McLaren in Austin: Die Legenden kommen

Lewis Hamilton und McLaren wollen die

Texas-Premiere unbedingt gewinnen

Mit etwas Fantasie lässt sich behaupten, McLaren reise als Titelverteidiger nach Texas. Schliesslich war es Lewis Hamilton, der den jüngsten Grand Prix auf US-amerikanischem Boden - nämlich in Indianapolis im Jahr 2009 - gewann. Entsprechend selbstbewusst gehen die "Chrompfeile" an Bord des Flugs über den Atlantik: "Ich weiss, dass Lewis und Jenson mit dem unbedingten Willen nach Austin kommen, uns wieder auf die höchste Stufe des Podestes zu bringen", ist sich Martin Whitmarsh sicher.

Der Teamchef spricht von einer "starken, aber letztlich doch enttäuschenden Leistung in Abu Dhabi", die mit dem Ausfall des komfortabel in Führung liegenden Hamilton ihren Tiefpunkt erlebte. Der hat die bittere Stunde längst vergessen und gibt sich der Vorfreude auf Austin hin: "Ich muss zugeben, völlig vernarrt in die USA-Rückkehr zu sein", erklärt ein euphorischer Ex-Weltmeister. "Es ist ein fantastisches Land, das unseren Sport wirklich verdient hat."

Alle McLaren-Legenden in den USA erfolgreich

Massgeblich trägt dazu der Circuit of The Americas (CoTA) bei. Der, so Hamilton, würde aussehen wie eine Strecke, die die moderne Formel 1 ihr Zuhause nennen könnte. "Ich bin ihn bisher nur am Computer und im Simulator gefahren, aber es wird eine Strecke sein, die die Fahrer geniessen, die grossartige Rennaction produziert und die die Fans schnell in ihr Herz schliessen", verteilt der Brite Vorschusslorbeeren. Er zieht seinen Optimismus aber auch aus positiven Erinnerungen. Denen an 2007: "Es ist verrückt, dass der jüngste US-Grand-Prix schon fünf Jahre her ist"; wundert sich Hamilton. "Ich erinnere mich an das Rennen noch, als sei es gestern gewesen. Die nervliche Anspannung als ich zum ersten Mal in Indianapolis war, die vielen Fans, das fantastische Auto unter meinen Füßen und mein zweiter Rennsieg überhaupt, das auch noch binnen Wochenfrist", denkt er zurück und meint: "Für mich war es eine unglaublich aufregende Zeit." Überhaupt kann McLaren auf eine erfolgreiche Bilanz bei den bisherigen Grands Prix in den USA zurückblicken. Insgesamt elf Mal triumphierten die "Chrompfeile" im Land der unbegrenzten Möglichkeiten, angefangen mit dem Triumph von James Hunt in Watkins Glen im Jahr 1976. Es folgten Siege durch Alain Prost und Ayrton Senna in den Straßen von Pheonix. Historisch war auch der Erfolg Mika Häkkinens 2001 in Indianapolis - es war der letzte seiner glanzvollen Karriere.

Passt das Button-Puzzle in Austin?

Bisher nicht in die Siegerlisten eingetragen hat sich Jenson Button, obwohl er in den USA schon sieben Mal am Start war. Immer verliess er Nordamerika mit leeren Händen. Sein bisher bestes Resultat gelang 2002 im Benetton - als Achter. Das soll sich ändern: "Ich denke, uns steht ein fantastisches Wochenende bevor - ich kann es wirklich kaum abwarten, nach Austin zu kommen und die Stadt, die Leute und die Strecke zu sehen. Es wird brillant", blickt Button voraus.
Der McLaren-Pilot findet: "Auf eine neue Strecke zu kommen ist immer eine interessante Herausforderung. Du gehst sie ganz anders an als eine Bahn, auf der schon zuvor gewesen bist. Bei der Streckenbegehung am Donnerstag und den ersten Runden geht es darum, alles zu erkunden und Informationen aus den verschiedensten Quellen zu sammeln", sagt Button und erklärt: "So entsteht ein ganzheitliches Bild der Strecke und davon, was es braucht, um das Maximum herauszuholen." Das Studium des Kartenmaterials hat ihm jedenfalls Lust auf den Trip nach Texas gemacht: "Auf dem Papier sieht es so aus, als böte der Kurs von allem etwas. Der Anblick sieht vertraut aus, denn es gibt Elemente ähnlich Maggotts und Backetts in Silverstone und auch eine Neuauflage der achten Kurve in Istanbul. Ich erkenne auch etwas vom Motodrom in Hockenheim." Die guten Zutaten sind jedoch keine Garantie für ein motorsportliches Sterne-Menü, wie Button weiss.

