Mercedes: Kein Nachholbedarf bei Mappings

Brawn wehrt sich gegen den Vorwurf,

bei den Mappings zu konservativ zu sein

Das Hockenheim-Wochenende wurde von der Debatte über die Motorenmappings von Red Bull überschattet. Doch die Sache erscheint so komplex, dass selbst Brancheninsider und Akteure grosse Mühe haben, den Überblick zu wahren. Das geht auch aus dem Verhalten der FIA hervor: Zunächst dürften die Mappings des Weltmeisterteams am Samstag abgenickt worden sein, am Sonntagvormittag ortete der Technische Delegierte Jo Bauer dann plötzlich einen Regelverstoss. Die Rennkommissare, die das letzte Wort hatten, hüteten sich aber schliesslich davor, Red Bull zu bestrafen - dem Team konnte kein Verstoss nachgewiesen werden.

"Ich weiss wirklich nicht, was sie genau gemacht haben", tappt auch Mercedes-Teamchef Ross Brawn nach wie vor im Dunkeln. "Die Situation war nicht einfach für die Rennkommissare, denn glasklar sind die Regeln eben nicht. Wenn du jemanden bestrafen willst, dann sollte es schon ein Schwarz-Weiss-Szenario sein. Diese Angelegenheit wird aber nie schwarz oder weiss sein."

"Reifenflüsternde" Red-Bull-Motorenmappings?

Laut der FIA fuhr Red Bull im mittleren Drehzahlbereich mit einem deutlich niedrigeren Drehmoment-Output als bisher in dieser Saison - dadurch soll das Durchdrehen der Hinterräder verhindert werden und der Diffusor angeblasen werden. Ein künstlich verringerter Drehmoment-Output ist zwar grundsätzlich verboten, doch laut Reglement dürfen die Mappings an das jeweilige Rennen angepasst werden - bis zu welchem Ausmass wurde bisher aber nicht genau festgelegt. Red Bull dürfte genau diese Unklarheit ausgenutzt haben, denn in diesem Punkt wurde das Reglement nun vor Ungarn konkretisiert und diese Grauzone damit geschlossen. "Der Verschleiss der Reifen hängt sehr eng mit der Kraftübertragung und dem Durchdrehen der Räder zusammen", kann Brawn der Theorie, dass Red Bull das Durchdrehen der Hinterräder verhindern wollte, einiges abgewinnen. "Das spielt eine grosse Rolle", erklärt er. "Nicht nur die Kurven gehen den Reifen an die Substanz, sondern auch das Bremsen und das Beschleunigen. Das ist eine sehr wichtige Geschichte. Bei Jenson gingen die Reifen fünf Runden vor Schluss in die Knie. Hätte er da noch etwas Gummi gehabt, das Ergebnis wäre womöglich anders gewesen."

Auch Mercedes forscht bei Motorenmappings

Brawn weiss, dass die Motorenmappings trotz der Reglementeinschränkungen immer noch ein Bereich sind, "im dem etwas zu holen ist. Weil die Motoren aber homologiert sind, können die Motorentechniker am technischen Grundgerüst der Aggregate aber nicht sehr viel verändern." Seit Saisonbeginn steht vor allem der Renault-Motor immer wieder im Mittelpunkt von Spekulationen, dass man sich über die Motorenmappings einen Vorteil herausholen möchte. Doch Brawn unterstreicht, dass auch Mercedes diesen Bereich nicht unterschätzt: "Auch unsere Jungs sind da sehr konkurrenzfähig und aktiv, was solche Dinge anbelangt. Ich denke nicht, dass wir da Nachholbedarf haben." Er betont aber, dass sich Mercedes innerhalb des Reglements bewegt: "Manche schlagen da gewissermassen über die Stränge, doch wir wollen uns eher innerhalb der definierten Grenzen bewegen. Die FIA kennt sämtliche Motoren, die dazugehörigen Daten und auch die Mappings. Und wenn sie wollen, können sie auch Fragen stellen. Sind sie mit etwas nicht zufrieden, können sie eine Änderung fordern."

