Lotus will in Singapur zurückschlagen

Da man bereits in Valencia und Budapest gut

zurecht kam, hoffen Kimi Räikkönen und Romain Grosjean nun auf ein ähnlich starkes Ergebnis in Singapur

Durch seinen fünften Platz beim Grossen Preis von Italien in Monza schob sich Kimi Räikkönen bis auf einen WM-Punkt an den Zweitplatzierten der Fahrerwertung, Lewis Hamilton, heran. Damit wird der Lotus-Pilot seinem Ruf als "Punkte-Eichhörnchen" in dieser Saison weiter gerecht, fuhr er doch seit dem Grand Prix von China bei jedem Rennen in die Punkte und dabei sechs Mal aufs Podium.

Zuletzt in Monza reichte es vor allem aufgrund fehlender Endgeschwindigkeit auf den langen Geraden nicht zu mehr. Räikkönen zeigte sich letztendlich mit Position fünf zufrieden, nachdem er sich im Rennen lange Zeit gegen schnellere Piloten wie Sergio Perez oder Nico Rosberg zur Wehr setzen musste. In der kommenden Woche reist der Formel-1-Zirkus nach Übersee, genauer gesagt zum Nachtrennen nach Singapur. Dort erwartet die Teams eine völlig andere Strecke als in Monza. Der Stadtkurs ist teilweise extrem langsam, beinhaltet sogar deutlich langsamere Kurven als die legendäre Strecke von Monte-Carlo. Räikkönen möchte auf dem mit Flutlicht ausgeleuchteten Kurs endlich etwas Zählbares erzielen, fiel er beim Premierenrennen 2008 doch aus und wurde 2009 nur Zehnter. "Ich mag es wirklich sehr, nach Singapur zu reisen", so Räikkönen. "Es ist ein toller Ort, ich liebe das dortige Essen und mir macht es nichts aus, zu unüblichen Zeiten ins Cockpit steigen zu müssen. Ich habe nach meinen zwei Grands Prix dort noch eine Rechnung offen, da ich noch nie einen Punkt erzielt habe. Das bedeutet allerdings nicht, dass ich dort in der Vergangenheit nicht schnell war, da ich 2008 die schnellste Rennrunde fuhr. Dennoch schied ich beim Kampf um Platz fünf durch einen Unfall aus und wurde 2009 nur Zehnter. Dieses Mal möchte ich also besser sein."

Fahren in der Nacht macht keinen Unterschied

Das Fahren in der Nacht stelle die Fahrer laut Räikkönen nicht vor eine Herausforderung, denn: "Wenn sie das Flutlicht anschalten, dann ist es genauso als würde man im Hellen fahren", erklärt der Finne. "Ich denke, dass jeder das Nachtrennen in Singapur mag. Es ist eine tolle Veranstaltung, da die Stadt sehr pulsierend ist und viele Leute zum Rennen kommen. Abgesehen von ein paar dunklen Stellen in den Auslaufzonen ist die Strecke gut ausgeleuchtet, also gibt es keinen großen Unterschied zu einem Rennen bei Tag." Was die Leistung des Lotus E20 in Singapur angeht, so glaubt Räikkönen, dass man ähnlich gut zurechtkommen wird wie beim Rennen in Valencia, als man auf Position drei ins Ziel kam. "In Monaco lief es für uns nicht gut, doch Valencia war eines der bisher besten Rennwochenenden für uns", so der 32-Jährige. "Es besteht also kein Grund, warum wir nicht auch in Singapur gut sein sollten. Wie auf jedem Stadtkurs, ist es auch in Singapur schwierig, zu überholen. So weit vorne wie möglich zu starten wird deshalb für ein gutes Rennergebnis sehr wichtig sein." Bislang war die Qualifikation allerdings nicht die Stärke von Lotus.

