McLaren will den Austin-Sieg

Lewis Hamilton zog das Pech in den vergangenen

Wochen magisch an

Die Formel 1 gibt am bevorstehenden Wochenende ihre Premiere auf dem Circuit of The Americas (CoTA) in Austin und für McLaren gibt es nur ein Ziel: Der Sieg soll her - koste es, was es wolle. Sowohl in der Fahrer- als auch in der Konstrukteurswertung musste die Titelhoffnungen nach der jüngsten Pleitenserie zu den Akten gelegt werden. Umso entschlossener ist man im Lager der "Chrompfeile", bei den zwei noch ausstehenden Rennen des Jahres voll auf Angriff zu fahren.

Vor eineinhalb Wochen in Abu Dhabi fiel Lewis Hamilton zum zweiten Mal innerhalb von fünf Rennen in Führung liegend mit technischem Defekt aus. Auf dem Stadtkurs in Singapur wurde der Brite durch einen Getriebeschaden schachmatt gesetzt. Auf dem Yas-Marina-Circuit in den Vereinigten Arabischen Emiraten stoppte ihn eine defekte Benzinpumpe, als er das Feld klar im Griff hatte.

Derartige Gebrechen halten die McLaren-Truppe aber nicht davon ab, für das USA-Comeback der Formel 1 den gewohnten Optimismus an den Tag zu legen. "Der Defekt, den wir in Abu Dhabi hatten, war sehr schmerzhaft", gesteht McLaren-Geschäftsführer Jonathan Neale, schiebt aber sofort hinterher: "Beim Young-Driver-Test haben wir mit demselben Auto 1.500 problemlose Kilometer zurückgelegt. Natürlich ist uns die aktuelle Situation in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft bewusst", spricht Neale den nach dem Sieg von Kimi Räikkönen nur noch 30 Punkte betragenden McLaren-Vorsprung auf Lotus im Kampf um Platz drei an. "Wir legen aber keine besonders vorsichtige Herangehensweise an den Tag und werden auch für die kommende Strecke Upgrades im Gepäck haben", blickt der Brite auf die Formel-1-Premiere in Austin voraus.

Um das selbstgesteckte Ziel zu erreichen, bedarf es laut Neale einer "sehr gewissenhaften Arbeit, doch unser Wunsch ist klar: Wir wollen das Rennen gewinnen". Da der CoTA für alle Teams Neuland ist, steht ihnen am Freitag ein zusätzlicher Satz Reifen zur Verfügung, um sich mit den Feinheiten des Kurses vertraut machen zu können. Auf die bevorstehende Herausforderung freut man sich im McLaren-Lager schon jetzt.

"Es ist immer toll, an eine neue Strecke zu kommen. Diese macht einen besonders durchdachten Eindruck. Anhand der Simulationen stechen vor allem die Höhenunterschiede heraus. Zudem gibt es einige Kurven mit blinden Scheitelpunkten. Ich erwarte ausserordentlich spannendes Racing", sagt Neale und fügt abschliessend hinzu: "Es werden wohl die üblichen Verdächtigen vorn liegen, aber ich hoffe natürlich, dass es eine McLaren-Strecke sein wird."

Whitmarsh: Newey ist gut, aber nicht unschlagbar


"Wir kämpfen nicht gegen Vettel, sondern gegen Newey" - mit diesem Satz hat Fernando Alonso unlängst die Ferrari-Technikabteilung aufrütteln wollen. Ob ihm dies im Zielsprint der Formel-1-Saison 2012 gelungen ist, werden die beiden noch ausstehenden Rennen in Austin und Interlagos zeigen. Indirekt machte der spanische Superstar damit auch klar, dass er die Qualitäten von Red-Bull-Designer Adrian Newey über die fahrerischen Leistungen seines Kontrahenten Sebastian Vettel stellt.

"Wir sind ein Team, keine One-Man-Show. Adrian ist sicherlich ein herausragender Ingenieur, dessen Autos viele Rennen und Meisterschaften gewonnen haben, aber wir haben viele weitere sehr gute Leute in der Mannschaft", stellte Vettel dem Technikgenie ein gutes Zeugnis aus, aber rückte den Teamgedanken dabei deutlich in den Vordergrund. "Adrian ist ein Topmann, aber auch er ist schlagbar", ist sich McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh sicher.

