Maldonado: ein Glücksfall für Williams

Geschafft:

Pastor Maldonado feierte im erst 24. Grand Prix seinen ersten Sieg

Die Formel 1 schreibt derzeit verrückte Geschichten. Nach fünf Rennen der Saison 2012 gibt es bereits fünf verschiedene Sieger aus fünf verschiedenen Teams. Das Feld ist bunt durchmischt, ein regelrecht graues Mittelfeld scheint es in diesem Jahr überhaupt nicht zu geben. In der Königsklasse freut man sich über Sensationen. Den Sieg von Williams-Pilot Pastor Maldonado am Sonntag in Barcelona darf man durchaus als solche bezeichnen - oder vielleicht doch nicht?

Maldonado liess Familie, Fans und Teammitglieder jubeln und Kritiker verstummen. "Da muss ich eigentlich sehr lachen. Vor zwei Jahren hat man mich immer wieder gefragt, was ich davon halte, dass sich angeblich nicht so gute Paydriver ein Cockpit quasi erkaufen. Ich habe damals nur geschmunzelt", sagt Nico Rosberg auf 'RTL'. "Ich kenne den Maldonado, der ist ein guter Fahrer. Der Perez genauso. Das finde ich gut."

Aufgrund der umfassenden finanziellen Unterstützung aus seiner Heimat Venezuela hatte Maldonado schnell den Ruf als Paydriver weg. Was viele dabei vergessen haben: Der 27-Jährige hat 2010 die GP2 gewonnen. "Pastor hat Erfahrung. Der hat in der GP2 viele Rennen gewonnen", meint Maldonados Renningenieur Xevi Pujolar. Im Team hat niemand an dem Mann Zweifel, der den Deutschen Nico Hülkenberg zu Beginn der Saison 2011 ersetzte.

"Das war gute Arbeit und ist grossartig für sie, auf einer so anspruchsvollen Strecke zu gewinnen", sagt Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug. Das gesamte Fahrerlager teilte die Williams-Freude (zumindest bis zum Feuer in der Box) und gratulierte. "Ein fantastisches Ergebnis, und dies ist auch für ihn persönlich ein grossartiger Tag", so beispielsweise Lewis Hamilton. Felipe Massa erklärt: "Der Geschmack des ersten Formel-1-Sieges ist etwas Unglaubliches, und ich kann nachvollziehen, wie er sich im Moment fühlt."

"Ich freue mich sehr für Venezuela, und natürlich auch für Williams. Sie haben klasse Arbeit geleistet, indem sie mir ein grossartiges Auto hingestellt haben. Wir werden immer besser, von Rennen zu Rennen", so die halbwegs nüchterne Aussage des neuen Nationalhelden des südamerikanischen Landes. Maldonado und sein Team nahmen den grossartigen Erfolg gelassen hin, von Ausflippen keine Spur. Ganz cool hatte er gegen Alonso verteidigt, ganz cool die Feierlichkeiten mitgenommen. "Als er führte und führte und führte sagten wir ihm über Funk, nicht darüber nachzudenken, was die Leute nach dem Sieg sagen könnten, wie hoch das Preisgeld sein könnte, sondern stattdessen früher zu bremsen, auf die Reifen und nur sich selbst zu achten und es konzentriert nach Hause zu fahren", sagt Teamchef Frank Williams, der am Samstag seinen 70. Geburtstag gefeiert hatte und am Sonntag reich beschenkt wurde. Nach langen acht Jahren endlich wieder ein Williams-Sieg.

Maldonado selbst musste längst nicht so lange warten. Ihm gelang bereits im 24. Formel-1-Rennen der erste Sieg. Zum Vergleich: Nico Rosberg hatte weit über 100 Rennen absolviert, bevor es in China endlich mit dem Erfolg klappte. "Sie waren schneller als wir und verdienen deshalb den Sieg", stellt Fernando Alonso anerkennend fest. Der Spanier bringt in aller Kürze auf den Punkt, was alle im Fahrerlager denken. Der Williams-Erfolg war unter den aktuellen Bedingungen in der Formel 1 eher logisch als sensationell. Dass es Maldonado mal nach ganz oben schaffen könnte, war einem langjährigen Formel-1-Teamchef schon lange klar. Kurz nach der Siegeszeremonie in Barcelona meldete sich Giancarlo Minardi zu Wort. "Ich freue mich für Pastor. Endlich ist er dort angekommen, wo ich ihn immer vermutet habe", so der Italiener. Minardi hatte dem Venezolaner 2005 einen ersten Test ermöglicht. "Schade, damals schnappten mir einige Manager mit mehr Geld dieses Talent weg", sagt der Ex-Teamchef. "Aber es ist toll, wenn man mit einem solchen Talent zusammenarbeiten durfte."