Zuschauerrolle in Monza war für Grosjean sehr nützlich

Räikkönens Teamkollege Romain Grosjean durfte beim vergangenen Rennen in Monza nur die Zuschauerrolle im Team einnehmen, da er nach dem durch ihn verursachten Startunfall eine Strafe von einem Rennen Sperre absitzen musste. Statt ihm nahm der Belgier Jerome D'Ambrosio im E20-Cockpit Platz. "Ich denke, für mich war es Moza sehr wichtig, das Team in der Garage zu unterstützen", kommentiert Grosjean seine Zuschauerrolle in Italien. "Das war sehr schön und ich denke, das braucht jeder Fahrer. Wir sind wie eine Familie und es bedeutete mir sehr viel. Zudem war es sehr nützlich, mit den Ingenieuren an der Boxenmauer zusammenzuarbeiten und die Daten zu analysieren. Man bekommt dadurch eine ganz andere Sicht darauf, wie die Autos funktionieren, wo die Unterschiede liegen, wo man sich verbessern kann und so weiter." In Singapur ging Grosjean bereits 2009 an den Start, damals noch für das Vorgänger-Team Renault, nachdem er dort vom gefeuerten Nelson Piquet junior das Cockpit übernommen hatte. Im Rennen fiel der Franzose allerdings aufgrund von Bremsproblemen aus. "Singapur ist ein sehr aussergewöhnliches Rennen, da es bei Nacht stattfindet", so Grosjean. "Ich konnte auf der Strecke bislang nicht sehr viele Erfahrungen sammeln, da ich 2009 dort kein einfaches Wochenende erlebte. Aber ich freue mich jetzt darauf, ins Auto zurückzukehren um die Strecke etwas besser kennenzulernen und eine gute Ausgangslage für den Rest der Saison zu schaffen. Ich möchte im Qualifying gut, so nah wie möglich an Kimi dran sein und so viele Punkte wie möglich für die Teamwertung holen." Die Erwartungen Grosjeans fürs Rennen in Asien gestalten sich ähnlich wie die von Teamkollege Räikkönen: Er glaubt ebenfalls an eine Platzierung auf dem Podium und vergleicht die Strecke von Singapur mit der von Budapest, wo man bekanntlich gleich mit beiden Lotus' aufs Podium fuhr: "Was die Reifen angeht", so Grosjean, "sollten wir keine Probleme bekommen. Das Rennen dort ist immer interessant, also freue ich mich drauf."

Räikkönen: Weltmeister ohne einen einzigen Sieg?

Kimi Räikkönen ist egal, ob er mit oder ohne

Grand-Prix-Sieg Weltmeister wird


Kimi Räikkönen liegt nach 13 von 20 Rennen der Formel-1-Saison 2012 an dritter Stelle der Fahrerwertung. Der Lotus-Pilot hält derzeit bei 141 Punkten, 38 Zähler hinter Spitzenreiter Fernando Alonso und nur einen hinter Lewis Hamilton. Nach hinten hat er einen Punkt Vorsprung auf Sebastian Vettel und neun auf Mark Webber. Räikkönens Titelchancen sind also noch voll intakt.

Doch von den Top 7 der Fahrer-WM ist der "Iceman" der Einzige, der noch keinen Sieg auf seinem Konto hat. Sollte er auch von den restlichen sieben Rennen keines gewinnen und trotzdem Champion werden, wäre das ein Novum in der Formel-1-Geschichte. Einen Weltmeister mit nur einem einzigen Saisonsieg hat es aber schon zweimal gegeben: 1958 gelang dieses Kunststück Mike Hawthorne, 1982 Räikkönens finnischem Landsmann Keke Rosberg. Aber: Seit Alain Prost 1989 hat es niemanden mehr gegeben, der mit weniger als fünf Siegen die Fahrerwertung gewinnen konnte.

Den Makel, ohne Sieg Weltmeister zu werden, würde Räikkönen jedoch nur zu gerne auf sich nehmen: "Wenn es so kommen sollte, nehme ich den Titel", sagt der 32-Jährige. "Wer auch immer am Ende des Jahres die meisten Punkte hat, gewinnt die Weltmeisterschaft. Mir ist egal, ob ich ein Rennen gewinne oder nicht, denn die Weltmeisterschaft ist wichtiger, als ein Rennen gewonnen zu haben." Von den sieben noch ausstehenden Grands Prix sind drei Rennstrecken völliges Neuland für Räikkönen: Südkorea am 14. Oktober, Indien am 28. Oktober und der US-Grand-Prix in Austin am 18. November. Austin kennt noch keiner, Yeongam und Noida aber schon. Ein Nachteil, Kimi? "Ich glaube nicht", winkt er ab. "Es ist nicht sonderlich schwierig, eine neue Strecke zu lernen. Ich würde so etwas nicht als Ausrede gelten lassen, wenn es dort nicht so läuft."

