Bei Regen wird GP von Ungarn richtig problematisch

Michael Schumacher machte schon erste Erfahrungen

mit der nassen Piste in Ungarn

Ungarn galt stets als klassisches Schönwetterrennen. Doch seit einigen Jahren hat der Grand Prix in der Puszta diesen Ruf nicht mehr verdient. Alles fing 2006 mit dem völlig verregneten Chaosrennen an, das neben vielen Kollisionen mit Jenson Button auch einen Überraschungssieger brachte. Auch im Vorjahr machte Wettergott Petrus das Rennen zu einer Nervenschlacht - immer wieder setzte leichter Regen ein, und einmal mehr siegte Button.

Dieses Jahr könnte sich dieses Szenario wiederholen: Der erste Trainingstag gab zumindest einen ersten Vorgeschmack darauf, als es teilweise stark regnete, andere Streckenteile aber trocken blieben. Michael Schumacher flog bei diesen schwierigen Bedingungen sogar von der Strecke und musste aussteigen.

Glock kritisiert Regenreifen

Timo Glock wundert es nicht, dass der Rekordweltmeister Probleme bekam - auch er hatte laut eigenen Angaben alle Mühe, seinen Marussia auf der Strecke zu halten: "Man hat gesehen, dass es viel Aquaplaning gibt. Ich war einer der wenigen, die noch draussen geblieben sind. Es war schwierig in Kurve elf, weil dort Wasser über die Strecke lief und die Reifen, in meinen Augen, extrem schlecht in Sachen Wasserverdrängung sind." Der deutsche Routinier erläutert seine Kritik an den Reifen: "Selbst neben der Strecke, in der Auslaufzone, habe ich keinen Grip aufgebaut, was mich gewundert hat. Obwohl ich nicht richtig schnell war, bin ich in Richtung Reifenstapel gerutscht, und irgendwann ist das Auto wieder um die Kurve gefahren. Die Reifen verhalten sich sehr, sehr seltsam, was Aquaplaning angeht. Das hat man bei Michael gesehen, der hat eher beschleunigt als abgebremst." Glock schliesst aber nicht aus, dass diese Phänomen auch mit der Streckenoberfläche zu tun haben könnte: "Es ist die Frage, ob das hier auch am Asphalt liegen könnte, der in ein paar Kurven neu verlegt wurde."

Keine Erkenntnisse bei Nässe

Andere Piloten machten ähnliche Erfahrungen - zum Beispiel Button, der den Hungaroring bei Nässe gut kennt und lieben gelernt hat. "Ich bin eine Runde auf Intermediates gefahren", schildert er seine Erfahrungen. "Es war ziemlich nass, auf der Strecke gab es Bäche. Mit diesen Reifen lohnt sich das Herausfahren kaum. Obwohl die Hälfte der Strecke trocken war und die Hälfte unter Wasser stand. So habe ich mir die Reifen auf einer halben Runde zerstört und hatte dann keine Reifen mehr, als ich ins Nasse kam." Teamkollege Lewis Hamilton machte diesen Fehler nicht und blieb stattdessen an der Box: Seiner Meinung nach wären einige Runden im Nassen "Zeitverschwendung" gewesen: "Vor Kurve eins war es ja noch fast trocken, dann wurde es nass, dann wieder trocken, dann wieder nass und wieder trocken. Da kannst du nicht viel lernen. Bei komplett feuchten Bedingungen hätte man schauen können, wie man die Intermediates und die Regenreifen auf Temperatur bringt. So hatten wir aber keine Chance dazu."

Fahrer hoffen nicht auf Regenrennen

Dabei hatte gerade McLaren auf trockene Bedingungen gehofft, denn die Truppe aus Woking brachte zuletzt viele neue Teile, die man aufgrund des wechselhaften Wetters und des Testverbot im Training kaum evaluieren konnte. "Wir hatten diese Saison eine bemerkenswerte Regenserie in den Freien Trainings", fällt Teamchef Martin Whitmarsh auf. "Es wäre schön, wenn es stabil und trocken wäre, damit die Ingenieure besser arbeiten können. Das ist aber für alle gleich, und alle versuchen in unterschiedlichem Ausmaß, ihr Auto zu entwickeln."

Doch was passiert, wenn der Himmel am Sonntag seine Schleusen öffnet und es zu den angekündigten Regenschauern kommt? "Dann wird es schwer", glaubt Glock. "Selbst mit den Vollregenreifen ist es schwierig, wie man bei den letzten Rennen gesehen hat. Da gibt es in meinen Augen Verbesserungsbedarf." Landsmann Nico Hülkenberg schlägt in die gleiche Kerbe: "Wenn es da richtig regnet, wird es selbst mit Vollregenreifen richtig problematisch." Er schliesst sogar einen Rennabbruch nicht aus.

Pirelli erwartet Rennen "mit ungewissem Ausgang"

Paul Hembery ist selbst gespannt, wie das Rennen

ausgeht...


