Ricciardo will in Monaco eine Sensation abliefern

Daniel Ricciardo möchte es Pastor Maldonado

nachmachen

Kaum ein Formel-1-Wochenende vergeht derzeit ohne grosse Überraschung. In Australien war die Verwunderung gross, dass Red Bull seine Dominanz verloren hatte, in Malaysia kämpfte Sergio Perez im Sauber um den Sieg, in China triumphierte plötzlich Mercedes, in Bahrain verblüffte Daniel Ricciardo mit Startplatz fünf und in Spanien sorgte Pastor Maldonado als Sieger für die ganz grosse Sensation.

Kein Wunder, dass nun die kleinen Teams Blut geleckt haben. 2012 scheint alles möglich - das gibt auch Toro-Rosso-Pilot Ricciardo Hoffnung. "Ich rechne damit, dass die Saison abwechslungsreich bleibt", glaubt er nicht, dass sich nach der turbulenten Anfangsphase die Favoriten klar durchsetzen werden. "Die Saison ist sehr unberechenbar und man weiss nie, was von Rennen zu Rennen passiert. Fünf Sieger in fünf Rennen sind unglaublich. Ich glaube, dass auch die restliche Saison in dieser Tonart über die Bühne gehen wird. Pastors Sieg ist das perfekte Beispiel für diese Unberechenbarkeit."

Ricciardo: Williams & Co. in Schlagdistanz

Dem Australier ist aber bewusst, dass die Sensationsteams der Saison besser aufgestellt sind als seine italienische Truppe: "Williams war in Barcelona sehr stark, und wenn man Barcelona für das Urteil heranzieht, dann liegen Williams und Sauber einen Schritt vor uns, was bedeutet, dass Force India wahrscheinlich unser schärfster Rivale ist." Ricciardo wähnt sein Team nicht weit weg von der Spitze, obwohl er und Teamkollege Jean-Eric Vergne in Spanien mit den Plätzen 13 und zwölf leer ausgingen. "Wir haben in Spanien ordentliche Arbeit geleistet", meint er. "Natürlich hofft man immer auf Punkte, und es ist enttäuschend, nicht für die harte Arbeit an diesem Wochenende belohnt zu werden. Uns fehlt aber nicht viel auf die Punkte. Nico Hülkenberg lag nicht weit vor uns, und ich weiss nicht, welche Probleme Mark im Red Bull hatte, aber offenbar lief es nicht gut bei ihm. Nicht weit hinter ihm zu liegen, ist ebenfalls positiv, aber ich würde gerne einen Schritt weiter vorne sein, wenn ich abgewunken werde."

Ricciardo träumt vom zweiten Monaco-Sieg

Um das zu erreichen, bereitet sich Ricciardo am Donnerstag im Simulator in Milton Keynes auf den Grand Prix von Monaco vor: "Hoffentlich kann ich in Monaco ein paar Runden drehen, denn das sollte mir in der kommenden Woche sehr helfen." Am Freitagmorgen reist er nach Kiew, wo er den Red-Bull-Boliden bei einem Showrun steuert, ehe er am Sonntag zu später Stunde wieder zurückkehrt. Am Montagabend geht es dann nach Monaco.

Ricciardo hat gute Erinnerungen an den legendären Stadtkurs, schliesslich triumphierte er dort 2010 in der Renault-World-Series. "Das war meine Monaco-Premiere und ich siegte", frohlockt er. "Einige Stunden später gewann Mark den Grand Prix - es war das perfekte Wochenende für uns Aussies. Das hat Spass gemacht." 2012 hofft er "auf eine Art Wiederholung. Ich denke, dass Pastor in Barcelona ein Wunder vollbracht hat und möchte nun in Monaco so etwas Ähnliches machen." Dafür muss das italienische Team aus Faenza aber schleunigst seine Qualifying-Schwäche in den Griff kriegen, denn nirgendwo ist die Startaufstellung wichtiger als im Fürstentum.

Ricciardo: Lieber Geniessen als Meckern


Kann die Diskussion um Michael Schumachers Kritik an den Pirelli-Reifen an irgendeinem Formel-1-Fan vorbeigegangen sein? Eigentlich nicht. Allerdings an einem Fahrer: "Ich lese die Webseiten gar nicht so häufig", räumt Daniel Ricciardo ein, der aber schliesslich doch noch von der Debatte um die Pneus erfuhr. "Man hört von diesen Dingen im Paddock", meint der Toro-Rosso-Pilot.

Seine Meinung ist schnell zusammengefasst: "Ich geniesse es, wie es im Moment ist", so Ricciardo, der dieser Tatsache in seiner ersten vollen Saison in der Königsklasse jedoch wenig Relevanz beimisst. "Ich habe keine Vergleichspunkte. Ich bin vielleicht die falsche Person, um danach gefragt zu werden", gibt sich der 22-Jährige zurückhaltend. Seine Eindrücke von den Pirelli-Reifen fasst Ricciardo so zusammen: "Manchmal muss man sich während des Rennens etwas zurückhalten, wenn man einen längeren Stint fahren will", stimmt er Schumacher zu, sieht das Problem des Rekordweltmeisters aber eher in dessen Vergangenheit. "Michael hat so viel Erfahrung. Vielleicht gefällt ihm das einfach nicht so gut wie die Reifensituation, die er vor einigen Jahren vorgefunden hat", spekuliert er.