Williams nach erstem Sieg seit 2004 sprachlos


Das Williams-Team durfte in Barcelona über den ersten Formel-1-Sieg seit Brasilien 2004 jubeln. Pastor Maldonado münzte dabei seine Pole-Position in einen Sieg um und konnte gegen Rennende seine Führung souverän gegen Fernando Alonso behaupten. Es war der erste Sieg für einen Venezuelaner überhaupt.

"Es ist ein unglaubliches Gefühl, mein erstes Rennen gewonnen zu haben", jubelt Maldonado nach dem Spanien-Grand-Prix. "Das Auto war konstant, es war fantastisch zu fahren und wir waren die ganze Zeit über schnell. Alonso hat sehr viel Druck auf mich ausgeübt, doch wir achteten gut auf unsere Reifen und ich konnte gegen Ende des Rennens den Vorsprung noch vergrössern. Das Team hat das ganze Jahr über so hart gearbeitet und ich möchte diesen Sieg ihnen widmen. Erster Venezuelaner zu sein, der einen Grand Prix gewinnt, ist eine große Ehre für mich und hoffentlich werde ich in der Zukunft noch weitere Rennen gewinnen."

Für Teamkollege Bruno Senna war das heutige Rennen eine Katastrophe. Der Brasilianer wurde am Ende der langen Start/Zielgeraden vom heranrauschenden Michael Schumacher abgeschossen und musste seinen Williams anschliessend abstellen. "Das war insgesamt ein enttäuschendes Wochenende für mich", blickt Senna zurück. "Zu Beginn des Rennens war es schwierig zu überholen. Dann kam Schumacher mit viel Überschuss durch DRS die Gerade hinunter und knallte mir ins Heck. Diese Wochenenden mit viel Pech gibt es manchmal. Doch andererseits hat unser Auto heute durch Pastors Sieg eine tolle Leistung gezeigt. Es freut mich wirklich für ihn. Das gibt dem Team einen großen Motivationsschub fürs kommende Rennen."

Chefingenieur Mark Gillan fehlen nach dem Rennen fast die Worte: "Was soll ich sagen? Ein grossartiges Ergebnis fürs Team und ein tolles Rennen von Pastor. Das ganze Rennen lief von Anfang bis Ende gut, jedes Teammitglied hat einen entscheidenden Beitrag zu diesem Sieg beigesteuert. Wir werden uns nun ein bisschen Zeit gönnen, um den Sieg zu genießen und uns dann wieder auf unsere Arbeit konzentrieren um uns für den Rest der Saison weiter zu verbessern. Natürlich war es enttäuschend, dass Bruno durch Michael aus dem Rennen befördert wurde, doch er freut sich bereits darauf, in Monaco wieder ins Auto zu steigen."

Laurent Debout von Motorenpartner Renault gratulierte dem gesamten Team: "Ich kann Pastor und dem gesamten Williams-Team nur gratulieren. Pastor fuhr ein fantastisches Rennen und feierte seinen ersten Formel-1-Sieg, den er sich verdient hat. Wir sind sehr stolz darauf, dem Team dabei geholfen zu haben, den ersten Grand-Prix-Sieg seit 2004 und den ersten Sieg der Kombination Williams-Renault seit 1997 zu erzielen. Was für ein tolles Gefühl, nach dem Speed und der Leistung bei den bisherigen Saisonrennen diesen Sieg zu erzielen."

Wurz zufrieden


Eigentlich galt Pastor Maldonado immer als Heisssporn, doch wie er gestern beim Grand Prix von Spanien den Sieg nach Hause fuhr, mit Lokalmatador Fernando Alonso im Rückspiegel, das war für den noch relativ Formel-1-unerfahrenen Venezolaner eine ungewöhnlich coole Vorstellung. Die Freude darüber war wohl bei Williams-Fahrermentor Alexander Wurz am grössten.

