Lotus beim Quali Hockenheim auf verlorenem Posten

Viel Gischt um nichts: Lotus war im nassen

Hockenheim nicht sehr konkurrenzfähig

Für viele Piloten im Starterfeld bedeuten regnerische Bedingungen in erster Linie eine Chance, sich endlich einmal in Szene zu setzen. Bei Lotus geschah aber genau das Gegenteil: Sowohl Romain Grosjean als auch Kimi Räikkönen wurden nach hinten durchgereicht, als die ersten Regentropfen fielen. Nach den Startplätzen zehn und 19 begibt man sich nun auf eine intensive Fehlersuche.

Die Ausgangslage beim Grossen Preis von Deutschland wird der Situation in der WM-Wertung, wo Lotus derzeit auf dem dritten Tabellenrang geführt wird, schließlich rein gar nicht gerecht. Zu ändern ist es aber natürlich nicht mehr. Deshalb zeigt sich Räikkönen nach dem Qualifying ungerührt: "Es ist, wie es ist", meint der finnische Rennfahrer und zuckt angesichts dessen einfach mit den Schultern. "Es lief eigentlich ganz gut, doch aus irgendwelchen Gründen scheinen wir keinen Grip zu haben, sobald es nass wird. So ähnlich war es schon bei den anderen Rennen. Erklären kann ich es mir nicht. Unser Auto scheint im Nassen einfach nicht genug Abtrieb zu generieren", erklärt Räikkönen. An eigenen Fehlern habe es in Hockenheim nicht gelegen. "Ich hätte nicht viel schneller sein können." Und so rätselt der "Iceman" weiter, weshalb er nicht über den zehnten Platz hinausgekommen ist.

Auch Grosjean ist am Grübeln - und mehr noch als sein Lotus-Teamkollege. "Kimi war gut", meint Grosjean. "Ich lag in Q2 fast eine Sekunde hinter ihm zurück. Das ist natürlich zu viel. Deutlich zu viel. Wir versuchen, zu verstehen, weshalb das so war." Eine Antwort darauf hat aber er noch nicht parat. Nur einige Randerscheinungen: "Wir büssten zu Beginn von Q2 das KER-System ein. Das war dann natürlich keine Hilfe. Und auf einmal wurde der Regen immer stärker", berichtet Grosjean und merkt an: "So ist das halt. Manchmal läuft es im Qualifying einfach nicht so, wie du dir das vorstellst. Jetzt schauen wir einmal, was am Sonntag drin ist."

Schenkt man Räikkönen Glauben, dann so einiges. "Das Auto ist eigentlich ziemlich gut", findet der Ex-Champion. "Ich war an diesem Wochenende bisher recht zufrieden damit. Und am Sonntag soll es trocken sein. Leider befinden wir uns wieder einmal nicht in einer sehr guten Ausgangslage. Ich weiss aber: Wir haben ein gutes Auto. Wir müssen das Beste daraus machen. Gelingt uns ein guter Start, sollten wir ein solides Tempo fahren können. Und hier kann man richtig gut überholen. Das ist prima, doch erst einmal gilt es für uns, die erste Runde zu überstehen. Das ist hier nicht so einfach", sagt Räikkönen, während sich Grosjean nicht in Galgenhumor flüchten will. Ist seine Strafversetzung um fünf Positionen weniger schlimm, weil er ohnehin nur als 15. losgefahren wäre? Der für Frankreich startende Schweizer winkt ab.

"Eine Strafe ist niemals gut", sagt Grosjean. "Was mich aber am meisten ärgert, ist, dass es uns in Q1 im Trockenen an Tempo gefehlt hat. Ich spürte keinen Grip. Daran müssen wir über Nacht arbeiten, um uns am Sonntag zu steigern. Wenn wir noch zurückschlagen wollen, dann so. Wir müssen auf das Niveau der vergangenen Rennen gelangen, damit wir andere Autos überholen können", erklärt er. Räikkönen pflichtet seinem Stallgefährten bei - vor allem auf lange Sicht: "Vieles ist möglich. Wir müssen einfach konstant schnell sein. Wenn das Auto und du nicht schnell sind, kannst du keinen Blumentopf gewinnen. Ich denke aber, wir haben ein gutes Paket. Hoffentlich können wir uns im zweiten Abschnitt der Saison noch einmal steigern. Und dann schauen wir, wo wir damit stehen."

Boullier: "Sehe an Kimi keine Nachteile"


Lotus-Teamchef Eric Boullier ist davon überzeugt, eine der besten Fahrerpaarungen der Formel 1 zu haben, auf einem Niveau mit jener von Red Bull. Und wie Vettel/Webber seien auch Kimi Räikkönen und Romain Grosjean ähnlich stark: "Auf dem Papier bringt Kimi mehr Punkte und Zielankünfte, daher könnte er derjenige sein, der als Erster gewinnt. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass letztendlich beide dazu in der Lage sind", erklärt er in einem Interview mit 'formula1.com'.

"Ich finde, wir haben eine der besten Fahrerpaarungen", sagt Boullier. "Sie sind schnell und ergänzen sich. Vom Charakter her sind sie sehr verschieden. Es geht nicht darum, ob sie sich mögen oder hassen, aber sie müssen sich respektieren - und das tun sie." Obwohl Räikkönen eine eher gleichgültige Einstellung an den Tag legt, zum Beispiel in technischen Meetings, wohingegen Grosjean versucht, möglichst fleißig zu arbeiten und beim Team Sympathiepunkte zu sammeln.

Aber die nackten Zahlen sprechen für den "Iceman": Nach Punkten führt er 83:61, im weniger wichtigen Qualifying-Stallduell liegt er nur mit 4:6 im Rückstand. Warum Räikkönen im Rennen und Grosjean im Qualifying schneller zu sein scheint, ist laut Boullier "manchmal nur Zufall", könnte aber auch mit Grosjeans aggressivem Fahrstil zu tun haben. "Wenn wir Kimis Renn- und Romains Qualifying-Tempo kombinieren können, sollten wir gut in Form sein", meint der Teamchef.

Das Projekt Räikkönen-Comeback bewertet er als Erfolg: "Ich sehe an Kimi keine Nachteile, um ehrlich zu sein. Er hat seinen alten Speed sehr schnell wiedergefunden", betont Boullier. "Ich glaube, er tat sich mit der Stärke und Ellbogentaktik der anderen ein bisschen schwer, und mit dem Formel-1-Format an den Wochenenden. Aber das ist alles Geschichte. Jetzt ist er wieder da - und mich würde es nicht wundern, sollte er schon morgen gewinnen." Mit seinem Landsmann Grosjean ist der Franzose aber bei aller Kritik an dessen ungestümer Fahrweise ebenfalls zufrieden, denn: "Auch wenn er vor zwei Jahren sieben Rennen gefahren ist, hatte er nie eine Chance, richtig aufzublühen. Für mich ist er noch in seinem ersten Jahr. Er macht Fehler, natürlich, aber er ist ja noch jung. Das Gute ist, dass er einen Fehler nie zweimal macht. Er lernt, hört zu und wird mit jedem Rennen stärker."

22.7.2012