Trotzdem lehnt er es ab, sich im relativ neuen Lotus-Simulator in Enstone oder mit der PlayStation auf die drei Rennwochenenden vorzubereiten: "Wir haben zwar einen Simulator, aber das ist nicht der ideale Weg, um eine Strecke zu lernen", findet Räikkönen und erklärt: "Unser Simulator ist noch im Frühstadium. Ich schaue es mir lieber an, wenn ich dort bin."

Boullier überzeugt: Sperre hat Grosjean geholfen

Teamchef Eric Boullier stärkt seinem Fahrer

Romain Grosjean den Rücken


Wird Romain Grosjean nach dem Absitzen seiner Sperre künftig besonnener zu Werke gehen? Diese Frage werden die kommenden Rennen und dort speziell die ersten Runden beantworten müssen. Nachdem der Lotus-Pilot in Spa-Francorchamps von den Rennkommissaren als Auslöser der Startkollision ausgemacht wurde, musste er am vergangenen Wochenende in Monza zuschauen.

Eric Boullier will sich noch nicht zu einer Aussage dahingehend hinreissen lassen, dass Grosjean künftig mehr Vorsicht walten lässt. Der Lotus-Teamchef ist jedoch überzeugt, dass die Sperre für ein Rennen seinem Fahrer geholfen hat. "Wir haben uns ausführlich darüber unterhalten. Auf eine gewisse Art und Weise war die Massnahme sicher das beste, was ihm passieren konnte", so Boullier gegenüber 'Autosport'.

An schnellen Runden wird es der in Genf geborene Franzose auch künftig nicht mangeln lassen. "Er wird denselben Speed wie bisher an den Tag legen, aber er wird als stärkerer Fahrer zurückkommen", ist Boullier überzeugt. "Nachdem wir die Dinge ausführlich besprochen haben, wird er noch mehr Vertrauen in sich selbst haben und besser sein als vorher", stärkt der 38-Jährige seinem zwölf Jahre jüngeren Landsmann den Rücken. Den Beweis dafür muss Grosjean am 23. September ausgerechnet auf dem heiklen Stadtkurs in Singapur antreten.

Beim Grand Prix von Italien wurde Grosjean durch Lotus-Testfahrer Jerome D'Ambrosio vertreten. Da am Auto des Belgiers schon in der Anfangsphase des Rennens KERS ausfiel, war für ihn auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke an WM-Punkte nicht zu denken. Teamchef Boullier zeigt sich von der Leistung D'Ambrosios, der unterm Strich auf Platz 13 ins Ziel kam, dennoch angetan: "Vom Tempo her konnte er mit einem Grossteil der Spitzenfahrer mithalten. Wenn man bedenkt, dass er zehn Monate lang kein Rennen fuhr, dann erledigte er einen beeindruckenden Job."

Solange die mathematische Chance besteht...


Lotus-Teamchef Eric Boullier glaubt, dass sein Team in Singapur wieder oben angreifen und aufs Podium fahren kann. In Monza sei es laut des Franzosen darauf angekommen, Schadensbegrenzung zu betreiben, was man mit Platz fünf durch Kimi Räikkönen in seinen Augen umgesetzt habe. Mit der Leistung von Grosjean-Ersatz Jerome D'Ambrosio in Monza zeigt sich Boullier ebenfalls zufrieden. Die Tatsache, dass man WM-Rang drei in der Konstrukteurswertung an Ferrari verlor, beunruhigt ihn nicht. Im Kampf um den Fahrertitel glaubt Boullier weiterhin an seinen Star-Piloten Räikkönen.