Denn nach Maldonados Malheur beim Saisonauftakt in Australien, wo er sich auf der Jagd nach Alonso in der letzten Runde in die Mauer verabschiedete, behielt der 27-jährige gestern die Nerven. Das war unter anderem auch dem Lernprozess nach Melbourne zu verdanken, angeregt von Wurz, dessen Aufgabe es ist, den jungen Fahrern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Aber der Weg zum Sieg begann in Barcelona schon lange vor dem Rennen: "Der entscheidende Moment war das Qualifying", so Wurz im 'ORF'. Es habe dann aber gestern noch mindestens eine zweite entscheidende Situation gegeben: "Der sehr aggressive, aber fantastische Call der Williams-Boxenmannschaft, ihn in Runde 24 zum zweiten Stopp reinzuholen", lobt der ehemalige Formel-1-Pilot. "Wenn du zuerst reinkommst, lässt du ein bisschen die Hose runter, weil dir zum Schluss der Reifen ausgehen kann. Das ist die Gefahr. In dieser Situation hätte man bis auf den vierten Platz zurückfallen können, denn man wusste nicht, wie die anderen stehen."
Aber Maldonado setzte die Anweisungen vom Kommandostand perfekt um und dosierte sein Tempo genau im richtigen Ausmass. "Das war eine sehr aggressive Strategie, die Pastor sofort unter Druck gesetzt hat. Denn er musste dann den Reifen ausquetschen, aber rechtzeitig auch wieder damit haushalten", schildert Wurz die Problematik. "Das konnte er nur, weil er heute rational gefahren ist und nicht emotional. Das ist die schöne Nachricht des Tages, dass er das hundertprozentig super umgesetzt hat."

Stolz ist der Österreicher auch auf die gesamte Teamleistung: "Das war ein schönes Beispiel für das, wofür Williams steht, nämlich prozessorientiertes Denken", freut er sich. "Es hat nur eines gegeben: die Daten eingeben und nüchtern bleiben. Es hat heute überall so schön funktioniert. Die wichtigste Lektion des Tages für die ganze Mannschaft ist: Wenn wir im Kopf cool bleiben, die Hausaufgaben gut machen, dann gibt es nie schwierige Entscheidungen zu treffen, weil sie sich alle logisch anbieten. Das war heute so."

Williams: Ein österreichischer Sieg


Mit 114 Siegen ist Williams hinter Ferrari (216) und McLaren (176) das dritterfolgreichste Team der Formel-1-Geschichte. Der 1977 gegründete Rennstall von Frank Williams und Patrick Head sitzt im britischen Grove, doch hinter den Kulissen ziehen seit kurzer Zeit drei Österreicher die Fäden: Grossaktionär Toto Wolff, der 15,6 Prozent der Anteile kontrolliert, Fahrermentor Alexander Wurz und - was viele nicht wissen - Christian Klien.

Letzterer sitzt an den Rennwochenenden in Grove im Simulator und wertet dort die jüngsten Erkenntnisse aus, die vor Ort an der Strecke gesammelt werden. "Das ist mittlerweile Industriestandard, ganz normal", relativiert Wurz im 'ORF', und Wolff schmunzelt: "Wir haben uns gedacht, wir schnappen uns gleich alle Österreicher, die irgendwie einmal mit der Formel 1 zu tun gehabt haben. Einer redet mit den Fahrern, der andere fährt im Simulator - und ich versuche, schlau daherzureden..."

Nachfolger von Frank Williams?

Eigentlich konnte sich Wolff nie vorstellen, bei Williams eine operative Funktion zu übernehmen, doch von Frank Williams wurde er an diesem Wochenende erstmals als "Ersatz-Teamchef" bezeichnet. Fakt ist: Williams selbst ist aus dem Vorstand ausgeschieden und zieht sich mehr und mehr aus dem Tagesgeschäft zurück, überlässt seine Agenden verstärkt seiner Tochter Claire. Die hat bei Formel-1-Boss Bernie Ecclestone ein ebenso gutes Standing wie Wolff - ganz im Gegensatz zum früheren Vorstandsvorsitzenden Adam Parr, der nicht mehr an Bord ist.