Der Brite kennt den prominenten Ingenieur aus gemeinsamen - und erfolgreichen - Tagen in Woking. 2006 wechselte Newey von McLaren zu damals frischen Red-Bull-Rennstall. "Bedauern ist selten produktiv", winkt Whitmarsh auf die Frage ab, ob er den damaligen Abschied des Toptechnikers bedauere. "Adrian ist ein aussergewöhnlicher Zeitgenosse, er ist ein Freund und macht einen tollen Job", erklärt der McLaren-Teamchef gegenüber 'Formula1.com'. Er habe höchsten Respekt vor der Arbeit von Newey, betont Whitmarsh. Grinsend fügt er an: "Tatsache ist aber: Seit er uns verlassen hat, haben wir mehr Rennen gewonnen als er!" Der Ingenieur musste nach seinem Wechsel zu Red Bull zunächst eine adäquate Struktur in der Technikabteilung in Milton Keynes schaffen. Den ersten Sieg gab es im April 2009, als Sebastian Vettel beim Grand Prix von China erfolgreich war. Zwischen 2006 und dem ersten Red-Bull-Sieg holte McLaren 14 Grand-Prix-Triumphe.

"Adrian ist schwer zu schlagen, aber auch wir haben gute Leute", sagt Whitmarsh. "Wir können es besser als zuletzt gezeigt. Unser Auto war bei fast allen Rennen schnell, bei vielen Grands Prix sogar das schnellste. Wir haben es nicht entsprechend umgesetzt, was natürlich frustrierend ist. Wir wissen, dass wir es besser können. Das wollen wir nun umsetzen", meint der britische Teamchef, dessen Schützling Lewis Hamilton beim vergangenen Rennen in Abu Dhabi in Führung liegend ausgefallen war.

Hamiltons McLaren-Abschied schwierig und emotional


Nach sechs Jahren Zugehörigkeit zum Grand-Prix-Zirkus geht Lewis Hamilton in der Saison 2013 erstmals nicht für McLaren an den Start. Der Weltmeister des Jahres 2008 unterzeichnete im September einen Dreijahresvertrag bei Mercedes und wird dort Nachfolger von Rekordweltmeister Michael Schumacher.

"Ich wollte etwas anderes machen, eine neue Herausforderung angehen", begründet Hamilton seinen Teamwechsel gegenüber 'F1 Racing'. Wie der Brite nun offenbart, fiel ihm die Beichte seines Abschieds von McLaren nicht leicht. "Ich glaube, Martin (McLaren-Teamchef Whitmarsh; Anm. d. Red.) ging fest davon aus, dass ich bleiben würde. Es war sehr schwierig und emotional, als ich ihn anrief." Unterm Strich glaubt Hamilton mit seinem Wechsel der Fronten von Chrom zu Silber die richtige Entscheidung getroffen zu haben: "Natürlich waren Emotionen im Spiel. Mein Herz kämpfte gegen meinen Verstand, aber ich fühlte mich gut und sagte mir: 'Probier es einfach'". In seinen ersten Prognosen für die Saison 2013 gab sich der künftige Mercedes-Pilot während der zurückliegenden Wochen noch bedeckt. Bevor Hamilton das Lager wechselt stehen ihm noch zwei Rennwochenenden für McLaren bevor und der 27-Jährige würde nichts lieber sehen, als die fünf Jahre mit einem weiteren Sieg zu krönen, speziell nach den in Führung liegend aufgetretenen Technikpannen in Singapur und Abu Dhabi.

Die vorletzte Chance auf seinen 21. McLaren-Sieg hat Hamilton am kommenden Wochenende beim Comeback der Formel 1 in den USA. Den nagelneuen Circuit of The Americas in Austin kennt der Brite wie alle anderen Stammfahrer bis dato nur anhand von Simulationen. "Ich war auf der PS3 und im Simulator auf dieser Strecke unterwegs und glaube, dass der Kurs den Fahrern gefallen wird. Ich wäre gern der erste Grand-Prix-Sieger dort", so Hamilton gegenüber 'The Sun'. Den bisher letzten US-Grand-Prix - ausgetragen im Jahr 2007 in Indianapolis 2007 - gewann Hamilton. "Es ist verrückt, dass das schon fünf Jahre her sein soll. Ich erinnere mich an dieses Rennen, als wäre es gestern gewesen, denn damals holte ich innerhalb von einer Woche meinen zweiten Grand-Prix-Sieg." Sieben Tage vor seinem Triumph auf dem Infieldkurs des Indianapolis Motor Speedway hatte der McLaren-Pilot in Montreal seinen Premierenerfolg als Formel-1-Fahrer unter Dach und Fach gebracht.

Hamilton kritisiert Team


Lewis Hamiltons Ärger ist nachvollziehbar. Der Brite schied in Abu Dhabi mit einer defekten Benzinpumpe aus - und das in Führung liegend. Das Rennen auf dem Yas-Marina-Circuit macht ihm den Abschied von McLaren mit Sicherheit leichter, zumal er diese Saison schon mehrmals Opfer von Defekten war und 2009 bei der Abu-Dhabi-Premiere ebenfalls mit einem technischen Defekt in Führung liegend aufgeben musste.

