Mercedes hat noch einen Trumpf im Ärmel

Michael Schumacher hat viel Arbeit vor sich:

Aufholjagd von Startplatz 17

Nach dem grandiosen Erfolg von China, wo Nico Rosberg seine Pole-Position in den ersten Sieg ummünzen konnte, hat Mercedes am Sonntag in Bahrain viel Arbeit vor sich. Der Schanghai-Sieger fuhr im Qualifying auf Platz fünf, Michael Schumacher landete wegen eines Technikproblems weit hinten. Der Rekordchampion muss sich am Sonntag von Startplatz 17 mühsam nach vorne arbeiten. Dennoch sieht man im Lager der Silbernen gute Chancen.

"Generell läuft unser Auto hier gut. Es ist schön zu sehen, dass wir uns auch unter solchen Bedingungen offenbar deutlich verbessert haben. Hier ist es sehr heiß und wir kommen gut zurecht. Ich bin vorsichtig optimistisch", gibt Rosberg zu Protokoll. Der gebürtige Wiesbadener hatte die Chance auf eine bessere Startposition durch einen kleinen Fehler im letzten Sektor auf seiner letzten Runde vertan. Es war mehr drin.

Auch für Schumacher - ohne Zweifel. Dem Kerpener waren jedoch die Hände gebunden. In Q1 versagte plötzlich das DRS am Heckflügel. "Ohne das DRS-Problem wäre ich locker weitergekommen", schildert Schumacher, der morgen von Rang 17 starten muss. "Mit einem weiteren frischen Satz weicher Reifen hätte ich es vielleicht auch ohne DRS ins Q2 geschafft. Dadurch hätte ich letztlich vielleicht einen Platz gewonnen." Für diesen möglichen Positionsgewinn hätte Schumacher allerdings einen recht hohen Preis zahlen müssen. Die klare Regel: Wer am Sonntag viele frische Reifensätze zur Verfügung hat, der hat die besten Karten im Rennen. Sparen war also angesagt. "Jetzt habe ich viele frische Reifensätze. Ich will das Beste daraus machen. Das wird interessant und unterhaltsam", freut sich Schumacher auf eine Aufholjagd in Manama.

Heckflügel-Wechsel dauert 45 Minuten

"Wir hätten das DRS nicht mal eben für Q2 reparieren können. Der Wechsel eines Heckflügels dauert bei uns rund 45 Minuten", gibt Teamchef Ross Brawn interesannte Details preis. Der Mercedes-Heckflügel ist aufgrund des integrierten F-Schachts komplizierter als bei anderen Teams. Vom Heck laufen Leitungen quer durch das Auto, sodass die hinten gesammelte Luft am Frontflügel für einen Strömungsabriss sorgen kann. "Alle anderen haben im Qualifying viele frische Reifensätze gebraucht", fasst Brawn zusammen. "Michael sollte demnach in einer ganz guten Position diesbezüglich sein. Es kann für ihn deutlich nach vorne gehen. Wir bleiben optimisch. Diese ist eine jener Strecken, wo es einen deutlichen Vorteil darstellen kann, wenn man mehr frische Reifen übrig hat. Wenn die Autos so dermassen eng beisammen liegen wie jetzt, dann kann das entscheidend sein. Man muss immer abwägen", meint der Brite mit Blick auf die mögliche Taktik. "Es geht nicht nur darum, die verschlissenen Reifen pünktlich zu ersetzen, sondern es geht auch darum, dass man seinen Fahrer möglichst in eine Position für freie Fahrt bekommt. Man will nicht nach einem Stopp in einer Gruppe von anderen Autos landen. Manchmal hat aber man aber keine Wahl mehr. Wenn die Reifen wirklich abgefahren sind, dann muss man hereinkommen. Dann kann man auf so etwas keine Rücksicht mehr nehmen. Es wird wirklich interessant."

Wie entwickelt sich die Strecke?

"Wir haben gestern und heute Vormittag viele Runden mit viel Benzin an Bord gedreht. Das war schon recht gut. Aber wir haben gesehen, dass sich die Strecke im Verlauf des Wochenendes immer weiterentwickelt hat. Wir müssen also nun erahnen, wie es sich morgen darstellen wird", sagt Brawn und spricht das kniffligste Thema in der aktuellen Formel 1 an. "Es ist eine grosse Herausforderung, der sich alle stellen müssen. Man kann beobachten, dass es dabei auch innerhalb der Teams immer wieder Unterschiede gibt. Die Truppe des einen Fahrers bekommt es manchmal besser hin als die Truppe des anderen", sagt Brawn. Im Rennen rechnet er mit heftiger Gegenwehr von Red Bull und McLaren. "Red Bull ist ein starkes Team. Die stehen hier erheblich besser dar. Auch in den vergangenen ein oder zwei Rennen waren sie schon ziemlich gut. Derzeit dominiert kein Team. Wer einen Fehler macht, der kann kaum als Sieger feiern." Brawn geht davon aus, dass die Spitzenteams des Qualifyings auch im Rennen vorne bleiben werden. "Ich bin sicher, dass man früher oder später ganz sicher geschnappt wird, wenn man ein gutes Qualifying auf Kosten eines perfekten Rennsetups hinlegt. Eine gute Rennpace und ein guter Umgang mit den Reifen ist enorm wichtig. Kein Topteam stimmt sein Auto auf das Qualifying ab", sagt er und unterstreicht die Unterschiede zu früheren Zeiten. "In Zeiten des Nachtankens gab es ganz andere Kriterien. Damals hat man strategisch agiert. Der Speed im Qualifying wurde durch die Benzinmenge bestimmt, mit der man in das Rennen starten wollte."