Nach dem Sieg von Pastor Maldonado beim Grand Prix von Spanien in Barcelona ist für die österreichische Williams-Connection erst einmal Feiern angesagt: "Du musst die Siege feiern, wie sie fallen", lacht Wurz. "Eines ist klar: Morgen gibt's Kopfweh und Toto braucht ein Aspirin!" Der wirkte eigentlich recht gefasst, aber: "Heute Abend geben wir uns der Euphorie hin, morgen Früh geht's zurück an die Arbeit", gibt Wolff zu und ergänzt augenzwinkernd: "Wir haben jetzt einmal unsere Flüge verschoben."
Frage: Wie viel österreichisches Gehirnschmalz steckte in Barcelona hinter der siegreichen Williams-Strategie? "Das österreichische Gehirnschmalz", sagt Wolff und deutet vor laufender 'ORF'-Kamera auf Wurz, "hat definitiv Einfluss auf die ganze Geschichte - sogar relativ starken." Teilweise gibt TV-Experte Wurz sogar aus der Kommentatorenkabine via SMS Input. Aber: "Am Ende des Tages werden die Strategien vorne an der Boxenmauer gemacht, je nach Rennsituation. Heute hat der zuständige Ingenieur einfach die richtigen Entscheidungen getroffen."

Kein Vergleich mit Mateschitz und Red Bull

Neben Dietrich Mateschitz ist Wolff momentan der einzige österreichische Teameigentümer, als Konkurrenten sieht er den "Oberbullen" aber "gar nicht. Der Unterschied sind einige Milliarden - und dass ich leider Red Bull nicht erfunden habe. Das ist jemand, zu dem man aufschauen kann und der ein Vorbild ist. Ich glaube, wir sollten uns nach einem Williams-Sieg noch nicht mit dem Red-Bull-Formel-1-Team und auch nicht mit Herrn Mateschitz und Red Bull vergleichen. Das ist ein weiter und steiniger Weg. Vielleicht lachen wir in 20 Jahren darüber. Chapeau vor dem Mann!"
Der 40-jährige Österreicher lebt mit seiner Ehefrau, der DTM-Fahrerin Susie Wolff (geborene Stoddart), am Bodensee. Williams schätzt ihn als hochintelligenten und eloquenten Geschäftsmann mit einem Sinn für Racing, schliesslich ist Wolff früher selbst Rennen gefahren - legendär sein Versuch, den Streckenrekord auf der Nürburgring-Nordschleife zu brechen, was mit einem schweren Unfall endete. Emotionen kann er normalerweise gut zurückhalten, heute stand ihm die Freude aber ins Gesicht geschrieben.

Grosse Freude auch für Frank Williams

"Wenn du weisst, wie es sich ganz unten anfühlt - und das meine ich ganz ehrlich und ist nicht nur so dahingesagt -, kannst du vielleicht auch mehr Freude empfinden, wenn es hinauf geht. Das klingt alles abgebrüht, ist es aber nicht", so Wolff. "Ich freue mich rasend, dass Frank das miterleben kann, dass das Team so einen Aufschwung genießt. Wahnsinn! Und nicht zuletzt auch wegen dem jungen Mann hier", deutet er neuerlich auf Wurz, dessen ungewöhnliche Installation als Fahrermentor auch eine von ihm getragene Idee war. "Ich glaube nicht an Wunder im Leben, aber das heute war vielleicht ein kleines, wenn auch ein wohlverdientes", gibt Wolff zu Protokoll. Dass das Wochenende so enden würde, hätte er aber bei der Ankunft in Barcelona nie und nimmer zu erwarten gewagt: "Von einem Sieg hätten wir realistischerweise nicht einmal träumen können - noch nicht einmal gestern. Unser Ziel war, ruhig zu bleiben und solide Punkte zu holen. Das war heute Morgen auch Pastors Ziel. Er war nicht wie verrückt auf den Sieg aus."

Einen Sieg mitzuverfolgen, war für ihn "eine sicherlich neue, gute Erfahrung - von Ungläubigkeit bis Nervosität. Am Ende hoffst du, am Funk nichts zu hören, was etwas Negatives andeutet. Einfach eine sensationelle Leistung von allen Beteiligten", so Wolff. Mit dem Sieg habe er bis zum Schluss "nie" spekuliert, "denn im Motorsport kann dir in der letzten Runde der Reifen platzen oder irgendein anderes Teil kaputt gehen. Freude, bevor die Zieldurchfahrt passiert ist, sollte man generell unterlassen."

