Wolff nimmt Senna in Schutz

Renningenieur Tom McCullogh,

Toto Wolff und Bruno Senna im Gespräch

Bruno Senna leistete sich gestern im zweiten Freien Training zum Grand Prix von Kanada einen teuren Flüchtigkeitsfehler, bei dem sein Williams in der berühmt-berüchtigten "Wall of Champions" verendete. Seitens des Williams-Teams macht man dem Brasilianer aber keine Vorwürfe.

"Kaputt gegangen ist das Auto, und zwar ganz schön - an drei Ecken, und alle möglichen anderen Teile", bedauert Grossaktionär Toto Wolff zwar, relativiert aber: "Was ihm passiert ist, ist vielen anderen auch passiert. Er ist einfach in das Eck zu schnell reingefahren, hat geglaubt, er schafft es noch - und statt in den Notausgang zu gehen, was die meisten gemacht haben, hat er halt versucht, das Eck zu kriegen. Kann passieren. Eine Kopfwäsche bringt überhaupt nichts", stellt der Österreicher im 'ORF' klar. "Es geht eher darum, dass man den Piloten ein bisschen unterstützt, denn am deprimiertesten ist er selbst. Wenn man versucht, das Limit zu finden, dann passieren diese Dinge. Schade ist, dass der Schaden massiv ist - aber trotzdem keine Kopfwäsche. Die gibt's nur beim Friseur!"

Auch dass Senna einen neuen Heckflügel geschrottet hat, ist kein Problem: "Es werden heute Nacht noch Teile eingeflogen. Alle möglichen Leute haben Handgepäck mit. Teile haben wir genug", sagt Wolff.

Senna über Mauer-Crash enttäuscht


Der erste Trainingstag endete für Bruno Senna beim Großen Preis von Kanada in Montreal mit einem Knall, als der Brasilianer in der letzten Schikane die Kontrolle über sein Auto verlor und mit voller Wucht in die berühmt-berüchtigte "Wall of Champions" krachte, wobei sein Auto vorne und hinten schwer beschädigt wurde. Pastor Maldonado wurde mit 0,728 Sekunden auf Position 13 geführt, sein brasilianischer Teamkollege mit 1,763 Sekunden auf Position 17.

"Wir haben alle Dinge abgehakt, die wir für die Einheit geplant hatten", so Maldonado. "Wir hatten also einen produktiven Tag und befinden uns vor dem Wochenende in einer guten Position. Wir müssen noch am Setup arbeiten, um die Balance richtig hinzubekommen, aber alles in allem hat sich das Auto gut angefühlt und war konstant, besonders auf den Longruns. Wir haben zudem ein paar Upgrades für dieses Rennen mitgebracht, und sie zeigen eine gute Leistung, was ermutigend ist. Bei allen Tests, die wir durchführten, verhielt sich das Auto sehr konstant. Das heisst, unser Fahrzeug ist konkurrenzfähig. Es ist aber schwierig, die anderen Teams einzuschätzen. Das liegt natürlich auch an den unbekannten Benzinmengen. Mit viel Sprit fühlt sich unser Auto aber sehr konkurrenzfähig an - und sogar besser als sonst."

"Das war heute ein schwieriger Tag", so Senna. "Ich hatte in der Einheit am Morgen Probleme mit DRS und verfüge auf dieser Strecke über eingeschränkte Erfahrungen. Heute ging es also darum zu sehen, wie viel Druck ich mit dem Auto machen kann. Ganz offensichtlich habe ich gegen Ende des zweiten Trainings zu viel Druck gemacht und die Mauer getroffen, was enttäuschend ist. Nichtsdestotrotz haben wir am Gesamtpaket ein paar Verbesserungen vorgenommen, und morgen Vormittag kann ich auf die Strecke gehen und versuchen, das Setup fein abzustimmen und am Sonntag ein gutes Ergebnis zu erzielen."

