Hamilton auf letzten Startplatz strafversetzt !

Lewis Hamilton und die FIA-Kommissare:

Eine unendliche Geschichte...

Paukenschlag am Samstagabend in Barcelona: Lewis Hamilton, der sich im Qualifying am Nachmittag eigentlich die Pole-Position gesichert hatte, wird den Grand Prix von Spanien morgen nicht vom ersten, sondern vom letzten Startplatz aus in Angriff nehmen. Das haben die FIA-Rennkommissare Tom Kristensen, Hans-Gerd Ennser und Radovan Novak entschieden.

Hamilton war unmittelbar nach dem Ende des dritten Qualifyings noch während der Auslaufrunde ausgerollt, nachdem ihn das Team angewiesen hatte, das Auto anzuhalten. Offenbar handelte es sich dabei nicht um einen technischen Defekt, sondern um zu wenig Benzin im Tank. Laut McLaren-Aussage waren noch 1,3 Liter Benzin drin - also mehr als der eine Liter, der mindestens vorgeschrieben ist, damit die FIA gegebenenfalls Benzinproben entnehmen kann.

Allerdings ist es nicht erlaubt, die Auslaufrunde einfach abzubrechen, was Hamilton und McLaren eigentlich seit dem Grand Prix von Kanada 2010 wissen sollten - damals ist ihnen das gleiche Malheur unterlaufen. Sportchef Sam Michael argumentierte bei der Anhörung mit "höherer Gewalt", weil angeblich ein technisches Problem dazu führte, dass nicht genug Benzin im Tank war, um die Auslaufrunde mit einem Liter Restreserve zu beenden.

Die Kommissare teilen diese Meinung jedoch nicht und disqualifizieren Hamilton wegen eines Verstosses gegen Artikel 6.6.2 des Technischen Reglements. Allerdings ist es ihm erlaubt, vom letzten Startplatz ins Rennen zu gehen. In der Begründung der FIA heißt es: "Weil die Benzinmenge, die ins Auto gefüllt wird, vollständig unter der Kontrolle des Teilnehmers ist, können die Kommissare dies nicht als Fall von höherer Gewalt anerkennen."

McLaren legt gegen die Entscheidung keinen Protest ein: "Wir akzeptieren, dass die Kommissare mit unserer Auslegung von höherer Gewalt nicht übereinstimmen. Unser Ziel ist nun, die Punkte zu maximieren, die wir morgen holen können", heisst es. Kleine Randnotiz: Weil die Journaille in Barcelona mit dem Verfassen der Disqualifikations-Nachricht beschäftigt ist, sind kaum Gäste bei der Präsentation des neuen McLaren-Buchs...

Hamilton: "Wir sind alle ein bisschen überrascht"


0,578 Sekunden brummte Lewis Hamilton (McLaren) seinem schärfsten Verfolger in der Qualifikation zum Großen Preis von Spanien auf, doch alle Mühe war umsonst: Aufgrund eines Regelverstoßes muss der Brite am Sonntag von ganz hinten losfahren und kann daher nicht auf der Pole-Position einparken. In der Pressekonferenz, die direkt nach dem Zeittraining stattfand, wusste Hamilton aber noch nichts davon, sondern plauderte munter und fröhlich über seinen Coup im Qualifying ...

Frage: Lewis, du hast die 150. Pole-Position für McLaren erzielt. Du schienst von Anfang an ein sehr gutes Tempo zu haben, doch was war da zum Schluss los, als du auf der Strecke anhalten musstest?


Lewis Hamilton: Nun, zunächst einmal war es eine fantastische Qualifikation für mich. Ich bin sehr zufrieden damit, wie ... Ich denke, es war eine der besten Sessions, die das Team je hatte. Die Jungs in der Garage haben klasse Arbeit geleistet. Vielen Dank an die Jungs in der Fabrik, dass sie diese Updates angefertigt haben. Diese Elemente funktionierten perfekt. Ich hielt auf der Strecke an, weil ich darum gebeten wurde. Warum, weiß ich gar nicht. Das Auto fühlte sich aber großartig an. Es ist ein klasse Tag für das Team, denke ich. Was mit Jenson (Button) passierte, weiß ich nicht. Er ist im Rennen aber sehr stark und gut unterwegs. Ich habe daher keinen Zweifel daran, dass er durch das Feld nach vorn gelangen wird.
Apropos Jenson Button: Kannst du erklären, weshalb Teamkollegen ein so ungleiches Schicksal ereilen kann? Dein Stallgefährte verfehlte Q3 und auch die Teamkollegen von Pastor Maldonado und Fernando Alonso schnitten deutlich schlechter ab. Das ist bemerkenswert ...