Feuer bei Williams


Riesenschock für das Williams-Team: Kurz nach dem Sieg von Pastor Maldonado beim Grand Prix von Spanien - die Siegesfeiern in Barcelona waren bereits in vollem Gange - brach in der Box des Rennstalls ein besorgniserregendes Feuer aus.

Unbestätigten Berichten zufolge soll es eine Explosion gegeben haben, möglicherweise ausgehend von einer der KERS-Batterien. Offenbar entzündete sich ein Funke an den Gasen im Tankschlauch, nachdem das Auto von Bruno Senna abgetankt wurde. Schon wenig später war die Box völlig vergequalmt und es mussten Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge eingreifen. Ein Mechaniker des benachbarten Force-India-Teams wurde dabei verletzt: "Danke für eure Wünsche für das Teammitglied, das tapfer gegen die Flammen gekämpft hat", twittert der indische Rennstall. "Er wird gerade im Medical-Center untersucht."
Es mussten auch vier Williams- und vier Caterham-Mechaniker mit leichten Rauchgasvergiftungen ins Medical-Center gebracht werden. "Ein paar unserer Jungs wurden verletzt - Verbrennungen und vielleicht ein gebrochenes Handgelenk", twittert Caterham-Pilot Heikki Kovalainen. "Über die Williams-Jungs weiss ich nicht Bescheid. Hoffentlich geht es ihnen gut." Die Williams-Mechaniker, die von den benachbarten Teams unterstützt wurden, versuchten einerseits, das Feuer zu löschen, und waren gleichzeitig damit beschäftigt, möglichst viel Equipment ins Freie zu tragen und zu retten.
Ernsthafte Verletzungen dürfte ersten Informationen zufolge niemand davongetragen haben. In der Williams-Box entstand durch das Feuer aber erheblicher Sachschaden, bei dem wohl das Senna-Auto stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Das Siegerauto von Pastor Maldonado befand sich noch im Parc ferme.

Maldonado: "Alles unter Kontrolle"


Selbst nach dem zweiten Platz im Qualifying hatten die meisten Beobachter andere Namen auf dem Zettel, doch Pastor Maldonado (Williams) erwies sich beim Grossen Preis von Spanien prompt als Favoritenschreck. Der venezolanische Rennfahrer setzte sich nach 66 Runden gegen Fernando Alonso (Ferrari) durch und bescherte Williams den ersten Grand-Prix-Sieg seit 2004. In der Pressekonferenz spricht Maldonado über den für ihn historischen ersten Formel-1-Erfolg.

Frage: Pastor, dein erster Sieg - brillant. Beschreibe uns deine Emotionen ...

Pastor Maldonado: Ich denke, es ist ein wundervoller Tag. Nicht nur für mich, sondern für das gesamte Team. Seit dem vergangenen Jahr haben wir wirklich viel Druck gemacht, um uns Rennen für Rennen zu verbessern. Hier sind wir nun. Schon am Samstag fanden wir uns nach einem tollen Qualifying in der Pressekonferenz wieder. Jetzt sind wir erneut hier dabei. Es war ein hartes Rennen, auch aufgrund der Strategie. Die Reifen machten es zu einer Herausforderung. Schon nach ein paar Runden hatte ich mit ihnen zu kämpfen. Ich muss aber sagen, dass ich sehr zufrieden bin, denn das Auto war von der ersten Runde an sehr konkurrenzfähig. Fernando hatte den besseren Start erwischt, doch ich ging sein Tempo mit. Das war klasse. Es ist mein erstes Podestergebnis und zugleich mein erster Sieg. Ihr könnt euch sicher vorstellen, wie ich mich fühle.

Es ist der erste Williams-Sieg seit 2004. Beim zweiten Boxenstopp bist du an Fernando vorbeigelangt. Zum Schluss setzte er dich aber ziemlich unter Druck, nicht wahr?