Vielleicht ist unser Auto etwas schwieriger

Der Mercedes-Bolide stellt das Team vor enorme

Herausforderungen


Die Reifen sorgen dieses Jahr bei allen Teams für rauchende Köpfe. Doch bei Mercedes ist die Lage noch etwas kritischer, schliesslich hatten die Silberpfeile schon im Vorjahr massive Reifenprobleme - zu Saisonbeginn bauten die Gummis im Rennen schon nach wenigen Runden massiv ab. Nach einigen Rennen bekam man die Probleme aber zusehends in den Griff, und in China gelang Nico Rosberg sogar der erste Sieg für das Mercedes-Team.

Doch Schanghai war im Nachhinein betrachtet eine Eintagsfliege - bei keinem anderen Saisonrennen harmonierte das Dreieck aus den Pirelli-Pneus, dem Mercedes-Boliden und den Streckenbedingungen so gut wie in China. Teamchef Ross Brawn gibt zu: "Ich denke, wir sind beim Reifenhaushalt noch nicht ganz auf der Höhe." Man habe sich zwar deutlich gesteigert, "wenn wir uns aber am Limit bewegen, spielen wir noch nicht ganz vorn mit. In dieser grenzwertigen Situation zählen wir vielleicht nicht zu den Besten."

Wenige Zehntel machen den Unterschied

Er relativiert aber, dass selbst bei den Topteams am Ende des Stints die Reifen in die Knie gehen: "Da sitzen eh alle im selben Boot." Das gilt auch für die enorme Leistungsdichte, die den Wettkampf in der Formel 1 in dieser Saison noch härter macht. "In diesem Jahr scheint sich die Hackordnung bei jedem Rennen zu verändern", fällt Brawn auf. "In Hockenheim kamen wir 29 Sekunden hinter dem Sieger über die Linie. Das sind drei bis vier Zehntel pro Runde. Doch dazwischen lagen viele Autos. In früheren Jahren wäre das anders gewesen." Aus diesem Grund machen sich diese Saison aber auch kleine Verbesserungen stärker bemerkbar - dennoch ist das Wettrüsten dadurch nicht anspruchsloser: "Drei bis vier Zehntel würden ein großes Update bedeuten, doch das ist machbar. Es ist aber auch ein bewegliches Ziel, weil die Konkurrenz ja ebenfalls nicht stillsteht."

Brawn: Longruns als Problemzone

Dazu kommt die Tatsache, dass Mercedes neben dem Auto für die kommende Saison bereits am Projekt für 2014 arbeitet, schliesslich müssen die Teams mit einem radikal neuen Reglement zurechtkommen. Das aktuelle Auto wird aber ebenfalls weiter überarbeitet - die gewonnenen Erkenntnisse sind auch für 2013 sehr wertvoll, das Reglement bleibt nämlich stabil. Doch welche Erkenntnisse macht Mercedes? "Wir hatten nun schon ein paar Grands Prix, in denen unsere zweite Rennhälfte deutlich besser war als die erste Phase des Rennens", fällt dem Teamchef auf. "Uns geht es darum, die Konstanz und die Ausdauer des Autos auf einem Longrun zu verbessern."

Mercedes erlebt weitere Schwächeperiode

Rosberg ist mit der bisherigen Entwicklung jedenfalls "zufrieden, denn wir haben uns im Vergleich zum vergangenen Jahr gesteigert. Das war unser Ziel. Anfangs war es ganz schlecht, dann kam eine gute Phase - es war einfach ein Auf und Ab. So ist es halt. Jetzt haben wir eben wieder eine etwas schwierigere Phase. Da müssen wir wieder rauskommen." Das ist aber laut dem Wiesbadener nur eine Frage der Zeit - an mangelnden Updates liegt es seiner Meinung nach nicht: "Manche Teams hatten bei den vergangenen Rennen größere Updates am Start. Wir nicht. Dann machen die anderen natürlich einen Schritt nach vorn. Jetzt müssen wir unseren Schritt machen. Der wird auch bald kommen."