Ich denke, das überrascht jeden von uns. Wir sind alle ein bisschen überrascht. Wir freuen uns andererseits aber sehr darüber, so weit vorn zu stehen. Ich bin mir sicher: Die Fans lieben es. Es ist einfach fantastisch, zu sehen, wie eng es zugeht. Wenn du ein, zwei Zehntel verlierst, musst du deinen nächsten Reifensatz zücken. Das hat dann Auswirkungen auf deine nächste Session, wenn du durchkommst oder auch wenn nicht. Das Feld ist ungeheuer konkurrenzfähig. Ich bin mir sicher: Die Fans lieben es. Vielleicht hatten sie an Q3 nicht gar so viel Spaß, doch wir hatten definitiv viel Freude dabei.

Bist du zufrieden mit deinem Abschneiden?

Ja, das bin ich. Sehr sogar. Jedes Mal, wenn du im Qualifying auf die Strecke gehst, suchst du nach der perfekten Runde. Du versuchst, das Auto genau auf die richtige Linie zu bewegen. Du peilst die Punkte an, wo du immer Zeit gutmachst oder gutmachen könntest. So fühlte ich durch die Bank in Q1, Q2 und auch in Q3. Nach Q1 dachte ich: 'Mist. Das hätte eigentlich meine Q3-Runde sein sollen.' Ich bin sehr dankbar dafür, dass es in dieser Session so weiterging für mich. Ja, das ist ein fantastisches Gefühl. Ich bin überwältigt.

Die Meisterschaft ist eng umkämpft, aber dein Vorsprung auf Pastor Maldonado betrug mehr als eine halbe Sekunde. Überrascht dich das? Dein Auto schien dominant zu sein ...

Ja, ich bin definitiv überrascht von dieser grossen Lücke. Dass es eine gute Runde war, überraschte mich hingegen nicht, denn ich spürte sofort, dass ich die Reifen prima aufgewärmt hatte. Ich dachte, ich hatte alles herausgeholt. Es ist aber wirklich eng und die Teams liegen nahe beisammen. Einen solchen Abstand hatte ich nicht erwartet. Das ist eine ziemlich grosse Lücke, doch Garantien gibt es keine. Ich denke, wir reisen noch zu anderen Rennen und manchmal werden wir langsamer, manchmal schneller sein. Ich hoffe einfach, dass wir unsere Geschwindigkeit mit den kontinuierlichen Updates halten können. Das gilt vor allem für das Qualifying. Wir versuchen aber auch, uns im Rennen zu steigern.
Wie geht es dir nun mit diesem Ergebnis? Was rechnest du dir ausgehend davon für den Sonntag aus?

Ich fühle mich wirklich fantastisch. Ich bin sehr, sehr zufrieden. Normalerweise freust du dich natürlich über die Pole-Position, doch aus irgendwelchen Gründen war diese Qualifikation vielleicht anders als alle anderen Zeittrainings bisher - mit Ausnahme meiner ersten Pole-Position in der Formel 1. Das liegt einfach daran, dass du es immer auf die perfekte Runde abgesehen hast. Ich hatte wirklich das Gefühl, alles richtig gut erwischt und absolut alles aus meinem Auto herausgeholt zu haben. Ich verpasste keinen Kurvenscheitel oder dergleichen. Es ist ein unglaubliches Gefühl, wenn dir so etwas gelingt. Es ist wirklich eine sehr einmalige Erfahrung. Vor uns liegt aber ein hartes Rennen. Fernando hatte hier im vergangenen Jahr einen grossartigen Start - und der Weg zur ersten Kurve ist hier so lang. Die Leute gewinnen aber auch von weiter hinten oder kämpfen von dort um den Sieg mit. Es wird einfach darum gehen, die Reifen zu schonen, die Boxenstopps zum richtigen Zeitpunkt einzulegen und in den entscheidenden Momenten die Geduld zu haben.

Die Formel 1 ist derzeit unvorhersehbar, was den neuen Regeln zu verdanken ist. Siehst du das ebenfalls so? Ist die Formel 1 unvorhersehbar oder technisch weniger logisch als früher?