Racing meets Business

"Ob diese Elemente zusammen ein harmonisches Ganzes ergeben, müssen wir noch sehen, aber es gibt einige lange Geraden, die in enge Kurven münden - das sollte Überholmöglichkeiten eröffnen", so der "Reifenflüsterer". Hamilton scheint das egal zu sein, solange er gewinnt: "Es ist eine neue Strecke, eine neue Herausforderung und eine neue Chance. Ich will auf jeden Fall der erste Grand-Prix-Sieger auf dem CoTA sein", zeigt er sich gewohnt selbstbewusst. Whitmarsh hingegen spricht von einem Business-Faktor, der Austin anhaftet: "Ich habe immer betont, wie wichtig die Präsenz der Formel 1 in den USA ist. Ich bin also persönlich zufrieden damit, dass wir nach langer Abstinenz zurückkehren", erklärt der Teamchef. "Der Bau einer zeitgemäßen, eigens für die Formel 1 konstruierten Strecke ist perfekt für die Formel 1. Es ist eine goldene Gelegenheit für den Sport, Wurzeln zu schlagen und eine dauerhafte Heimat zu finden." Der US-amerikanische Markt scheint trotz der wirtschaftlichen Krise nicht an Attraktivität verloren zu haben: "Aus geschäftlicher Perspektive sind wir zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Es ist eine unschätzbare Gelegenheit für Mclaren und seine Partner", unterstreicht Whitmarsh.

Whitmarsch: Hamilton bereut Wechsel zu Mercedes


McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh glaubt, dass Lewis Hamilton mit dem Wechsel zu Mercedes einen Fehler macht und diesen inzwischen auch bereut. Ausserdem rätselt er nach wie vor über die Beweggründe seines langjährigen Fahrers, da nach Einschätzung zahlreicher Experten aufgrund des stabilen Reglements 2013 noch keine gravierenden Verschiebungen im Kräfteverhältnis zu erwarten sind.

Whitmarsh gibt im Interview mit 'Formula1.com' zu, dass er den Schritt von Hamilton nach wie vor "nicht komplett verstehen" kann, aber vermutet, der 27-Jährige habe das Gefühl gehabt, "das Nest verlassen zu müssen". Hamilton wurde bereits 1998, im Alter von gerade mal 13 Jahren, vom damaligen McLaren-Teamchef Ron Dennis in ein Förderprogramm aufgenommen und stieg 2007 bei McLaren in die Formel 1 ein. 2008 holte er seinen bisher einzigen WM-Titel. Für ein anderes Formel-1-Team ist er nie gefahren. Die Entscheidung pro Mercedes fiel unmittelbar nach dem technisch bedingten Ausfall in Singapur, wo Hamilton potenziell 25 Punkte für den Sieg verlor und seine Titelchancen den vielleicht vorentscheidenden Dämpfer erhielten. Zwar hatte es bereits zuvor Gespräche mit Mercedes gegeben, doch erst in der Woche darauf erfolgte die tatsächliche Unterschrift. Whitmarsh vermutet, dass Hamilton in jenen Tagen auch aus dem Bauch raus gehandelt hat.

"Ich denke, es ist immer schlecht, so eine Entscheidung nach einem schlechten Rennen zu treffen", erklärt der McLaren-Teamchef. "Er war sich ziemlich sicher, dass er dieses Rennen gewinnen würde, und es war eine Enttäuschung, aber wie gesagt: Es ist nie gut, so eine Entscheidung in so einer Situation zu treffen. Ich respektiere seine Entscheidung, aber ich glaube, dass er bei uns besser dran wäre. Wir sind das stärkere Team - und wir nehmen uns vor, ihn nächstes Jahr zu schlagen!" Insofern kann sich Whitmarsh vorstellen, dass Hamilton seine Entscheidung schon "das eine oder andere Mal" bereut hat, er das aber nicht öffentlich eingestehen kann: "Er wird nicht sagen: 'Hey, sie haben mir mehr Geld geboten.' Er wird auch nicht sagen, dass er einen schrecklichen Fehler gemacht hat. Ich hoffe, dass er heute glaubt, dass er einen schrecklichen Fehler gemacht hat, und dass er das auch nächstes Jahr glauben wird. Er hat seine Entscheidung getroffen und jetzt muss er damit leben."

Am Finanziellen dürfte es jedenfalls nicht gescheitert sein. McLaren soll zwar anfangs versucht haben, Hamiltons Gehalt zu reduzieren, dann aber stark nachgebessert haben. "Wir haben Lewis ein Angebot gemacht - ein Angebot, das glaube ich mehr Geld beinhaltet hätte, als jeder andere Fahrer momentan bezahlt bekommt", verrät Whitmarsh. "Das lässt uns vermuten, dass unser Wettbewerber und Partner Mercedes-Benz ein bisschen mehr Geld angeboten hat."

Whitmarsh: Zweifel an den Qualitäten von Perez?


