Charles Pic vor Teamwechsel?

Sieht sich Pic nach einer Saison bei Marussia nach

einem neuen Cockpit um?

Für Formel-1-Neuling Charles Pic begann die Saison 2012 erwartungsgemäss mit einer steilen Lernkurve. Bei den zurückliegenden Rennwochenenden schickte sich der 22-jährige Franzose aber an, an der Vormachtstellung seines erfahrenen Marussia-Teamkollegen Timo Glock zu rütteln. Beim Grand Prix von Belgien in Spa-Francorchamps gerieten sich die beiden im Zuge eines haarsträubenden Manövers bei Topspeed sogar kurzfristig in die Haare.

Eine Woche später in Monza konzentrierte man sich dann wieder aus das Wesentliche, das da heisst, der direkten Konkurrenz näher zu kommen. "Marussia arbeitet sehr hart. Zu unserem selbst gesteckten Ziel fehlen uns vielleicht noch zwei, drei Zehntelsekunden", schätzt Pic gegenüber 'Le Dauphine' und hofft genau wie Teamkollege Glock, "Caterham bald einholen zu können". Mit seinen persönlichen Fortschritten im bisherigen Saisonverlauf zeigt sich Pic jedenfalls zufrieden. "Mein Ziel war es, so schnell wie möglich zu Timo Glock aufzuschliessen. Beim vergangenen Rennen lag ich sogar knapp vor ihm", sagt der Franzose, vergisst dabei aber wohl, dass sich der Teamkollege in Monza bereits in Runde eins einen beschädigten Frontflügel einfing und daher schon früh die Marussia-Box ansteuern musste.

In seinem Heimatland Frankreich wird Pic dank seiner ansteigenden Formkurve bereits mit einem anderen Team in Verbindung gebracht. Caterham steht demnach ganz oben auf der Liste. Der 22-Jährige, dessen Vater in Frankreich als Generalimporteur für Mercedes-LKWs auftritt, hält sich bedeckt. "Ich konzentriere mich voll und ganz auf meinen Job, der da heisst, 100 Prozent aus mir und dem Auto herauszuholen. Natürlich ist die Situation offen. Olivier Panis und Didier Cotton, die sich um mich kümmern, sprechen mit anderen Teams, aber das ist zu diesem Zeitpunkt der Saison normal. Wir werden sehen, was passiert", so Pic.

Wie Marussia-Teamchef John Booth am Rande des Grand Prix von Italien bestätigte, ist der Franzose für die Saison 2013 noch nicht gesetzt: "Charles hat einen Einjahresvertrag, aber wir reden miteinander und alle Parteien wollen weitermachen. Das ist unsere Absicht. Er leistete grossartige Arbeit und es wäre schön, ihn zu behalten." Neben den fahrerischen Fähigkeiten Pics ist für Marussia vor allem dessen Sponsorenmitgift von Bedeutung.

Marussia-Piloten bereit für die Nachtschicht


Der Grand Prix von Singapur steht an und wie schon in den Jahren zuvor wird das spektakuläre Flutlicht-Rennen auf dem fünf Kilometer langen Stadtkurs mit Spannung erwartet. In Reihen des Marussia-Teams blickt man dem 14. von 20 Saisonläufen mit großer Vorfreude entgegen. Timo Glock bezeichnet den Grand Prix von Singapur als sein Lieblingsrennen. Charles Pic tritt zum ersten Mal auf dem Marina Bay Circuit an.

"Singapur ist ein ganz besonderer Kurs. Noch dazu ist es das einzige Nachtrennen im Kalender", stellt Glock heraus und sagt: "Ich habe tolle Erinnerungen an dieses Rennen. Bei meinem ersten Start (im Jahr 2008) fuhr ich in die Punkteränge und im Jahr 2009 stand ich auf dem Podium. Ich freue mich jedes Jahr aufs Neue, nach Singapur zurückzukehren. Es ist ohne jeden Zweifel mein Lieblingsrennen im Kalender." Im Verlauf der zurückliegenden Wochen hat Glock bei Marussia eine signifikante Steigerung ausmachen können. Grund dafür sind nicht zuletzt die beim Grand Prix von Belgien erstmals eingesetzten Upgrades am MR01. "Ich freue mich darauf, mehr von unserem Potenzial zu zeigen und hoffe auf ein gutes Ergebnis", so der Deutsche. "Der verbleibende Teil der Saison wird für das Team eine harte Prüfung. Ich hoffe, dass wir den unermüdlichen Einsatz belohnen können."

Komplettes Neuland für Pic

Teamkollege Pic tritt vom 21. bis 23. September zum ersten Mal überhaupt in Singapur an. "Ich freue mich total auf mein erstes Nachtrennen auf dieser fantastischen Strecke. Ich habe schon viel über das Rennen und die Erfahrungen dort gehört. Es ist eine weitere Unbekannte für mich, aber das macht mir nichts aus", so der Franzose. "Der erste Teil der Saison und Kanada waren für mich auch Neuland", hält der ehemalige GP2-Pilot mit Blick auf die bisherigen Übersee-Rennen fest. "Mit meiner Anpassung an neue Strecken kann ich aber zufrieden sein. Singapur stellt für mich einen weiteren Teil meiner Lernkurve dar. Ich freue mich darauf, im verbleibenden Teil der Saison weitere Fortschritte zu machen", so Pic.