Ich bin mir nicht sicher, ob man es so erwartet hatte, wie es jetzt ist. Im Augenblick ist es wirklich ein bisschen unvorhersehbar und unheimlich eng. In den Rennen gab es bisher unterschiedliche Sieger. Du kannst einen Unterschied ausmachen, indem du nach einem Ausfall gleich das nächste Rennen gewinnst. Das kann dafür sorgen, dass du im Wettbewerb bleibst. So stellt es sich für mich dar. Von all den Meisterschaften, in die ich bisher involviert war, fühlt sich diese hier als die aufregendste an. Unabhängig davon, dass ich 2012 noch nicht gewonnen habe. Es fühlt sich einfach an, als wäre es die beste Meisterschaft für die Zuschauer.
Das Qualifying war hinsichtlich der Reifen sehr taktisch geprägt. Was heisst das für das Rennen? Wie siehst du die Situation? Wirst du der fünfte Rennsieger im fünften Saisonrennen?

Naja, wir kümmerten uns um unsere härteren Pneus. Diese Reifen scheinen für das Rennen generell die bessere Wahl zu sein. Das ist zumindest der aktuelle Eindruck. Ich spreche von den Reifen, die länger halten. Die weichen Pneus sind aber auch in einem guten Zustand, also ... Ich denke, vor uns liegt ein überaus anstrengendes Rennen. Ich habe natürlich diese beiden grossartigen Fahrer neben mir. Ich freue mich sehr darüber, diesen Burschen (Maldonado) und Williams hier vorn zu sehen. Gleiches gilt für Fernando. Es ist schön, meinen ehemaligen Teamkollegen ebenfalls hier zu sehen. Ich werde ein tolles Duell mit diesen Jungs haben. Hoffentlich können wir den Fans eine schöne Show bieten.

Du hast dieses Rennen noch nie gewonnen, warst aber zweimal Zweiter. Wie sehr möchtest du hier zum ersten Mal siegreich sein?

Nun, ich bin mir dessen bewusst, ein sehr hartes Rennen vor mir zu haben. Diese Jungs sind ungeheuer schnell, auch auf ihren Longruns. Mir ist klar, wie schwierig es ist. Es würde mir auf jeden Fall sehr viel bedeuten, hier in Spanien zu siegen. Für mich war es schon immer ein klasse Ort. Das Wetter ist immer schön und die Leute sind einfach unglaublich. Ihre Unterstützung für mich wächst weiterhin Jahr für Jahr. Es ist wirklich ein Vergnügen für mich, hierher zu reisen. Es wäre prima, an einer Strecke zu siegen, an der die Formel 1 über eine sehr große Fanbasis verfügt.
Die Wettervorhersage spricht von deutlich geringeren Temperaturen am Sonntag. Könnte das bedeuten, dass einige Fahrzeuge, die am Samstag nicht so gut waren, dann plötzlich im optimalen Reifenfenster landen?

Ich denke, genau das Gegenteil könnte passieren. Wer schon am Samstag Probleme damit hatte, seine Reifen aufzuwärmen, der dürfte bei kühleren Verhältnissen noch mehr zu kämpfen haben. Es ist eine knifflige Situation. Manchmal sind drei deiner Reifen auf Temperatur, aber einer funktioniert nicht so richtig. Dann bekommst du Untersteuern und kriegst deine Zeit nicht hin. Sollte das der Fall und es am Sonntag noch kühler sein, wird es schwierig für alle Beteiligten - auch für diejenigen, denen es gelungen ist, ihre Reifen zum Arbeiten zu bringen.

Sprechen wir über Pastor Maldonado und Williams. Du fuhrst in diesem Jahr schon gegen eines der Autos des Teams. Hat dieses Fahrzeug besondere Stärken, die dir auf der Strecke aufgefallen sind?

Ich kann mich nicht daran erinnern, was die Stärken sind, aber es ist fantastisch, Williams hier vorn zu sehen. Ich freue mich sehr für sie. Ich kenne Sir Frank sehr gut, seit ich hier dabei bin. Ich bin ein grosser Bewunderer von ihm und seinem Team. Sie hier vorn zu sehen - ich denke, die Formel 1 war einfach nicht dieselbe, ohne Williams kämpfend an der Spitze. Das ist gut. Es ist grossartig für sie und das gesamte Team. Ich hatte immer schon den Eindruck, dass sie ein gutes Auto haben. Es sah stets sehr gut aus, doch in diesem Jahr erbringt es auch noch eine gute Leistung. Wir müssen also auf der Hut sein und sicherstellen, vor ihnen zu bleiben.

12.5.2012