"Wir hatten heute mit Pastor einen gemischten Tag, der den kompletten Plan abarbeitete, obwohl wir vor der ersten Einheit wegen der Wetterbedingungen das Programm anpassen mussten", so Chefingenieur Mark Gillan. "Brunos Programm wurde in der ersten Einheit durch einen Defekt an seinem DRS behindert, was bis zur zweiten Einheit behoben wurde. Unglücklicherweise schlug Bruno während der zweiten Einheit heftig in die Mauer ein. Er ist absolut in Ordnung und die Mechaniker arbeiten nun hart daran, sein Auto neu aufzubauen. Mit unserer Longrun-Geschwindigkeit sind wir glücklich, aber wir haben noch Arbeit zu erledigen, um das Auto für das Qualifying zu optimieren."

Wähnen sich junge Fahrer in falscher Sicherheit?


Je besser die Sicherheit, umso mehr Risiken gehen die Fahrer ein. Diesen Eindruck kann man zumindest gewinnen, wenn man die aktuelle Generation von Formel-1-Piloten bei der Arbeit beobachtet. Gingen die Rennfahrer früher teilweise noch recht vorsichtig zu Werke, um sich und andere nicht in Gefahr zu bringen, scheint der Motorsport-Nachwuchs nun risikofreudiger zu agieren.

Dies ist auch Formel-1-Rennleiter Charlie Whiting nicht entgangen. Der Brite hält diese Entwicklung aber für eine logische Folge aus den technischen Errungenschaften der vergangenen Jahre. "Dabei handelt es sich wohl um eine unbeabsichtigte Konsequenz, wenn man immer sicherere Autos und Rennstrecken hat", erklärt Whiting bei 'The Buxton Blog'. Auch deshalb brauche man die Rennleitung.

Mehr Selbstvertrauen auf der Strecke führt schliesslich oft auch zu haarigen Szenen, wie zum Beispiel zwischen Nico Rosberg (Mercedes) und Lewis Hamilton (McLaren) in Bahrain. Hamilton setzte bei hoher Geschwindigkeit zum Überholen an, Rosberg warf ihm energisch die Tür zu - und Hamilton musste sogar den Kurs verlassen, um keine Kollision mit seinem Formel-1-Rivalen zu riskieren. Mit der Beschaffenheit von Fahrzeugen und Strecken hat es aber gar nichts zu tun, wenn sich die Rennkommissare mit solchen Vorgängen beschäftigen, erklärt Whiting. Die Frage, die man sich stelle, sei vielmehr: "Hat er ihn weggedrückt oder nicht? Es würde eine Strafe geben, wenn der andere schon zur Hälfte neben dir war, als du ihn hinausgedrückt hast", erklärt der Formel-1-Rennleiter. Dies geschehe "unabhängig davon, wie sicher die Autos und die Strecken sind", wie Whiting hinzufügt. Er glaube aber ohnehin, dass die Fahrer im Eifer des Gefechts gar nicht über an mögliche Konsequenzen denken, zumal viele Kurse im Rennkalender der Formel 1 geradezu einladend wirken, was die Risikofreudigkeit der Piloten anbelangt. Dies zeigt sich laut Whiting besonders im Zeittraining.

"Auf einer schnellen Runde gehen die Piloten ein grösseres Risiko ein, wenn sie den Luxus von grossen Auslaufzonen haben. Das ist unausweichlich der Fall", meint der Brite. "Die Rundenzeiten in Monaco wären sicherlich auch viel schneller, wenn es dort keine Leitplanken gäbe. Ich denke aber nicht, dass die Piloten etwas tun, was sie nicht tun sollten. Und wenn doch, dann kassieren sie eben eine Strafe. Da spielt es gar keine Rolle, wie gross die Auslaufzonen sind, und ob es sich dabei um Gras, Asphalt oder Kiesbetten handelt. Wenn das Manöver illegal ist, dann ist es illegal", sagt Whiting. Und dann werden die Rennkommissare erst recht aktiv - wie im ersten Freien Training von Kanada. Dort hatte Sebastian Vettel (Red Bull) Bruno Senna (Williams) abgedrängt und wurde auch dafür verwarnt.

9.6.2012