Ja, es war sehr eng. Wir versuchten, die abbauenden Reifen in den Griff zu kriegen. Ich machte also nicht allzu viel Druck. Ich hielt meine Pneus einfach nur am Leben, um am Ende des Rennens noch Gummi zu haben. Fernando rückte mir dann zu nahe auf die Pelle. Es gab ein paar Augenblicke, in denen es eng war - vor allem am Ende der Geraden. Ich kontrollierte aber den Abstand und hatte alles unter Kontrolle. Ich denke, wir hatten heute ein gutes Tempo. Das Auto scheint fantastisch zu sein. Auch das Team war klasse. Beim letzten Boxenstopp gab es einen kleinen Fehler, doch das hatte keine Auswirkung auf unsere Leistung.
Wann dachtest du, du könntest dieses Rennen gewinnen?

Nach dem Qualifying. Du musst wissen, es war klasse, von vorn zu starten. Das Team leistete klasse Arbeit darin, mir ein tolles Auto hinzustellen. Im Qualifying tat ich meinen Teil. Wenn du dann von der Pole-Position aus losfahren kannst, ist alles viel einfacher. Unser Start war nicht so toll.

Du wurdest dann allerdings gleich überholt ...

Ja. Unser Start war nicht so toll. Fernando kam viel besser weg als wir, doch nach der ersten Runde hatten wir ein gutes und konkurrenzfähiges Tempo. Das Auto war klasse und unsere Strategie passte. Das war's.

Nach dem Start hattest du ein schönes Duell mit Fernando Alonso ...

Es war nicht gerade unser bester Start aller Zeiten. Ich denke, die Kupplung schliff ziemlich. Fernando überholte uns sofort. Es war sehr eng. Ich versuchte noch, unsere Position zu verteidigen, doch er war schon auf der besseren Linie. Deshalb entschied ich mich dazu, nachzugeben. Ich folgte ihm einfach. Beim zweiten Stopp lief es ziemlich gut für uns. Ich denke, wir überraschten sie damit, dass wir so früh hereinkamen.
Sprechen wir über die Reifen: Am Ende schien es, dass du etwas weniger Geschwindigkeit hattest, und Fernando Alonso holte auf ...

Als Fernando so nahe an mich herankam, schonte ich gerade meine Reifen. Ich machte nicht allzu viel Druck, weil die Reifen so sehr abbauten. Strategisch waren wir am Sonntag extrem gut aufgestellt. Wir hatten alles unter Kontrolle. Selbst in den Augenblicken, in denen Fernando sehr nahe dran war, hatten wir noch die bessere Traktion, indem wir KERS und dergleichen zum Einsatz brachten. Es ging also nur darum, das Rennen zu meistern, die richtigen Lücken zu suchen und das Tempo zu wahren.
Angesichts von KERS und dem verstellbaren Heckflügel hast du sicherlich stets mit einem Angriff gerechnet, doch der kam nicht ...

Es war sicherlich schwierig, denn die Topteams liegen derzeit sehr eng beisammen. Als ich bemerkte, dass ich als Zweiter in die erste Kurve einbiegen würde, dachte ich nur: 'Okay, das Rennen ist lang. Wir müssen einfach weiter Druck ausüben und uns gegebenenfalls auf eine Taktikänderung einstellen, um Ferrari zu attackieren.' So kam es auch. Alles lief prima, bis auf den letzten Boxenstopp. Das war eine haarige Szene, die aber keine Auswirkung auf unser Endergebnis hatte.
Fünf Rennen, fünf unterschiedliche Sieger. Die Spitze scheint sehr eng beisammen zu liegen. Siehst du Williams und dich selbst als potenzielle WM-Kandidaten?

Im Vergleich zu den Führenden wie Fernando und Vettel liegen wir sicherlich ein bisschen zurück. Wir müssen einfach weiterarbeiten. Im Augenblick sind wir nicht das beste Team. Das Auto machte am Sonntag eine gute Figur, doch wir bei Williams müssen noch ein paar bestimmte Fortschritte machen. Das betrifft vor allem das Fahrzeug, doch alles ist möglich. Die Abstände sind im Augenblick sehr gering. Ich fahre gut und habe ein gutes Gefühl im Team und mit dem Auto. Wie gesagt: Alles ist möglich. Wir haben es natürlich darauf abgesehen, unser Bestes zu tun. Wir freuen uns darauf, noch mehr Rennen zu gewinnen, ein paar Podestränge zu erobern. Ich freue mich wirklich sehr, denn das Team hat so viele Jahre lang kein Rennen gewonnen. Das ist ein großartiger Moment für uns. Hoffentlich geht es so weiter.