Für dieses Rennwochenende hat Pirelli die mittelharten P Zero White und die weichen P Zero Yellow nominiert. Weil der Reifenhersteller darauf verzichtete, in Ungarn Reifenmischungen für die kommende Saison testen zu lassen, stand den Teams das übliche Kontingent von elf Reifensätzen zur Verfügung.

Es besteht aus sechs Sätzen Slicks der härteren Mischung sowie aus fünf Sätzen mit der weicheren Mixtur. Sie können ab Freitag jederzeit eingesetzt werden. Weil es während des Trainings am Nachmittag zu regnen begann, durfte jeder Fahrer einen Satz Intermediates nutzen, den er nach dem Training zurückgeben musste.

Als das zweite freie Training begann, betrug die Außentemperatur 29 Grad Celsius, während auf der Strecke 45 Grad gemessen wurden. Die Fahrer nutzten die Gelegenheit, die Performance und den Leistungsabbau beider Mischungen bei unterschiedlichen Tankfüllungen zu testen. Diese Informationen sind für das Entwickeln der Rennstrategie massgeblich. Dabei die richtige Entscheidung zu treffen, ist in Ungarn noch wichtiger als sonst, denn auf dem schmalen, engen Kurs ist das Überholen sehr schwer. Weil die Strecke über das Jahr wenig genutzt wird und zudem der letzte Streckenabschnitt neu asphaltiert wurde, veränderte sich die Fahrbahnoberfläche im Laufe des Tages beträchtlich, je mehr Reifengummi sich darauf ablagerte. Zudem beeinflussten die wechselhaften Bedingungen und der Regen die Temperatur auf der Strecke, die sich zum Ende der zweiten Trainings-Session abkühlte. Doch trotz widriger Witterungsverhältnisse gab es viel Aktion auf der Piste, und sämtliche Mischungen wurden eingesetzt.

Alle Fahrer begannen die zweite Einheit des freien Trainings mit den Medium-Reifen. Lotus Pilot Romain Grosjean wechselte als erster auf die weichen Slicks. Schnell folgten die anderer Fahrer seinem Beispiel, denn vor dem angekündigten Regen wollten sie unbedingt noch einige Erfahrungen mit dem P Zero Yellow sammeln. Bevor der Regen einsetzte, hatte Fernando Alonso von Ferrari auf den weichen Slicks die bis dahin schnellste Zeit vorgelegt. Danach gelang McLaren Fahrer Lewis Hamilton mit 1:21.995 Minuten die Tagesbestzeit, nachdem zwischenzeitlich Kimi Räikkönen (Lotus) am Schnellsten unterwegs gewesen war.

Bereits beim ersten freien Training am Morgen war Hamilton mit 1:22.821 Minuten auf den P Zero White die schnellste Runde gefahren, gefolgt von seinem Teamkollegen Jenson Button. Insgesamt absolvierte Hamilton am Vormittag 30 Runden und war damit länger als jeder andere Fahrer auf der Strecke. Sämtliche Piloten nutzen während der ersten Trainingseinheit den Mediumreifen.

Pirellis Motorsport Direktor Paul Hembery kommentiert: "Obwohl wir für Ungarn die gleichen Reifen nominiert haben wie für den Grossen Preis von Deutschland, sind die Bedingungen völlig unterschiedlich. Das unterstreicht die Eigenschaft unserer Reifen, für ein weites Spektrum von Wetter- und Streckenbedingungen einsetzbar zu sein. Auf Grund des Streckendesigns des Hungarorings ist Fahrpräzision der Schlüssel, um flüssig durch das Kurvengeflecht zu kommen. Natürlich ist dabei besonders der Grip der Vorderreifen entscheidend. Die Teams können die Lenkpräzision verbessern, wenn sie am Setup arbeiten, aber das kann den Reifenverschleiß erhöhen. Daher ging es auch heute in erster Linie darum, den besten Kompromiss beim Setup zu finden. Dies geschah unter schwierigen Bedingungen. Erneut hat es während des Trainings geregnet. Aber bei einer 50-prozentigen Regenwahrscheinlichkeit für das Rennen am Sonntag war dies eine gute Gelegenheit, nicht nur etwas darüber zu erfahren, wie sich das Fahrzeug unter diesen Bedingungen verhält. Wir sahen auch, dass auf der Strecke einige Passagen deutlich schlechter abtrockneten als andere."

"Auf Grund des Regens konnten die Teams mit den weichen Reifen keine langen Stints mit vollem Tank fahren. Weil das ihre strategischen Vorbereitungen auf das Rennen beeinflusst, wird dieser Aspekt daher morgen bei der letzten Trainings-Session im Vordergrund stehen. Wenn es trocken bleibt, erwarten wir zwischen der weichen und der mittelharten Mischung einen Zeitunterschied von etwa 0,8 Sekunden pro Runde. Aber angesichts so zahlreicher Unwägbarkeiten steht uns ein weiteres Rennen mit ungewissem Ausgang bevor. Es wird viel davon abhängen, ob wir morgen ein trockenes Qualifying erleben."

28.7.2012