Ricciardo, der im vergangenen Jahr elf Rennen für HRT bestritt und im Winter zu Toro Rosso wechselte, mangelt es an Vergleichsmöglichkeiten. "Mein Anhaltspunkt ist die Renault-World-Series. Mit diesen Autos musste permanent Druck gemacht werden und das hat eine Menge Spass gemacht", meint der Australier über die Nachwuchsserie, in der er von 2009 bis 2011 an den Start ging. Auf die Pneus musste er nichtsdestotrotz achten: "Trotzdem gab es auch dort viel Reifenverschleiss und am Ende des Rennens wurden die Rundenzeiten langsamer als zu Beginn - obwohl der Wagen leichter war", erinnert sich Ricciardo an die Renault-World-Series und sieht in der Königsklasse neue Reize. "Formel 1 ist anders, aber mir gefällt es, herauszufinden, wie ich meinen Stil anpassen muss", erklärt er.

Zwischenbilanz der Toro-Rosso-Piloten


Vor dem Europa-Auftakt der Formel-1-Saison 2012 herrscht im Lager des Toro-Rosso-Teams überwiegend Zufriedenheit, was den bisherigen Saisonverlauf betrifft. Sowohl Daniel Ricciardo als auch Jean-Eric Vergne stellten ihre Fähigkeiten in Übersee mehrfach unter Beweis. Die eingefahrenen WM-Punkte spiegeln das Potenzial der beiden Red-Bull-Junioren bis dato aber nur zum Teil wider.

Vor dem Grand Prix von Spanien orten die beiden Toro-Rosso-Piloten unterschiedliche Baustellen. "Meiner Meinung nach haben sich Jean-Eric und ich bei den ersten vier Rennen gut geschlagen", sagt Ricciardo, der gegenwärtig mit seinen zwei WM-Punkten vom Saisonauftakt in Australien auf Platz 15 der Fahrerwertung liegt. "Natürlich hätten wir gern ein paar mehr Punkte auf dem Konto, aber im Vergleich dazu, wo das Team vor einem Jahr stand, hat es einen Schritt nach vorn gegeben. Grundsätzlich steckt viel Tempo im Auto und die Stimmung im Team ist hervorragend", betont Ricciardo, der im Qualifying zum Grand Prix von Bahrain auf Platz sechs fuhr. "Auch hier ist mein Ziel wieder der Einzug in Q3", sagt der 22-Jährige in Barcelona. "Hoffentlich habe ich ein ähnlich gutes Qualifying wie in Bahrain, dann aber ein wesentlich stärkeres Rennen." Im Golfstaat kam der Australier unterm Strich mit einer Runde Rückstand als 15. ins Ziel.

Vergne mit Nachholbedarf im Qualifying

Im Gegensatz dazu hatte Vergne, der mit seinen vier WM-Punkten aus Malaysia auf Platz 13 der Fahrerwertung notiert wird, an den ersten vier Rennwochenenden samstags mehr Mühe als sonntags. "Wenn es etwas gibt, das ich aus den ersten vier Rennen des Jahres mitnehme, dann ist es die Erkenntnis, wie wichtig es ist, im Qualifying das Maximum aus dem Auto herauszuholen", so der Franzose "Ich kann sagen, dass ich in den Rennen gut und konstant unterwegs war, aber die Ergebnisse litten unter meinen Vorstellungen im Qualifying", legt Vergne den Finger in die Wunde. Ab diesem Wochenende soll es besser werden. "Seit Bahrain versuche ich mich verstärkt darauf zu konzentrieren, wo die Probleme liegen und wie sich diese lösen lassen. Vielleicht habe ich es einfach etwas unterschätzt, wie hart man in der Formel 1 arbeiten muss."
Inzwischen habe der 22-Jährige seine Sichtweise geändert und glaubt: "Es ist nur eine Frage der Zeit." In diesem Zusammenhang verweist Vergne auf die Entwicklung seines Teamkollegen Ricciardo im vergangenen Jahr. "Ich habe nie erwartet, dass ich von Beginn an so schnell bin wie Daniel, der über mehr Erfahrung verfügt. Auch er kämpfte im vergangenen Jahr gegen Vitantonio Liuzzi (bei HRT) mit dem gleichen Problem. Letztlich hat er es hinbekommen und das wird auch bei mir passieren." Unterm Strich gehe es laut Vergne darum, "die richtige Balance zwischen Qualifying und Rennen" zu finden.

Unterdessen sieht Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz den derzeit grössten Nachholbedarf weniger auf Seiten der Piloten als vielmehr beim Toro Rosso STR7. "Die Fahrer machen einen guten Job und zeigen, dass ihr Einsatz zu Recht erfolgte", wird der Österreicher von 'Salzburger Nachrichten' zitiert. "Das Auto kann noch besser werden, es bekommt in Barcelona ein Update. Es geht einmal darum, Konstanz statt ständigem Auf und Ab zu erreichen, und diese muss von der Technik kommen."

16.5.2012