel interessanter geworden. Der Beweis ist das Publikum, denn die Tribünen sind voll und die TV-Zuschauerzahlen steigen. Die Formel 1 war noch nie gesünder. Früher gab es immer zwei, drei Fahrer, die auf Pole fahren konnten. Jetzt kannst du es überhaupt nicht einschätzen. Ich finde das spitze."

Das Leid mit den alten Qualifying-Reifen

Prost steht der aktuellen Reifensituation möglicherweise auch so skeptisch gegenüber, weil er selbst zu aktiven Zeiten ebenfalls oft Schwierigkeiten mit dem "schwarzen Gold" hatte: "Mein Fahrstil war nie gut genug für die Qualifying-Reifen, ganz egal mit welchem Setup", erinnert er sich. "Dagegen konnte ich nichts unternehmen. Manchmal hat man so etwas nicht selbst in der Hand, sondern man ist dem Fahrstil ausgeliefert." Wer Weltmeister wird, wagt Prost nicht vorherzusagen: "Vor Saisonbeginn habe ich auf Button getippt, wegen der Reifensituation. Damit kann er gut umgehen. Vielleicht würde ich jetzt auch noch auf ihn tippen, denn er ist sehr konstant. Ich mag seine Einstellung innerhalb und außerhalb des Autos", sagt er. "Ich mag Mark Webber, er ist ein Gentleman. Es gibt viele nette Kerle in der Formel 1. Sebastian auch. Ich finde, es ist eine gute Generation." Seiner Meinung nach ist Button der Fahrer im aktuellen Formel-1-Feld, der mit den kritischen Pirelli-Reifen am besten umgehen kann: "Die Reifen zu schonen, ist eine Kunst", weiss Prost, schränkt aber ein: "Er hat nicht mehr den gleichen Vorteil wie im Vorjahr, denn das Funktionsfenster der Reifen ist inzwischen so merkwürdig, dass er seine Qualitäten nicht ausspielen kann. Es geht da nicht mehr nur um die Temperatur."

Prost rät Perez von Ferrari ab


Alain Prost, 1990 und 1991 selbst Ferrari-Fahrer, rät Sergio Perez von einem Wechsel nach Maranello ab. Denn für Prost steht fest, dass Fernando Alonso dort die unumstrittene Nummer eins ist und es der zweite Fahrer an seiner Seite schwer haben würde, selbst wenn er von Perez' fahrerischem Talent eine hohe Meinung hat.

Es sei "schwer zu sagen", ob Perez schon für Ferrari bereit ist, so Prost: "Er ist sehr gute Rennen gefahren und hat bewiesen, dass er sehr gut und sehr schnell ist." Aber: "Wenn du zu Ferrari gehst, ist es kein Team wie jedes andere. Fernando wird bei Ferrari immer die Nummer eins sein. Sie brauchen also eine Nummer zwei, vielleicht mit mehr Erfahrung. Das ist ihre Philosophie." Was eher für Kandidaten wie Mark Webber oder Adrian Sutil sprechen würde.

Ein Herausforderer für Alonso?

"Oder wollen sie einen jungen Fahrer, der Fernando manchmal herausfordern kann? Das kann für die Stimmung im Team schlecht sein", verweist Prost auf den McLaren-Stallkrieg zwischen Alonso und Lewis Hamilton im Jahr 2007. "Eine schwierige Entscheidung. Zwei Fahrer, die nicht gut zusammenarbeiten, sind nicht einfach zu handhaben. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich war selbst Teamchef. Ferrari ist ein besonderes Team, daher ist es eine schwierige Entscheidung." Hätte er das Sagen, dann würde er Alonso eine bequeme Nummer zwei zur Seite stellen, die regelmässig punkten kann, und sich voll und ganz auf den Spanier konzentrieren: "Im Moment halte ich es für geschickter, Fernando als Nummer eins zu haben und ihm dabei zu helfen, das Team nach vorne zu bringen. Perez wäre eine gute Wahl, aber es geht auch darum, was gut für ihn ist und was Fernando vom Teammanagement erwartet", sagt der viermalige Weltmeister. Denn von Alonso, der in den Augen vieler Experten rennfahrerisch ähnlich veranlagt ist wie "Professor" Prost, hält er viel. Obwohl der aktuelle Ferrari als unterlegen gilt und Teamkollege Felipe Massa erst zwei Punkte geholt hat, damit WM-17. ist, liegt Alonso mit 61 Zählern an der Spitze der Tabelle, gleichauf mit Sebastian Vettel. "Seine bisherige Saison ist ein gutes Beispiel dafür, was Fernando ausmacht", lobt Prost.

Lob für Kämpferherz Alonso

"Er ist ständig am Pushen, ist immer da. Selbst wenn das Auto von Anfang an nicht so gut war, hat er seine Chance genutzt, als es in Malaysia nass war, und in Spanien ist er auch ein sehr gutes Rennen gefahren. Manchmal war er nicht so gut, aber zumindest hat er gepunktet", gibt der Franzose zu Protokoll. "So kannst du eine Weltmeisterschaft gewinnen, auch wenn ein Auto nicht gut ist. Fernando ist darin sehr gut." Und dadurch auch mental im Vorteil: "Die anderen Fahrer wissen, dass Fernando so fährt, also denken sie manchmal, dass sie ein Rennen gewinnen müssen, um maximale Punkte zu holen. Wenn es nur zwei, drei Fahrer gibt, die Rennen gewinnen, ist das eine Sache, aber dieses Jahr können sechs oder sieben Fahrer Weltmeister werden. Da ist die Herangehensweise an jedes einzelne Rennen ganz anders", erklärt Prost.

27.5.2012