Pirelli: Wer in Malaysia am besten stoppt, gewinnt

Welcher soll es denn sein? In Sepang braucht

es vielleicht auch Regenreifen...

"Für die Rennen wird es zweifelsohne eines der anspruchsvollsten Rennen des Jahres sein." Das sind die Worte von Pirelli-Motorsport-Direktor Paul Hembery. Der Brite prophezeit den Fahrern und Teams der Formel 1 einen sehr aufregenden und vor allem taktisch geprägten Grossen Preis von Malaysia. Der Sepang International Circuit bei Kuala Lumpur ist nämlich in vielerlei Hinsicht recht extrem.

Zwei lange Geraden und viele schnelle Kurven fordern Mensch und Material sehr viel ab. Und dann wäre da noch das tropische Klima mit seinen hohen Temperaturen und der grossen Luftfeuchtigkeit, was die Situation für die Beteiligten zusätzlich verschärft. Dies stellt auch die Pirelli-Reifen der Varianten mittel und hart vor eine schwierige Aufgabe - in Malaysia ist der Verschleiss gewaltig. "Die Pneus werden hier an ihr Limit gebracht", sagt Hembery. "Folglich ist der richtige Umgang mit den Pneus enorm wichtig. Und wir haben heute gesehen, dass die Strategie schon im Qualifying beginnt. Die Teams mussten entscheiden, ob sie für eine schnelle Runde einen erhöhten Verschleiss in Kauf nehmen, oder ob sie zu Gunsten der Reifen etwas vorsichtiger agieren", meint der Brite. Die meisten Piloten entschieden sich am Samstag für die übliche Taktik und daher für die weichere der beiden Varianten. Ausgerechnet Weltmeister Sebastian Vettel (Red Bull) wählte einen anderen Weg. "Es gibt aber einige gute Gründe, das Rennen auf den harten Reifen zu beginnen, die etwa 25 Runden halten werden", sagt Hembery. Schneller waren trotzdem die weich bereiften Fahrzeuge. Diese müssen voraussichtlich dreimal zum Reifenservice abbiegen: "Wir rechnen mit drei Stopps bei den Fahrern, die das Qualifying auf den weicheren Reifen beendet haben und mit diesen auch das Rennen starten müssen. Sie werden zu Beginn einen vergleichsweise kurzen Stint fahren, bevor sie auf die harten Slicks wechseln, die sich an diesem Wochenende bisher sehr stark präsentierten."

Wann kommt der harte Reifen zum Einsatz?

Der Verschleiss sei insgesamt "relativ hoch", doch das sei angesichts der Bedingungen und des Layouts der Strecke "nicht anders zu erwarten" gewesen, fährt Hembery fort. "Ich glaube, das wird denjenigen in die Karten spielen, die die klügste Strategie umsetzen. Entscheidend auf den extremeren Strecken wie dieser wird sein, mit den Reifen gut hauszuhalten", erklärt der Brite. Die grösste Schwierigkeit sei vermutlich, eine konstante Balance über einen kompletten Stint zu erwischen, meint Hembery. "Was mit vollem Tank funktioniert, muss nicht automatisch auch am Ende des Stints funktionieren. Wir rechnen aber hauptsächlich mit drei Boxenstopps. Manche sagen vier, doch anhand unserer Daten glaube ich nicht, dass das die Strategie des Siegers sein wird." Für manche Teams aus dem Mittelfeld könnte jedoch auch eine Zweistopp-Taktik aufgehen, sagt Hembery. "Es ist an der Grenze, aber es könnte gehen." Auf jeden Fall werden die ersten Piloten wohl schon nach zehn bis zwölf Runden an die Box kommen, erklärt der Pirelli-Motorsport-Direktor. "Wir haben simuliert, dass es besser ist, relativ früh auf den harten Reifen zu wechseln", meint Hembery.

Schonendes Fahren ist gefordert

Mit dem härteren der beiden Pirelli-Pneus seien dann voraussichtlich 23 bis 24 Runden drin, ehe erneut ein Reifenwechsel auf dem Programm stehen werde, erläutert Hembery. Das Starterfeld der Formel 1 scheint sich aber auf alle denkbaren Szenarien vorzubereiten. "Es wird ein harter Sonntag", sagt Lewis Hamilton (McLaren), der den Grossen Preis von Malaysia von der Pole-Position beginnt. "Streckenposition und Reifenhaushalt sind das A und O. Sepang ist eine sehr knifflige Strecke, was an den Asphalttemperaturen und der hohen Luftfeuchtigkeit liegt. Daher müssen wir sicherstellen, uns bestmöglich darauf vorzubereiten", meint der britische Rennfahrer. Startplatz eins war ein erster Schritt in die richtige Richtung für ihn. Ähnlich gut positioniert ist Michael Schumacher (Mercedes). Der Rekordchampion rechnet ebenfalls mit einem unterhaltsamen Rennen: "Ich gehe davon aus, dass am Sonntag jeder das Problem haben wird, seine Reifen zusammenzuhalten. Das wird die grosse Herausforderung darstellen", sagt Schumacher und erklärt: "Für die Fahrer bedeutet das, innerhalb der Grenzen der Reifen zu fahren. Da muss dann jeder für sich selbst wissen, wo das der Fall ist."

Je weniger Stopps, desto besser

Mercedes-Teamchef Ross Brawn geht etwas mehr ins Detail: "Wenn du den harten Reifen in das richtige Temperaturfenster bekommst, ist er ein richtig guter Pneu. Die Frage ist halt nur: Wie lange hält der Reifen? Vielleicht entschied sich Sebastian ja deshalb für den härteren Pneu, weil er hofft, dadurch weniger Boxenstopps absolvieren zu müssen", meint Brawn. On dieser Plan aufgeht? Brawn kennt die Antwort auf diese Frage nicht, merkt aber an: "Die Strecke kann sich am Sonntag schon wieder ganz anders verhalten." Dies öffnet riskanten Strategien vielleicht Tür und Tor - und bietet einem Kandidaten wie Bruno Senna (Williams) ganz neue Möglichkeiten: "Du kannst natürlich zocken und versuchen, mit zwei Stopps durchzukommen", hält der Brasilianer in Malaysia fest. "Das wäre ähnlich mutig wie eine Einstopp-Strategie in Melbourne. Wenn diese Taktik aber aufgeht, würde es sich sehr lohnen", sagt Senna. Ganz generell gilt laut Williams-Chefingenieur Mark Gillan auf jeden Fall folgende Faustregel: "Man versucht immer, so wenige Boxenstopps wie möglich zu absolvieren." Vielleicht kommt aber alles auch ganz anders - Regen ist nicht ausgeschlossen...

24.3.2012