Im vergangenen Jahr warst du mit Williams gerade mal vor den drei neuen Teams, jetzt stehst du vor allen anderen. Was ist seither passiert?

Wir haben grosse Veränderungen in der Fabrik umgesetzt. Wir haben neue Mitarbeiter in einigen Abteilungen und haben auch unsere Designphilosophie beim Auto komplett verändert. Das diesjährige Fahrzeug erbringt eine klasse Leistung. Das Potenzial ist da, um sogar noch stärker zu werden. Das ist eine tolle Motivation für das Team, um weiter Druck zu machen. Das ist der richtige Weg. Wir sind motiviert und geben weiter Vollgas.
Jetzt bist du ein Nationalheld. Bist du bereit dafür?

Natürlich freuen sich jetzt alle in meinem Heimatland. Ich darf mich glücklich schätzen, ein ganzes Land hinter mir zu wissen, das mich in der Formel 1 beobachtet und mich nun zwischen den Jungs hier (in der Pressekonferenz mit Fernando Alonso und Kimi Räikkönen) sieht. Ich freue mich sehr für Venezuela, und natürlich auch für Williams. Sie haben klasse Arbeit geleistet, indem sie mir ein grossartiges Auto hingestellt haben. Wir werden immer besser, von Rennen zu Rennen.

Hast du eine Ahnung davon, was gerade in Venezuela los ist?

Ich könnte mir denken, dass da eine grosse Party im Gange ist, doch derzeit weiss ich nichts Bestimmtes. Ich muss erst einmal ein paar Fans und meine Familie treffen. Wer das Rennen gesehen hat, freut sich im Augenblick bestimmt sehr. Es ist toll für Venezuela, wo wir doch schon seit fast 30 Jahren keinen Formel-1-Fahrer mehr hatten. Ich denke, es ist ein großer Augenblick für unser Land.

Hast du schon einen Anruf vom venezolanischen Präsidenten erhalten?

Nein, noch nicht. Ich war ja bis eben auf dem Treppchen und hatte noch nicht einmal die Zeit, meine Familie und meine Freunde zu sehen. Vielleicht ruft er noch an. Ich weiss es nicht.

Als nächstes steht Monaco auf dem Programm. Ein Kurs, der zu deinen Lieblingsstrecken zählt. Wie stehen die Chancen, dass wir dort erneut einen Sieg von dir erleben?

Das dürfte eine gute Gelegenheit für uns sein, um wieder stark aufzutreten. Ich werde auf fahrerischer Seite sicherlich mein Bestes geben. Das Team kümmert sich prima um das Auto. Damit müssen wir fortfahren. Wir müssen bei der Entwicklung viel Druck machen, um das Fahrzeug so rasch wie möglich zu entwickeln. Konstanz ist in dieser Meisterschaft der Schlüssel zum Erfolg.

Frank Williams: "Wir haben diesen Sieg gebraucht"


Fünf Rennen nach dem Ende der schlechtesten Saison aller Zeiten darf Frank Williams erstmals seit 2004 wieder einen Grand-Prix-Sieg bejubeln. Die Geschichte seines britischen Rennstalls ist seit dem Grossen Preis von Spanien 2012 also wieder um ein spannendes Kapitel reicher, denn Pastor Maldonado ließ sich in Barcelona nicht die Butter vom Brot nehmen und siegte recht souverän.

Selbst der spanische Lokalmatador Fernando Alonso (Ferrari) musste sich dem schnellen Williams-Piloten geschlagen geben, der sich in 66 Rennrunden keinen Fehler leistete und sogar dem Druck des zweimaligen Weltmeisters standhielt. Der Sieg war der verdiente Lohn - und Teamchef Williams zeigt sich hochzufrieden mit diesem Abschneiden. Erstmals seit Brasilien 2003 darf er wieder jubeln.

"Als Engländer kann ich dir sagen: Wir werden da nicht emotional", sagt ein zu Scherzen aufgelegter Williams gegenüber der 'BBC' und fügt ernsthaft hinzu: "Die Mannschaft ist natürlich total aus dem Häuschen und auch ich freue mich ziemlich. Junge, Junge - wir haben diesen Sieg gebraucht, wie man sich vielleicht vorstellen kann." Die vergangenen Saisons waren nämlich alles andere als einfach.
Nun wirkt Williams wiedererstarkt. "Das haben wir hauptsächlich einer neuen Gruppe an Mitarbeitern zu verdanken", sagt der stolze Teamchef, der just an diesem Wochenende seinen 70. Geburtstag feierte. "Ich denke, wir haben da eine gute Balance: Unsere Aerodynamik-Abteilung hat ihre Hausaufgaben gemacht und noch mehr. Und der Renault-Motor ist sehr konkurrenzfähig."