Der Brite bringt seine Unzufriedenheit gegenüber 'Gulf News' auf den Punkt: "Wäre mein Auto dieses Jahr so zuverlässig wie das von Vettel oder Alonso, dann würde ich mit ihnen auf Augenhöhe liegen, und - wer weiss - vielleicht sogar vor ihnen." Abu Dhabi war seine sechste Pole-Position in dieser Saison - vom besten Startplatz gelangen ihm aber nur zwei von drei Siegen 2012.

"Bei den anderen Rennen hatten wir Defekte oder andere Probleme mit den Boxenstopp und so weiter", klagt er. "Wenn man von der Pole startet, dann sollte man eigentlich das Rennen gewinnen, außer man hat gröbere Probleme - das war bei mir bei der Hälfte der Rennen von der Pole der Fall."

Dass McLaren derzeit mit bereits 56 Punkteplatzierungen in Serie einen Rekord aufstellt, klingt da wie blanker Hohn. "Diese Zuverlässigkeitsstatistik ist schön, aber mehr WM-Titel wären besser", sagt Hamilton angesäuert und spielt darauf an, dass McLaren abgesehen von seinem Triumph 2008 seit 1999 nicht mehr Weltmeister wurde. "Ich bin sicher, dass McLaren das ähnlich sieht."

"Lewis macht Mercedes zum Weltmeister"


Lewis Hamilton wird 2013 Nachfolger von Rekordchampion Michael Schumacher bei Mercedes. Sein Vater Anthony, bis Anfang 2010 auch Manager seines Sohnes, verrät im Interview, warum er den Wechsel sehr positiv sieht, warum Mercedes wie eine zweite Familie ist und warum er sich die Rennen im nächsten Jahr wahrscheinlich lieber vor dem Fernseher anschauen wird.

Frage: Anthony Hamilton, was sagen Sie zum Wechsel Ihres Sohnes Lewis zu Mercedes?

Anthony Hamilton: Ich finde es sehr gut.

Sie haben Lewis vor wenigen Wochen noch geraten 'auf sein Herz zu hören und bei McLaren zu bleiben'...

Immer kannst Du nicht auf Dein Herz hören, sonst bekommst Du vielleicht irgendwann Probleme.

Mercedes fährt vor allem in der zweiten Jahreshälfte der Konkurrenz hinterher. Haben Sie keine Angst, dass es auch für Lewis sehr schwer werden wird?


Nein. Ich bin sicher, es wird funktionieren. Mercedes ist eines der grössten Werke der Welt. Und sie haben ein grosses und gutes Formel-1-Team. Ross Brawn und Norbert Haug sind sehr fähige Leute, die alles versuchen und das Auto schon in Schwung bringen werden.

Viele erwarten den grossen Sprung bei Mercedes erst 2014 mit der Änderung des Motorenreglements. Lewis selbst hat gesagt, er erwartet im ersten Jahr noch nicht so viel. Was erwarten Sie für 2013?

Ich weiss nicht, was nächstes Jahr sein wird. Ich glaube an Mercedes. Und falls es Probleme geben sollte: Lewis hat auch schon bewiesen, dass er in weniger guten Autos gewinnen kann, zum Beispiel 2009.

In diesem Jahr hat Lewis ebenfalls Rennen gewonnen, drei schon vor Abu Dhabi. Und er hatte lange Zeit Chancen auf den Titel. Warum ist er letztlich abgefallen? Pech? Fehler? Das Auto?

Keine Ahnung. Ich weiss es wirklich nicht.

Spüren Sie, dass Ihr Sohn glücklich ist mit der Entscheidung für Mercedes?

Ja, er ist absolut happy damit. Neue Impulse und ein neues Umfeld tun ihm sicher gut. Und ich bin sicher, dass er auch Mercedes gut tun wird.

Im letzten Jahr wurde er oft kritisiert wegen einiger unglücklicher Manöver und Aussagen. In diesem Jahr scheint er wieder seine innere Mitte gefunden zu haben. Hat Ihr Sohn sich 2012 vor allem auch als Persönlichkeit entwickelt?

Er war öfter traurig in letzter Zeit, jetzt ist alles wieder in Ordnung. Aber er wollte etwas ändern in seinem Leben und sich neue Ziele setzen. Nun schaut er voller Vorfreude auf die neue Aufgabe. Er ist voll motiviert und wird hart arbeiten. Lewis' Ziel ist es immer zu gewinnen. Und ich bin sicher, dass er Mercedes innerhalb von drei Jahren zum Weltmeister macht.

