Als BMW vor dem Konkurs stand

Nur wenige erinnern sich daran: Ende der fünfziger Jahre stand BMW vor dem Konkurs. Eine Mehrheitsbeteiligung von Daimler-Benz sollte das Unternehmen retten, doch diese Pläne scheiterten. Doch dazu kam es nicht. With a little Help from my (little) Friend – dem 700er BMW – konnten sich die Münchner Autobauer den Kopf aus der Schlinge ziehen.

Doch wie kam's zur finanziell fatalen Lage bei BMW? Die falschen Modelle zur falschen Zeit - in den fünfziger Jahren wäre diese Situation für BMW beinahe zum Verhängnis geworden. Die Münchner bauten grosse und teure Sechszylinder-Automobile wie die Limousinen 501 und 502, und sie fertigten exquisite Sportwagen wie die Typen 503 und 507. Doch die Kunden wollten andere Fahrzeuge. Immer mehr Deutsche stiegen während der Wirtschaftswunderjahre vom Motorrad (auch da geht der BMW-Absatz zurück) ins Auto um. BMW erkannte das zu spät, adaptierte eilig das italienische Minimalmobil Isetta und verlängerte das Wägelchen 1957 zum BMW 600 - doch Erfolg hatten diese Modelle nur vorübergehend.Die Lage war angespannt in München, BMW schrieb rote Zahlen. Einen Versuch aber wollten die Verantwortlichen noch wagen: Im September 1957 beschloss der Vorstand den Bau eines zweitürigen Sportwagens auf der Basis des BMW 600. Diesmal sollte aber ein richtiges, viersitziges Auto entstehen. Ein knappes Jahr später, am 31. Juli 1958, wurde der Unternehmensleitung am Starnberger See der Prototyp des BMW 700 präsentiert. Entworfen hat das Auto der italienische Designer Giovanni Michelotti, kurz darauf wurde die Serienfertigung des Modells beschlossen.

Die BMW-Kreativen unter Leitung von Wilhelm Hofmeister änderten zwar noch diverse Details der Karosserieform, doch das Konzept blieb unangetastet: Erstmals sah ein Nachkriegs-BMW wie ein wirklich modernes Auto aus, und neu war eine BMW mit selbsttragender Karosserie. Wiederum ein Jahr später, am 9. Juni 1959, wurde das fertige Auto in Feldafing bei München rund hundert internationalen Fachjournalisten vorgestellt. Als die Hülle vom Auto gezogen wurde, gab es angeblich spontanen Beifall - das BMW 700 Coupé gefiel offenbar auf Anhieb.

30 PS unter der Haube und kaum 600 Kilo schwer

3,54 Meter lang war der Wagen, er wog rund 600 Kilogramm. Unter der Haube werkelte ein 700-Kubik-Boxermotor mit einer Leistung von 30 PS, der das Auto auf bis zu 125 km/h beschleunigte und rund sechs Liter Benzin je 100 Kilometer verbrannte. Sogar an praktische Details wie umklappbare Rücksitzlehnen, um den Kofferraum vergrössern zu können, hatten die Entwickler gedacht. Ein Berichterstatter schrieb: "BMW 700 Coupé heisst das neueste Erzeugnis der Bayerischen Motoren Werke, das ein Schlager der diesjährigen Automobil-Ausstellung zu werden verspricht."

Die Prophezeiung trat ein. Auf der IAA in Frankfurt im September 1959 stand das BMW 700 Coupé zum Preis von 5300 Mark und gleich daneben stand auch noch die BMW 700 Limousine, die im darauf folgenden Frühjahr auf den Markt kommen sollte - und zwar zum Preis von 4760 Mark. Dieses Modell bot mehr Platz im Innenraum, dafür aber eine schlechtere Ausstattung. Das Referenzmodell in dieser Fahrzeugklasse schlechthin, der VW Käfer, war zwar etwas billiger, doch seine Formensprache wirkte vergleichsweise altbacken.

Erfolgreiche Motorsportkarriere des BMW-Kleinwagens

Beim Publikum jedenfalls kam der BMW 700 blendend an, die Lieferzeit betrug anfangs mehrere Monate. Für das Unternehmen BMW war dieser Erfolg extrem wichtig, denn nach Jahren in den roten Zahlen und immer neuen Rückschlägen gab es endlich wieder einmal eine Erfolgsgeschichte. Deren Bedeutung kann man ermessen, wenn man weiss, dass das Unternehmen im ersten vollen Verkaufsjahr 1960 mehr als 35.000 Exemplare des BMW 700 absetzte und allein dadurch 58 Prozent des Gesamtumsatzes in diesem Jahr erwirtschaftete.

Das auffällige Auto reüssierte auch im Motorsport. Hans Stuck senior, damals 60 Jahre alt, gewann 1960 im BMW 700 den Titel des deutschen Bergmeisters. Für das Werksteam wurden die Sportwagen-Prototypen 700 GT und 700 RS entwickelt, die in diversen Rennserien für Furore sorgten. Der Hersteller reagierte und stellte im Sommer 1961 das Modell Sport vor, dessen Zweizylinder-Boxermotor auf 40 PS gekitzelt und der mit einem strafferen Fahrwerk ausgerüstet war; das Spitzentempo betrug 135 km/h.

Luxuriösere Ausstattung und eine Cabrio-Version

Auch in der Folgezeit wurde das Modellprogramm des BMW 700 weiter ausgebaut - schliesslich galt es, möglichst viele Kundenwünsche zu befriedigen. Und so entstanden das besser ausgestattete Modell mit dem Namenszusatz Luxus und ein Cabriolet, das von der Karosseriefirma Baur aus Stuttgart angeregt worden war und dann auch dort gefertigt wurde. Im Frühling 1962 schliesslich wurde das Auto überarbeitet und die Karosserie der Limousine um satte 32 Zentimeter verlängert. Später gab es auch für das Coupé eine Verlängerung, doch betraf die nur noch das letzte Produktionsjahr.

Bis 1965 wurde der BMW 700 gebaut. Mit insgesamt rund 190.000 Exemplaren war er das bis dahin meistverkaufte Modell der weissblauen Marke. Damit trug der Wagen entscheidend dazu bei, die Eigenständigkeit des Unternehmens zu erhalten. Und er markierte für die in den Nachkriegsjahren ziemlich unbewegliche Marke BMW den Übergang zu einem modernen Automobilhersteller. Eine Entwicklung, die mit dem Start des BMW 1500 im Jahr 1961 manifestiert wurde.

17.12.2012