Ist aus dem Mittelfeld-Team Williams nun also wieder ein waschechtes Siegerteam geworden oder war der Sieg in Barcelona ein einmaliger "Ausrutscher"? Das weiss Formel-1-Urgestein Williams nicht zu sagen, wittert aber einige Fortschritte: "Das Auto hat Potenzial", meint der Brite und merkt an: "Jetzt muss unser Entwicklungstempo das der anderen Teams übertreffen. Wir werden sehen."

Pastor hat perfekten Job abgeliefert


Pastor Maldonado ist der grosse Star des Rennwochenendes in Barcelona. Der Venezolaner, der nach der Strafe für Lewis Hamilton am Sonntag von der Pole-Position starten durfte, nutzte seine grosse Chance perfekt: Der Williams-Pilot gewann sein erstes Formel-1-Rennen und bescherte seinem Teamchef Frank Williams somit nachträglich ein grosses Geschenk zum 70. Geburtstag. Der Schlüssel zum Sensationssieg war nicht die saubere Fahrt auf dem Circuit de Catalunya allein.

Gemeinsam mit seinem Renningenieur Xevi Pujolar hatte Maldonado seinen Williams-Renault FW34 optimal auf die Bedingungen eingestellt, ausserdem hatte man eine gute Taktik parat. "Wir wussten, dass wir hier ein Auto für die Top 10 haben, aber natürlich hatten wir nicht geahnt, dass wir siegen könnten. Wenn man heutzutage einen perfekten Job abliefert, dann ist alles möglich", fasst Pujolar nach dem erfolgreichen Tag zusammen.

Der Spanier brach nach der Zieldurchfahrt ebenso wenig in emotionale Jubelstürme aus wie der erfolgreiche Pilot. "Das Auto war okay. Wir wussten, dass wir heute eine gute Chance haben würden. Es hätte alles passieren können: Sieg, Podestplatz oder auch anderswo in den Top 10. Wir haben über alles gesprochen", so der Renningenieur bei 'Sky Sports F1'. "Pastor hat in der GP2 viele Rennen gewonnen, er hat also Erfahrung. Er war absolut fokussiert. Es lief alles nach Plan. Die ersten beiden Stopps waren wichtig. Sie sollten gut laufen, mit dem Ergebnis, dass Pastor nicht im Verkehr landet. Genau das ist passiert", sagt Pujolar über die Taktik im Kampf gegen den starken Ferrari-Piloten Fernando Alonso. "Zwischendurch hatten wir etwas Sorge, dass die letzten beiden Stints zu lang sein könnten und es Reifenprobleme gäbe. Wir haben ihm dann gesagt, dass er die Pneus schonen soll. Er hat das super gemacht. Unser letzter Stopp war recht früh. Der Ferrari konnte am Ende also mehr Druck machen und die Lücke schließen. Pastor musste zu jenem Zeitpunkt trotzdem schonend agieren. Alonso hat viel Druck gemacht und deswegen am Ende auch leichte Probleme mit seinen Reifen gehabt", erklärt der Techniker die entscheidenden letzten Runden in Spanien. Mit einem grossen Erfolg in der Tasche geht es nun weiter nach Monaco. Man bleibt bescheiden.

"Das Feld liegt extrem eng beisammen. Man weiss bei jeder neuen Strecke nie, wer nun gerade das beste Setup bezüglich der Reifennutzung finden wird. Es hängt auch viel vom Fahrer ab. Dies alles ist für die Zuschauer äusserst interessant", so Pujolar, dessen Schützling Maldonado oft in Monte Carlo stark auftrumpft. "Es ist nicht so, dass wir ab jetzt jedes Rennen gewinnen könnten. Beim nächsten Rennen kannst du siegen, oder auch schnell mal ausserhalb der Punkte landen. Wir müssen offen und achtsam sein."

14.5.2012