Bolide macht es dem Team nicht leicht

Teamkollege Michael Schumacher bläst ins gleiche Horn: "Manchmal reichen schon Kleinigkeiten, damit es dir gelingt, deutlich mehr aus dem Fahrzeug herauszuholen. Kleine Dinge können einen großen Unterschied ausmachen. Bis vor Valencia, in Schanghai und Monaco, waren wir richtig gut bei der Musik dabei. Dann ging es etwas zurück. Wir arbeiten daran, das umzukehren."

Der Rekordweltmeister gibt aber zu, dass der F1 W03 es dem Team nicht immer leicht macht, große Sprünge zu machen: "Mit jedem Training verstehen wir das Auto ein bisschen besser. Vielleicht ist unser Fahrzeug ein bisschen schwieriger, um die Leistung aus ihm herauszuholen. Möglicherweise müssen wir uns etwas mehr ins Zeug legen als andere, um das zu schaffen."

Rosberg will in die Top 5

Nico Rosberg würde die Ziellinie in Ungarn gern

in den Top 5 überqueren


Nach einer zuletzt recht überschaubaren Punkteausbeute hat sich das Mercedes-Team für das letzte Rennen vor der Formel-1-Sommerpause noch einmal eine Steigerung vorgenommen. Vor allem Nico Rosberg möchte in Ungarn an seine Form aus den ersten Grands Prix des Jahres anknüpfen und wieder vorn mitspielen. Michael Schumacher hat hingegen vor, sein derzeitiges Niveau zu halten.

Der deutsche Routinier hatte sich sowohl in Silverstone als auch in Hockenheim - auf nasser Piste - weit vorn qualifiziert, war im Rennen aber jeweils auf den siebten Platz abgerutscht. In Budapest soll nun etwas mehr herausspringen: "Wir wollen unser Auto noch besser zum Arbeiten bringen", kündigt Schumacher an. "Ich denke, wir haben ein paar gute Ideen, wie wir uns hier steigern können." Grundsätzlich gehe es für Mercedes wie bei jedem Rennen darum, das Maximum herauszuholen, doch dies sei angesichts der Reifenumstände schwierig zu bewerkstelligen, meint Schumacher. "Du kannst halt nicht nur Vollgas geben", erklärt er. 1998 war das noch möglich. Doch das ist schon so lange her, dass sich Schumacher kaum mehr an das Jahr seines Strategie-Coups erinnern kann.

Sein damaliger Technischer Direktor bei Ferrari, Ross Brawn, tüftelte eine gewagte Dreistopp-Taktik aus, um McLaren am Hungaroring zu schlagen. "Ross sagte mir während des Rennens: 'Wir brauchen jetzt ein paar Qualifikationsrunden.' Dann tust du es einfach und kümmerst dich nicht um die Reifen. Deine einzige Chance ist, möglichst viel Druck zu machen. Du kannst nur hoffen, dass es klappt. Damals hat es funktioniert", meint Schumacher - er siegte. 2012 ist ein solcher Sprint mit den Pirelli-Reifen vermutlich nicht drin. Die Strategie muss also eine andere sein. "Wir werden sehen", erklärt Schumacher vor dem elften Saisonrennen. "Ich habe jetzt noch kein ausreichendes Gefühl, um das Ergebnis dieses Wochenendes vorherzusagen. Wir sehen ja: Es geht sehr eng zu im Starterfeld. Alles Weitere müssen wir erst noch herausfinden", meint Schumacher. Teamkollege Rosberg zeigt sich da schon etwas auskunftsfreudiger: "Ich bin zuversichtlich", sagt der Mercedes-Pilot und merkt an: "Ich erwarte ein normales Qualifying, bei dem ich recht weit vorn dabei sein kann. Top 5 vielleicht. Von da an rechne ich auch mit einem guten Rennen. Es ist aber wirklich schwierig zu sagen."

"Ich bin trotzdem optimistisch", meint Rosberg. Ob es für ganz vorn reicht? "Das weiss ich nicht", sagt der Deutsche. "Das kann man in diesem Jahr nicht sagen. Das liegt an der Komplexität der Reifen und an den Bedingungen. Es kommt darauf an, in welches Temperaturfenster du deine Reifen mit dem Auto hinbringst und wie sie sich dann verhalten. Das ist die Schwierigkeit", erklärt Rosberg.

27.7.2012