Erneut Modifikationen am MR01

Teamchef John Booth bezeichnet es als "traurig, dass wir Europa bis zur kommenden Saison hinter uns lassen, aber gleichzeitig beginnt jetzt ein sehr interessanter Teil des Rennkalenders, denn niemals zuvor fuhr die Formel 1 in einem derart kurzen Zeitraum so viele Rennen auf so vielen Kontinenten". In der Tat stehen bis Ende November noch sieben Grands Prix in Asien, Nord- und Südamerika auf dem Plan. Dreimal wird an direkt aufeinanderfolgenden Wochenenden gefahren.

"Singapur ist ein ganz besonderes Rennen, die Atmosphäre dort ist wirklich einzigartig", findet auch der Marussia-Teamchef. "Wenngleich wir vor einer grossen Herausforderung stehen, freut sich das gesamte Team auf das Rennen. Es wird interessant sein zu sehen, was für uns mit den jüngsten Entwicklungsschritten drin ist. Auch hier werden wir wieder ein paar neue Teile dabei haben. Wir sind optimistisch, dass wir unser selbst gestecktes Ziel erreichen können", so Booth. Dies heißt konkret, den Rückstand auf Caterham zu verkürzen.

Marussia steht zu Glock-Vertrag


Timo Glock steht bei Marussia an und für sich bis Ende 2014 unter Vertrag, doch erstens enthalten Formel-1-Verträge in den meisten Fällen bestimmte Ausstiegsklauseln und zweitens sind sie gerade bei den finanzschwächeren Teams oftmals nicht mehr sonderlich viel wert, sobald ein Paydriver mit einem grossen Sponsorenscheck wedelt. Genau das könnte bei Marussia nun der Fall sein, wenn man jüngsten Gerüchten glaubt.

Denn Max Chilton (21), 2009 Gesamtdritter der Britischen Formel-3-Meisterschaft und derzeit Fünfter im GP2-Zwischenstand, soll sich beim russischen Team angeboten haben. Medienberichten zufolge könnte er bis zu 50 Millionen Euro pro Saison mitbringen, was jedoch extrem hochgegriffen scheint - selbst dem bisherige "Rekordhalter" Pastor Maldonado wurde das Williams-Cockpit mit umgerechnet "nur" 37 Millionen Euro von der venezolanischen Erdölgesellschaft PDVSA erkauft. Dass hinter Chilton eine Menge Geld stecken könnte, ist aber nicht von der Hand zu weisen, schliesslich ist sein Vater Grahame Vize-Vorsitzender der amerikanischen Aon-Gruppe (Versicherungen und Risikomanagement, 61.000 Mitarbeiter) und Vorsitzender des Tochterunternehmens Aon Benfield. Dessen Umsatz ist unter Chiltons Führung seit 1996 von 50 auf 350 Millionen Britische Pfund (umgerechnet 438 Millionen Euro) gewachsen - und man darf davon ausgehen, dass dabei viel Geld in die Taschen des Rennfahrer-Vaters gewandert ist.

Glock hat jedoch einen gültigen Vertrag für das Jahr 2013. Der Fahrer und sein engstes Umfeld gehen fest davon aus, dass der 30-Jährige auch in der kommenden Saison im Marussia sitzen wird. Auf Anfrage erklärt Glocks Pressesprecherin Zsuzsa Szalontai, dass dem hessischen Piloten seitens des Teams genau dies zuletzt noch einmal ausdrücklich bestätigt wurde. Auch Teamchef John Booth antwortet auf die Frage, ob Glocks Vertrag in Stein gemeisselt sei, mit "Ja, natürlich" - und unterstreicht: "Wir haben einen Vertrag und wir sind beide Gentlemen." Weshalb man davon ausgehen muss, dass, wenn überhaupt, eher das Cockpit von Charles Pic wackelt, der jedoch seinerseits zwar weniger Geld mitbringt, als bei Chilton im Raum steht, dieses aber bisher stets zuverlässig überwiesen hat.

"Charles hat einen Einjahresvertrag", bestätigt Booth, dass es mit dem Franzosen noch keine feste Vereinbarung für 2013 gibt. Aber: "Wir reden miteinander und alle Parteien wollen weitermachen. Das ist unsere Absicht. Er leistete grossartige Arbeit und es wäre schön, ihn zu behalten." Sollte der 22-Jährige tatsächlich von Chilton verdrängt werden, könnte er mit seinen Sponsoren unter Umständen bei einem Team wie Caterham, wo noch beide Cockpits frei sind, oder auch Sauber, wo Kamui Kobayashi angeblich nicht unumstritten ist, andocken.

Das Budget des Marussia-Teams für 2012 liegt laut Informationen bei umgerechnet 50 Millionen Euro. Pic steuert dem Vernehmen nach fünf bis zehn Millionen Euro dazu bei.

15.9.2012