Gemischte Gefühle


Mit gemischten Gefühlen blickt das Mercedes-Team auf das heutige Qualifying in Bahrain zurück. Nico Rosberg befindet sich mit Startplatz fünf in einer guten Ausgangslage fürs Rennen am Sonntag, während Teamkollege Michael Schumacher aufgrund eines defekten DRS-Systems in Qualifying-Durchgang zwei ausschied. Einen Trumpf hat der deutsch-britische Rennstall noch in der Hinterhand: Einen neuen Satz Reifen, den man im Abschlusstraining im Gegensatz zur Konkurrenz nicht einsetzte.

"Im Grossen und Ganzen lief es heute im Qualifying ganz gut für mich", sagt Nico Rosberg. "Da wir uns insgesamt auf die Abstimmung fürs Rennen konzentrierten, mussten wir beim Set-Up fürs Qualifying einen Kompromiss eingehen. Ich denke, dass ich mich in einer guten Ausgangslage fürs Rennen befinde. Ich bin der einzige Pilot unter den ersten Fünf, der noch einen neuen Satz weicher Reifen hat, was auf dieser Strecke von großem Vorteil sein kann. Es wird darauf ankommen, behutsam mit den Reifen umzugehen und sich das Rennen richtig einzuteilen, da die Bedingungen sehr schwierig sind."
Michael Schumacher erklärt: "Ich bin natürlich sehr enttäuscht, hier nur von Platz 18 zu starten, da wir insgesamt recht konkurrenzfähig aussehen. Leider ging auf meiner schnellen Runde das DRS-System im letzten Sektor kaputt. Wir versuchten, es in der Garage noch zu reparieren, aber wir konnten nicht wieder rausfahren. Ohne DRS auf einem anderen Reifensatz hinauszugehen, hätte keinen Sinn gemacht. Wir müssen nun zusehen, was von dieser Position möglich ist und alles geben."
Teamchef Ross Brawn: "Nach diesem Nachmittag hat das Team gemischte Gefühle. In Q3 trafen wir für Nico die strategische Entscheidung, nur eine Runde zu fahren. Und obwohl er nur Fünfter ist, ist er der einzige der ersten fünf Piloten, der noch einen neuen Satz weicher Reifen fürs Rennen übrig hat. Das könnte sich auszahlen. Morgen werden wir sehen, ob das der Fall sein wird. Was Michael angeht: Das verstellbare Element seines DRS-Systems am Heckflügel brach als er auf seiner schnellen Runde auf die Gegengerade einbog. Das kostete ihn ungefähr eine halbe Sekunde und aufgrund dessen, dass die ersten 17 Autos in Q1 nur etwas mehr als eine Sekunde trennte, stellte sich das als entscheidender Nachteil heraus. Der Brite weiter: "Leider konnten wir das System nicht schnell genug reparieren und er wurde im letzten Moment noch auf Startplatz 18 verdrängt. Morgen dürfte uns ein langes und interessantes Rennen erwarten. Die Bedingungen werden schwierig sein und wir werden versuchen, das bestmögliche Ergebnis zu erzielen."

Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug: "Von Beginn an lag unser Fokus hier darauf, hinsichtlich des Rennens die Reifen zu schonen und so wenig wie möglich von ihnen zu verwenden. Wir glauben, dass das hier noch entscheidender sein wird als auf den bisherigen drei Strecken in diesem Jahr. Dementsprechend fuhr Nico in Q3 nur eine Runde, um einen Reifensatz fürs morgige Rennen zu sparen. Wir wussten, dass das einen Kompromiss erfordern und zu einer schlechteren Startposition führen würde. Da er morgen dann, zumindest was die Reifen angeht, gut aufgestellt sein wird, bin ich sicher, dass diese Entscheidung richtig war. Letztes Jahr waren wir teilweise eineinhalb Sekunde hinter der Pole-Position. Heute, mit einem Versuch weniger als die Teams vor uns, liegen wir nicht einmal vier Zehntel zurück." Haug fügt hinzu. "Wir bewegen uns in die richtige Richtung und das Team arbeitet konzentriert und systematisch, um unsere Ziele zu erreichen. Es tut mir Leid für Michael, der eine gute Platzierung hätte erreichen können, da er bei den bisherigen Grands Prix in Q3 zweimal Dritter und einmal Vierter wurde. Ein Problem mit dem Heckflügelsystem hielt ihn heute von einem besseren Ergebnis ab. Morgen kann er das jedoch erreichen. Michael war bei unseren Rennsimulationen schnell und er wird mit neuen Reifen gut aufgestellt sein. Nach unserem tollen Ergebnis am letzten Wochenende bin ich mit unserer Leistung an diesem Wochenende bislang zufrieden. Unser Team hat gezeigt, dass es bei unterschiedlichen Bedingungen schnell sein kann. Glückwunsch an Sebastian zu seiner Pole-Position!"

21.4.2012