Horner: In Sepang sieht es wieder anders aus

Teamchef Christian Horner sieht noch eine Menge

Spielraum nach oben

Nach den Plätzen fünf (Mark Webber) und sechs (Sebastian Vettel) im Qualifying zum Grand Prix von Australien in Melbourne sah es schon fast so aus, als hätte Red Bull die Vormachtstellung in der Formel 1 verloren. Das gestrige Rennen zeichnete dann ein anderes Bild: Vettel und Webber fuhren noch auf die Positionen zwei und vier und waren den McLaren-Piloten mindestens ebenbürtig.

Zwar spielte Sieger Jenson Button nach dem Restart seine Klasse aus und geriet nicht mehr ernsthaft in Gefahr, aber dahinter übte Webber enormen Druck auf Lewis Hamilton aus. Viele glauben: Wäre das Qualifying anders gelaufen, hätte Red Bull den Grand Prix gewonnen. Vor allem Webbers Leistung ist bemerkenswert, denn der Lokalmatador lag nach seinem verpatzten Start nur auf Platz neun und musste sich mühsam durch das Feld kämpfen.

Im Qualifying unter Wert geschlagen

Auch Christian Horner weiss, dass da noch einiges mehr geht: "Wir hatten das Gefühl, im Qualifying nicht unsere Leistung abgerufen zu haben. Mark hatte ein Problem mit KERS, das drei bis vier Zehntel gekostet hat, und Sebastian fehlte der letzte Run mit weichen Reifen im dritten Training. Weil der gefehlt hat, schlugen wir mit dem Setup möglicherweise nicht die beste Richtung ein", spielt der Teamchef auf den Ausritt des Deutschen am Samstagmorgen an.

Natürlich herrschte nach dem Qualifying im Red-Bull-Lager etwas Unsicherheit, aber Vettel ahnte schon vor dem Start: "Gestern war nicht unser Tag, aber heute kann das werden. Wir müssen auf dem Teppich bleiben: Das war nur ein Qualifying." Trotzdem konnte man nicht sicher davon ausgehen, dass sich das Blatt im Rennen tatsächlich wenden würde. "Wenn uns vorher jemand dieses Ergebnis angeboten hätte, hätten wir es definitiv genommen", gibt Horner zu. Vettel hatte zugegebenermassen auch das Glück auf seiner Seite, als er durch die Kombination aus zweitem Boxenstopp und gleichzeitiger Safety-Car-Phase an Hamilton vorbeikam: "Das Pace-Car kam für uns genau im richtigen Moment", weiss Horner. "Davon haben wir profitiert, und von da an waren wir im McLaren-Sandwich. Die vier Autos waren bis zur Ziellinie ziemlich gleich schnell, sodass sich keine echte Überholmöglichkeit mehr bot. Die DRS-Zonen waren auch nicht besonders mächtig."

Vom McLaren-Sieg nicht überrascht

Überrascht hat ihn die McLaren-Vorstellung im Albert Park nicht: "Wir wussten von den Wintertests, dass McLaren sehr konkurrenzfähig sein würde, aber unsere Rennpace war heute ebenbürtig", findet der Brite und ortet eine mögliche Steigerung: "Keiner der Fahrer war mit dem Auto hundertprozentig glücklich. Wir wissen, wo wir uns verbessern müssen, und wir haben einige Dinge in der Pipeline. Wir nehmen viel Positives aus diesem Wochenende mit."

Zum Beispiel, dass schnelle Kurven, wie es sie etwa in Malaysia in Überzahl gibt, Red Bull traditionell gut liegen, oder auch, dass Australien theoretisch eine klassische McLaren- und Mercedes-Strecke sein müsste. "Dass unterschiedliche Strecken unterschiedlichen Autos unterschiedlich gut liegen, haben wir ja vergangenes Jahr schon gesehen. Das hat teilweise von Wochenende zu Wochenende gedreht", erinnert sich Horner. "McLaren war hier schon immer stark. Im Vorjahr sass Lewis Sebastian auch über weite Strecken im Nacken. Es gibt halt Strecken, auf denen unsere Performance nicht ganz so überragend sein wird", ist ihm klar. Aber: "Ich denke, dass die Teams im Moment sehr eng beisammen liegen. Es wird wie immer ein Entwicklungsrennen. Wer auch immer es schafft, schnell genug Performance ans Auto zu bringen, wird davon profitieren."

McLaren vs. Red Bull: Der Wettlauf beginnt


Bereits im vergangenen Jahr war McLaren der stärkste Herausforderer für das Weltmeisterteam Red Bull. In diesem Jahr ist das Team aus Woking nicht nur deutlich besser in den Wintertests aufgetreten, sondern konnte sofort das Auftaktrennen in Melbourne gewinnen. Umgekehrte Vorzeichen: Im Augenblick befindet sich Red Bull im Hintertreffen und muss eine Aufholjagd starten. Sebastian Vettel und Mark Webber kamen nach durchwachsenem Qualifying mit einem blauen Auge davon. Während Jenson Button siegte und Polemann Lewis Hamilton auf Platz drei ins Ziel kam, holten Sebastian Vettel und Mark Webber auf den Rängen zwei und vier wichtige Zähler. Ohne zwischenzeitliche Safety-Car-Phase, die Vettel zum Reifenwechsel perfekt nutzte, wäre es wohl ein McLaren-Doppelsieg geworden. "Davon gehe ich fest aus, wir konnten das Tempo kontrollieren", meint McLaren-Teamchef Martin Whitmarsh.