Aber wird ihm der Abschied von McLaren nicht schwer fallen? Schliesslich war er dort seit seinem 13. Lebensjahr?

Ich glaube nicht. McLaren war natürlich wie eine Familie für ihn. Aber er verliert die Familie ja nicht, er wechselt nur das Auto. Und er wechselt praktisch zu seiner zweiten Familie.

Ist das Verhältnis zu Mercedes so eng?

Es war immer schon sehr eng. McLaren und Mercedes haben ja lange zusammengearbeitet. Und Mercedes war immer ein guter Partner. Sie haben uns geholfen, Lewis in die Formel 3 zu bringen und später auch in die Formel 1. Der Umgang dort ist sehr familiär, deshalb ist es auch der richtige nächste Schritt für Lewis.

Sie beide waren viele Jahre lang unzertrennlich, Sie waren auch der Manager Ihres Sohnes. Dann gab es Streit. Wie ist Ihr Verhältnis heute?

Es ist absolut in Ordnung. Es gibt keinerlei Probleme mehr.

Und wie ist Ihr Verhätnis zu Lewis' neuem Manager Simon Fuller?

In Ordnung. Wir arbeiten nicht zusammen, aber er ist ein guter Typ.

Werden Sie nächstes Jahr bei allen Rennen dabei sein?

Das kommt drauf an. Ich darf nicht ja nicht mit in die Garage, und wenn ich im Motorhome sitze, fehlt mir der Sound. Vielleicht habe ich es da besser zu Hause vor dem Fernseher. In meinem Sessel, mit einer Tasse Tee und mit meinem Laptop, auf dem ich mir alle Rundenzeiten ansehen kann. Ausserdem muss ich mich dann auch nicht um Flüge und Hotels kümmern - und ich kann mitfiebern, ohne auf irgendwas Rücksicht nehmen zu müssen.

Hamilton dreht Mercedes auf links


Mit der anhaltenden Mercedes-Formschwäche in der Formel 1 nimmt die Skepsis wegen des Wechsels Lewis Hamiltons zu den Silberpfeilen nicht ab. Für Eddie Jordan ist das kein Grund zur Beunruhigung. Schliesslich glaubt der Ex-Teamchef daran, dass der Brite das Team mit seinem Wissen und seinen Ideen schon 2013 auf Vordermann bringt. "Wenn er sagt, er könne nächstes Jahr im Mercedes nicht siegen, glaube ich ihm kein Wort", erklärt Jordan gegenüber 'Gulf News'.

Für den Iren ist es eine Situation, wie die Königsklasse sie 1996 erlebte: "Wir sollten uns daran erinnern, was Michael Schumacher getan hat, als er Benetton in Richtung Ferrari verlassen hat", erinnert Jordan an die Unterschrift des Rekord-Weltmeisters bei einer zu diesem Zeitpunkt im Fiasko befindlichen Scuderia. "Er hat eine neue Stimmung, neue Leute sowie Ziele und Einschätzungen mitgebracht. Wer hätte damals gedacht, dass er mit Ferrari so viele Titel gewinnt?"

Jordan glaubt, dass sich Geschichte wiederholt: "Lewis wird wie Schumacher kompetentes Personal um sich herum formieren und Mercedes ein neues Gefühl dafür geben, was wichtig ist." Der Schlüssel zur Formsteigerung seien die hohen Ansprüche des Weltmeisters von 2008. Jordan metaphorisch: "Wenn man beim Hochsprung die Latte immer etwas höher legt, fangen die Sportler an, Leistung zu bringen. Und wer sagt, dass Hamilton nicht das Gleiche gelingt wie Schumacher?"

Deshalb will der 64-Jährige Hamilton auch keinen Fehler unterstellen: "Es war mit Sicherheit verdammt schmerzhaft für McLaren, dass er geht, aber manchmal ist das das Richtige. Vielleicht kommt er irgendwann noch stärker zurück, wer weiß das schon." Trotzdem bedauert er das Ende einer 14-jährigen Ära in Woking: "McLaren ist ein gutes Teams und Hamilton ein guter Fahrer. Wären sie beisammen geblieben, wäre das brillant gewesen."

Jordan, der an Hamiltons "aussergewöhnliches Talent" und mindestens einen weiteren WM-Titel glaubt, betrachtet auch die mentale Verfassung des Piloten: "Rennfahrer haben die natürliche Angewohnheit, die Aufmerksamkeit von sich zu lenken. Er stand jetzt aber schon lange Zeit im Rampenlicht", meint er und deutet an, dass Hamilton erschöpft sei - aber nicht ausgebrannt: "Gewinnt er im kommenden Jahr Rennen? Kein Zweifel", ist sich Jordan sicher.

15.11.2012