Cadillac CTS-V Coupé: Ecken und Kanten

Mit dem stärksten Serien-Cadillac aller Zeiten trumpft die amerikanische Nobelmarke auf. Das Cadillac CTS-V Coupé holt 564 PS aus 6,2 Litern Hubraum, in vier Sekunden geht's auf Tempo 100. Und nimmt gleichzeitig die Europäer aus dem Nobelsegment ins Visier.

Cadillac nimmt BMW, Audi und Mercedes ins Visier

Ganz so stürmisch möchte Cadillac gar nicht in den EU-Markt zurückkehren: "Wir wollen zunächst 2.500 Autos in Europa verkaufen", doziert Wolfgang Schubert, Chef der in Zürich ansässigen europäischen Cadillac-Zentrale, "das entspricht dem Volumen guter Jahre in naher Vergangenheit". Und er fügt auch gleich hinzu, dass dieses Ziel keineswegs schon im ersten oder zweiten Jahr erreicht werden muss. Eine betont schlanke Organisation mit maximal 40 Händlern in den EU-Staaten, davon etwa acht in Deutschland, und weiteren 150 Service-Stützpunkten (15 in der Bundesrepublik) soll es möglich machen, mit geringen Stückzahlen gute Erträge zu erwirtschaften. Die klassischen Aufgaben eines Importeurs übernimmt für alle Länder die Europa-Zentrale in Zürich, die sich auch vehement dafür einsetzen will, dass die Qualität der Cadillacs künftig mit der deutscher Premium-Modelle aus Ingolstadt, München und Stuttgart konkurrieren kann.

Hochwertige Verarbeitung

Wie ernst die Cadillac-Mannschaft mit diesem Thema umgeht, zeigen Materialauswahl und Verarbeitungsgüte im Innenraum des Cadillac CTS-V. Fein strukturiertes Leder, glänzende Klavierlackflächen, glitzernde Chromrahmen um übersichtlich gezeichnete Instrumente und leicht bewegliche Lüftungsgitter sowie ein mit griffsympathischem Rauleder umhüllter Kranz des Multifunktionslenkrads sorgen für ein stilvolles Ambiente. Enge Passungen, gleichmäßige Fugen und gut rastende Schalter unterstreichen den Eindruch hoher Solidität. Für das Wohl des Fahrers sorgen im Fahrbericht nicht nur ein gutes Raumgefühl, sondern vor allem auch ausgezeichnet profilierte Recaro-Sitze im Cadillac CTS-V, die mit hohen Seitenwangen guten Halt in Kurven geben und dank straffer Polsterung viel Bequemlichkeit bieten. Ergonomisch in Bedienungsgruppen angeordnete Schalter für die Handhabung der mit grossem Touchscreen-Bildschirm operierenden Kommunikationszentrale und zur Regulierung des Innenraum-Klimas erleichtern den Umgang mit dem jüngsten Cadillac-Modell, das soeben auf dem amerikanischen Markt eingeführt wurde.

Mitfahrer im Fond des Zwei-plus-zwei müssen da schon deutliche Kompromisse eingehen. Ein- und Ausstieg nach hinten sind beschwerlich und bestenfalls Halbwüchsigen zuzumuten. Sie hocken dort zwar in gut gepolsterten Nischen, fühlen sich aber wegen der hohen Gürtellinie des Cadillac CTS-V, dicker C-Säulen und kleinem Heckfenster stark eingemauert untergebracht. Mit seinem Kofferraumvolumen von 298 Litern erfüllt der Cadillac CTS durchaus den Anspruch an Mittelklasse-Coupés. Wer mehr Laderaum benötigt oder sperrige Güter transportieren möchte, kann die im Verhältnis ein zu zwei Dritteln geteilten Fondsitzlehnen umklappen. Sie geben eine große Luke in der Schottwand frei.

Der V8 ist eine Wucht

Den besonderen Reiz des Cadillac CTS-V aber macht vor allem sein riesiger Achtzylinder aus, der völlig unzeitgemäss gar nicht auf innovative Hightech-Lösungen setzt. Der zur sogenannten Small-block-Familie von General Motors gehörende 6,2-Liter-Motor schöpft nach guter alter Ami-Sitte aus dem Vollen. Er begnügt sich mit zwei Ventilen pro Brennraum und steuert die wenigen Ventile mit einer unten im Block rotierenden Nockenwelle über lange Stossstangen.

Doch damit nicht genug: Im Zylinderwinkel des V8 kauert ein mechanisch angetriebener Kompressor, der die Verbrennungsluft auf bis zu 0,62 bar Überdruck komprimiert und über einen Ladeluftkühler in die Brennkammern presst. Das macht dem Motor im Fahrbericht kräftig Beine. Wie der V8 den immerhin 1,9 Tonnen schweren Cadillac CTS-V im Fahrbericht anschiebt, ist eine Wucht. Gleichgültig, in welchem Drehzahlbereich die Maschine gerade arbeitet, ein Tritt aufs Gaspedal lässt das Coupé losschießen wie eine Kanonenkugel. Vor allem in den unteren Gängen ist ein sanfter Fahrfuss angeraten, sollen nicht ständig die Antriebsräder des Cadillac CTS-V im Heck pfeifend durchdrehen. Speziell in Kombination mit dem manuellen Sechsganggetriebe stellt der V8 seinen Brutalo-Charakter nach zackigen Schaltmanövern eindrucksvoll zur Schau. Die Gangwechsel vollziehen sich dazu passend - knackig und mit kurzen Hebelwegen, aber nicht sehr exakter Schaltstockführung.

Das Coupé kann auch cruisen, doch an Komfort mangelt es

Den Spurt aus dem Stand auf Tempo 100 erledigt er im Handumdrehen (4,4 s), als Höchstgeschwindigkeit nennt das Werk 308 km/h (282 km/h, Werte in Klammern für Automatik-Version). Wer die gebotene Leistung häufiger nutzt, darf in der Praxis mit einem um etwa 15 Prozent höheren Verbrauch als dem ECE-Normwert von 15,3 (14,7) L/100 km rechnen.

Trotz möglicher brachialer Leistungsentfaltung ist dieser V8 kein Raubautz. Akustisch bleibt er im Fahrbericht selbst dann ein ausreichend kultivierter Zeitgenosse, wenn man ihm hohe Drehzahlen abverlangt. Ein Ohrenschmaus: sein dezentes V8-Gebrabbel im Schiebebetrieb. Mit seinem Federungskomfort kann der Cadillac CTS-V hingegen nicht begeistern. Das mit Magnetic-Ride-Stossdämpfern bestückte Fahrwerk ist schon im Normal-Programm recht straff abgestimmt, in der Stellung Sport agiert es unangemessen stössig, wobei vor allem die Holprigkeit und das laute Abrollen bei geringem Tempo stören. Fahrdynamisch mimt der Cadillac CTS-V überraschend einen agilen Europäer - mit geringem Untersteuern, guter Richtungsstabilität und ansprechendem Handling, zu dem seine exakte, leichtgängige Lenkung maßgeblich beiträgt. Die Bremsen verzögern wirksam, bieten aber keinen klar definierten Druckpunkt.

Im Vergleich zu den meisten seiner namhaften Konkurrenten aus den Sport-Abteilungen der deutschen Premium-Hersteller ist das Cadillac CTS-V Coupé preiswert: Es kostet mit umfangreicher Ausstattung 76.990 Euro. Ein Schnäppchen für Individualisten.

8.12.2011

Cadillac CTS-V Coupé