Wenn sich Lewis Hamilton zur kommenden Saison von McLaren verabschiedet und Michael Schumacher bei Mercedes beerbt, dann soll Sergio Perez die entstehende Lücke beim Team aus Woking füllen. Der junge Mexikaner überzeugte in seinen bisherigen Rennen für Sauber mehrfach, sodass er überhaupt auf dem Radar von McLaren erschien. Allerdings waren angeblich nicht nur sportliche, sondern auch kommerzielle Gründe für die Perez-Verpflichtung ausschlaggebend.

"In Sergio steckt etwas Besonderes. Ob es etwas ist, das ihn zu einem Champion macht, ist noch nicht klar" - mit diesen Worten war McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh von der britischen 'Daily Mail' zitiert worden. Im Faherlager am Samstag in Abu Dhabi wurde der Brite auf seine Worte angesprochen, denn die Aussagen wurden in der britischen Öffentlichkeit als Zweifel am Potenzial von Perez aufgenommen. Glaubt Whitmarsh nicht an einen zukünftigen Champion Perez? "Natürlich verpflichten wir nur Piloten, von denen wir überzeugt sind. Manchmal werden Aussagen wirklich falsch interpretiert", reagiert Whitmarsh gelassen. "Tatsache ist, dass Sergio 22 Jahre jung ist. Er ist jetzt genauso alt wie Lewis damals, als er bei uns anfing. Er hat zweifellos Talent, aber was daraus wird, weiss ich ganz ehrlich nicht. Wir hätten ihn nicht verpflichtet, wenn wir nicht der Überzeugung gewesen wären, dass er mit uns ein Level höher klettern kann. Bisher wissen wir aber nicht, ob es wirklich so kommt. Fest steht, dass er längst nicht so viel Erfahrung im Kampf um WM-Titel hat wie Lewis und Jenson", stellt der McLaren-Teamchef die Situation realistisch dar. "Es ist doch so: Wenn du zu McLaren kommst und dich nicht regelmässig für die ersten Startreihen qualifizierst, dann lastet ganz schnell enormer Druck auf dir. Unsere aktuellen Fahrer haben das in extremster Form schon miterlebt. Lewis und Jenson können mit diesem Druck leben, sich davon befreien und gute Arbeit abliefern."

"Es gibt einige Beispiele von Fahrern, die Talent mitbringen und solchem Druck standhalten können, aber es gibt eben auch Fahrer, die das nicht schaffen", sagt Whitmarsh. "Es wäre ziemlich unklug von mir, wenn ich behaupten würde, dass die Verpflichtung eines solch jungen Fahrers keinerlei Risiko mit sich bringt. Auf der anderen Seite hätten wir diese Verpflichtung nicht getätigt, wenn wir nicht das Potenzial sehen würden. Die Zeit wird es zeigen, in einem Jahr wissen wir schon mehr."

Generell möchte sich Whitmarsh derzeit noch nicht allzu intensiv mit der Fahrerpaarung 2013 beschäftigen. McLaren hat noch Ziele. Realistisch sind mindestens Rennsiege. "Wir haben zwei erstklassige Fahrer und ein konkurrenzfähiges Auto. Wir wollen Rennen gewinnen", sagt der Brite.

Hamilton hätte mehr Titel holen müssen


Am Ende der Saison wird Lewis Hamilton nach einer 14-jährigen Zusammenarbeit "Goodbye" sagen. Seit 2007 ist der Brite für das Traditionsteam in der Formel 1 unterwegs. Bereits in der Debütsaison hatte Hamilton das Zeug, Weltmeister zu werden, was er ein Jahr später schlussendlich schaffte. Doch nach dem ersten WM-Titel folgte eine Zeit voller Höhen und Tiefen - aber ohne weitere Titel.

Auf die Frage, ob Hamilton mehr Meisterschaften hätte gewinnen sollen, antwortet McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh ganz klar mit "Ja." Gegenüber der 'Daily Mail' ergänzt er: "Dafür tragen aber alle von uns die Schuld. Wir hatten eine ausserordentlich gute Bilanz und einige fantastische Rennen. Doch zusammen mit Lewis hätte das Team bessere Arbeit leisten können."

2013 wird Sergio Perez versuchen, die Fussstapfen seines Vorgängers auszufüllen. In der laufenden Saison bewies der Mexikaner bei einigen Rennen sein Tempo, machte aber andererseits auch viele Fehler. "Er hat etwas. Wir wissen aber nicht, ob das ausreicht, um Weltmeister zu werden. Ich denke, er kann es schaffen", erklärt Whitmarsh der 'Sportsmail'. "Doch das ist eine interessante Herausforderung." Es wird für Perez nicht einfach, mit dem Druck umzugehen. Vor allem die britischen Medien gehen mit den Fahrern in schwierigen Phasen nicht zimperlich um. "Seit 1966 hat McLaren mehr als 25 Prozent der Rennen gewonnen, an denen man teilgenommen hat. Das ist für einen McLaren-Piloten ein zusätzlicher Druck. Er wird denken, dass er sich das vorstellen kann, doch das kann er nicht", so Whitmarsh.

10.11.2012