Sauber: «Mehr wissen wir erst am Freitag»

Peter Sauber fällt es schwer, das Kräfteverhältnis

richtig einzuschätzen

Nach den ermutigenden Wintertests zählt Sauber zu den Teams, denen viele Experten im Vergleich zum Vorjahr einen Sprung nach vorne zutrauen. Allerdings war das Kräfteverhältnis vor Saisonbeginn noch nie so schwierig einzuschätzen wie dieses Jahr, sodass sich die Schweizer nicht auf konkrete Prognosen einlassen wollen.

"Es ist schwierig, ein Gefühl zu entwickeln - das geht es allen Mittelfeld-Teams gleich", erklärt Teamchef Peter Sauber. "Mir scheint, das Mittelfeld liegt ganz eng beisammen, und es könnte auch sein, dass das Mittelfeld insgesamt näher an die Topteams herangerückt ist. Aber dieses Gefühl haben alle." Neben Sauber werden vor allem zwei weitere Teams als mögliche Außenseiter gehandelt. Sauber dazu: "Lotus ist sehr schwer einzuschätzen, auch Force India."

Wer hat den grössten Schritt gemacht?

Red Bull und McLaren starten morgen als Topfavoriten ins erste Rennwochenende der Formel-1-Saison 2012. Ferrari soll möglicherweise stärker sein, als viele glauben, und Mercedes hat eigenen Angaben nach einen Schritt nach vorne gemacht. Auch Lotus, Force India und Toro Rosso hinterließen bei den Testfahrten einen starken Eindruck. Für Sauber wird es also schwierig, sich im vorderen Mittelfeld zu behaupten. Denn hinter der absoluten Spitze könnte es 2012 noch enger zugehen als in den vergangenen Jahren. Daher gibt Sauber unumwunden zu, dass er nervös ist, mit ein bisschen Pech schon nach dem ersten Qualifying die Segel streichen zu müssen: "Ja, sicher. Vielleicht ist es möglich, in die Top 10 zu fahren, aber dort ist eigentlich nur Platz für die fünf besten Teams. Man kann Zehnter sein, man kann aber auch ganz schnell 17. sein. Das weiss man nicht." Jenson Button hat Sauber jedenfalls als Geheimtipp auf der Rechnung: "Viele werden sich wundern, wie schnell Sauber und Lotus im Qualifying sein werden. Die haben mich wirklich beeindruckt. Das meine ich völlig ernst, ihr werdet sehen", vermutet der McLaren-Pilot. Man dürfe generell nicht nur auf die Topteams achten, sagt er - und erwähnt explizit auch Lotus und Sauber: "Gut möglich, dass einige Teams aus der zweiten Reihe des Jahres 2011 nun vorne mitkämpfen können."

Keine komplett neue Struktur in Hinwil

Der aktuelle C31, entstanden unter der Regie von James Key, der seinen Posten als Technischer Direktor Anfang Februar überraschend geräumt hat, sieht bisher nach einem gelungenen Wurf aus. Auf die Frage, ob er damit glücklich sei, entgegnet Sauber aber zurückhaltend: "Glücklich ist nicht das richtige Wort. Man kann nur glücklich sein, wenn man ganz vorne steht. Ich halte es für einen Schritt nach vorne, aber mehr wissen wir erst am Freitag." Dass der Posten von Key nicht nachbesetzt wurde, sondern die bisher unter dem Briten aufgestellten Leiter der Einzelabteilungen quasi ein gemeinsames Führungstrio bilden, ist keine Übergangs-, sondern eine dauerhafte Lösung. Eine Revolution sei das aber nicht: "Es ist keine neue Struktur", behauptet Sauber. "Die drei Abteilungsleiter, die für das Auto verantwortlich waren, sind die drei, die auch jetzt verantwortlich sind. Nur: Vorher hatten sie James als Verantwortlichen und Sprecher, wenn man so will, und den gibt es jetzt nicht mehr. Jetzt müssen die drei zusammen eine Entscheidung treffen", erklärt er. "Das mussten sie aber in der Vergangenheit manchmal auch schon. Seit wir am neuen Auto arbeiten, hat sich das sehr gut bewährt, und James hat sie auch machen lassen. Es ist in jedem Team so, dass die einzelnen Abteilungen von starken Leuten geführt werden."

Sauber: Die grauen Mäuse aus Hinwil


Etwas mehr Farbenfreude hätte uns sicher nicht geschadet», sagt ein Teammitglied im Fahrerlager. Und bei 30 Grad im Schatten hätten die Leute in helleren Farben am Mittwoch auch weniger geschwitzt. Das Schweizer Team ist mit genau 61 Leuten ans andere Ende der Welt geflogen. 47 davon arbeiten im operativen Bereich. Die andern 14? Catering, PR, Medien, Physiotherapie.

Das Material? 28 Tonnen und zwei Autos. Nur 10 Tonnen werden aus der Ecclestone-Kasse bezahlt. Der Rest geht fast in die Millionen. Und bei einem geschätzten Budget von knapp über 100 Millionen muss jeder Franken umgedreht werden. Die von der FIA geplante Sparwelle ist längst kein ernsthaftes Thema mehr. Und darunter leidet das Privat-Team von Sauber besonders. So haben Red Bull, McLaren, Ferrari und Mercedes sicher das dreifache in der Kriegskasse.

Und noch ein Schwachpunkt: Nicht einmal 300 Leute arbeiten für die Hinwiler. Da sind mindestens sieben Teams klar besser aufgestellt. Allein Lotus gibt 500 Mitarbeiter zu! Auch beim Budget ist Sauber im hinteren Mittelfeld angelangt. Mexiko-Milliardär Carlos Slim hält «sein» Team mit Pérez und Ersatzpilot Gutiérrez offenbar an der kurzen Leine. Sauber kämpft um jeden Sponsor, da Stillstand sofort Rückschritt bedeutet!

Und wenn man bedenkt, dass McLaren 2011 während der Saison mit 26 Verbesserungen am Auto kam, so ist ein Entwicklungsstopp tödlich. Wie vor einem Jahr, als Sauber den Bau des anblasbaren Diffusors (brachte fast zwei Sekunden pro Runde) aus finanziellen Gründen einstellen musste! Mit Glück und 44:41 konnte am Ende das Ferrari-Duell um WM-Rang 7 gegen Toro Rosso knapp gewonnen werden. Und 2012? Hinter den Sauber-Kulissen wurde heftig diskutiert, knallhart gerechnet und analysiert sowie klare Zielvorgaben gemacht.

Ein 4. oder 5. Rang wird bei Sauber als Optimum angesehen! Ein 6. WM-Platz wäre die konservative Variante – und einen 7. oder 8. Rang zieht man gar nicht in Betracht! Allerdings sind sich die Schweizer noch nicht ganz einig über die Stärke des roten Hausherrn aus Maranello. Auf der internen Rechnung liegt Ferrari (Alonso/Massa) hinter dem Sauber C31 – angetrieben von 760 Ferrari-PS!

Die zentrale Frage ist also: Sollten die Hinwiler zu Beginn der Saison für einige Überraschungen sorgen, reichen dann die Finanzen für die nötige Weiterentwicklung?

15.3.2012