Frage: Monza scheint ein schwieriges Rennen fürs Team gewesen zu sein...

Eric Boullier: Ja, es war das bisher schwierigste, doch damit war zu rechnen. Es kam das ganze Wochenende über nur darauf an, Schadensbegrenzung zu betreiben und Kimi hat erneut 100 Prozent aus dem Auto herausgeholt. Deshalb waren wir mit Platz fünf auch ziemlich zufrieden, da wir kein besseres Ergebnis hätten erzielen können. Es fühlte sich aber etwas komisch an, nach dem Rennen nicht zur Podiumszeremonie zu gehen, was schon viel über unsere momentane Einstellung aussagt! Die Dinge können sich in der Formel 1 so schnell ändern. Vor einem Jahr wären wir mit Platz fünf noch sehr glücklich gewesen. Dieses Jahr sprechen wir in dem Zusammenhang vom schwierigsten Rennen der Saison...

Wird das Team in Singapur wieder aufs Podium fahren?

Es gibt keinen Grund zu glauben, dass das nicht möglich ist. Wir waren dieses Jahr auf engen, verwinkelten Kursen sehr schnell und Singapur weist eine ähnliche Charakteristik wie Monaco und Valencia auf. Romain liebt diese Art von Strecken und Kimi war in Singapur schon immer schnell, auch wenn er in den Rennen nicht wirklich Glück hatte. Es wird ein interessantes Wochenende.

Wird das Doppel-DRS zum Einsatz kommen, welches schon in Belgien eingesetzt werden sollte?

Nein, weil es nicht zu der Streckencharakteristik passt. Das System dürfte erst in Japan zum Einsatz kommen. Wir reisen aber mit anderen Updates nach Singapur, die eine Leistungssteigerung mit sich bringen sollten. Ich bin übrigens sehr zufrieden damit, wie wir in diesem Jahr unsere Boxenstopps verbessert haben. In Monza unterboten wir mit 2,44 Sekunden unseren bisherigen Rekord. Am wichtigsten ist aber, dass wir bei den Boxenstopps sehr konstant arbeiteten. Das kommt nicht von ungefähr: Das ganze Team hat sehr hart trainiert und wie man weiß, kann so etwas große Auswirkungen auf den Rennausgang haben.

Wie geht es Romain?

Er ist guter Dinge. Monza war nicht leicht für ihn, doch es gibt auch ein paar positive Aspekte, die er mitnehmen konnte. Romain hat zum Beispiel Kimis Wochenende sehr genau verfolgt und hat sich bestimmt einiges abschauen können. Nun ist die Situation wieder normal und ich hoffe, dass wir die Geschichte zu den Akten legen können.

Warst du zufrieden mit der Leistung von Jerome D'Ambrosio in Italien?

Romain so kurzfristig zu ersetzen ist nie leicht, das hätte für jeden Fahrer gegolten. Doch Jerome gab sein Bestes und ich war von seiner Leistung beeindruckt, speziell auf der weicheren Reifenmischung im zweiten Teil des Rennens. Da waren seine Rundenzeiten richtig konkurrenzfähig. Leider verlor er in der sechsten Runde sein KERS, was große Auswirkungen auf sein Rennen hatte. Unseren Simulationen zufolge verlor er dadurch rund 25 Sekunden.

Das Team verlor die dritte Position in der Konstrukteurs-Wertung. Beunruhigt euch das?

Nicht wirklich. Wir haben Platz vier als Ziel ausgegeben, doch angesichts unseres Speeds ist es nur berechtigt, Platz drei in Angriff zu nehmen. Das Feld liegt so dicht beisammen, dass alles möglich ist. Wir müssen einfach bis zum Saisonende konstant mit beiden Autos in die Punkte fahren.

Kann Kimi den Titel gewinnen?

Natürlich kann er das. Er ist momentan Dritter, nur einen Punkt hinter Lewis Hamilton. Alles kann passieren. Wir sind dennoch nicht naiv und wissen, dass die Chance gering ist. Solange aber die mathematische Chance besteht, werden wir alles geben.

15.9.2012