Wann immer Vettel im letzten Renndrittel etwas auf den führenden Button aufholte, der Brite hatte stets eine Antwort parat. McLaren im Vorteil? "Wir wussten von den Wintertests, dass McLaren sehr konkurrenzfähig sein würde, aber unsere Rennpace war heute ebenbürtig", meint Red-Bull-Teamchef Christian Horner. Mark Webber stimmt zu: "Beide Teams scheinen ähnlich gut aufgestellt zu sein und zeigten hier in Melbourne ein sauberes Rennen. Schauen wir einmal, wie es in einer Woche läuft. Es ist noch sehr früh. Es sieht aber ganz danach aus, dass wir ein schönes Duell haben werden", meint der Australier. Red Bull hofft, dass sich die Situation in Sepang anders darstellen könnte. "Sepang ist kein temporärer Kurs und es gibt dort auch lange und schnelle Kurven", erklärt Horner in der Hoffnung darauf, dass Red Bull gerade in schnellen Ecken erneut einen Vorteil haben wird. Doch Amtskollege Whitmarsh hat ebenfalls Hoffnung. "Das Interessante bei den Tests war die Erkenntnis, dass wir im vergangenen Jahr die Traktion hatten und Red Bull in den schnellen Kurven besser war - nun ist es genau umgekehrt. Wenn diese Tendenz bestätigt wird, dann haben wir auch in Malaysia gute Karten. Das wird interessant", so der Brite. Hat McLaren ab sofort die bisherigen Red-Bull-Stärken? "Man kann es nie so genau einschätzen", schränkt Whitmarsh ein. "Nehmt allein mal die vergangenen 24 Stunden", so der McLaren-Teamchef. "Gestern hiess es noch, Red Bull sei irgendwo im Niemandsland und heute im Rennen waren sie gut dabei. Diese Verschiebungen machen unseren Sport so interessant. Wenn wir unser Auto jetzt nicht schnell genug weiterentwickeln, dann werden wir vielleicht durchgereicht. Es ist ein Wettlauf." Beide Teams arbeiten bereits jetzt unter Hochdruck an den nächsten Updates. Dabei hatten beide Teams erst beim letzten Test riesige neue Pakete enthüllt.

"Wir haben jetzt viel gelernt und müssen daraus unsere Schlüsse ziehen. Potenziell ist das Auto stark. Wir haben einige Probleme, die wir hier gehabt haben, verstanden. In Malaysia möchten wir sie komplett lösen. Wir haben auch viel in der Pipeline. Zwischen jetzt und Brasilien findet ein Entwicklungsrennen statt", verspricht Horner. Die beiden Topteams der Formel 1 liefern sich abseits der Rennstrecken einen technischen Wettlauf. "Sebastian ist in diesem Jahr in einer Situation, wo er nicht das schnellste Auto hat. Es wird sich zeigen, dass er damit sehr souverän umgeht. Er ist reif für den dritten Titel. Aber er ist auch so reif, zu sagen, dass es nicht an ihm lag, wenn es nicht klappen sollte", meint Ex-BMW-Sportdirektor Mario Theissen und stellt damit klar, dass er McLaren für stärker hält. Der erbitterte Kampf von McLaren und Red Bull ist eine schlechte Nachricht für Ferrari, denn die Roten müssen nicht nur mithalten, sondern sogar aufholen.

Webber: "Rosberg hatte einen unglaublichen Start"


Von Startplatz fünf auf Endrang vier: Was sich nicht nach einem sehr grossen Fortschritt anhört, wertet Mark Webber als ordentliche Leistung. Der australische Lokalmatador fuhr beim Rennen in Melbourne einen soliden Grand Prix und sah die Zielflagge nach 58 Runden hinter Jenson Button (McLaren), Sebastian Vettel (Red Bull) und Lewis Hamilton (McLaren). Damit kann er sich offenbar arrangieren. Zumal Webber auf diese Weise sein bisher bestes Australien-Ergebnis eingefahren hat. "Mit der ersten Runde war ich sehr zufrieden", sagt Webber bei 'Sky UK'. "Ich muss aber erst einmal schauen, was da genau los war. Rosberg hatte einen unglaublich guten Start. Er fuhr an mir und an Seb vorbei. Nach dem Start mussten wir uns neu sortieren, doch ich war danach sehr zufrieden mit meiner Fahrt."
Überhaupt gäbe der Grosse Preis von Australien viel Anlass zur Zuversicht. McLaren und Red Bull seien ungefähr auf einem Niveau zu fahren, was eine spannende Saison versprechen lasse. "Beide Teams scheinen ähnlich gut aufgestellt zu sein und zeigten hier in Melbourne ein sauberes Rennen. Die Fahrer sind natürlich sehr erfahren und bringen ihre Autos daher auch ins Ziel", erklärt Webber. "Unterm Strich hatte McLaren schon in der Qualifikation die bessere Position auf der Strecke. Wir mussten etwas aufholen", berichtet der australische Rennfahrer. "Nach der Safety-Car-Phase fuhren wir alle direkt hintereinander und kamen so auch über die Linie. Schauen wir einmal, wie es in einer Woche läuft. Es ist noch sehr früh. Es sieht aber ganz danach aus, dass wir ein schönes Duell haben."

19.3.2012