Hockenheim: Findet McLaren zurück zur alten Form?

Der grosse Wunsch der Briten: McLaren soll wieder

an Ferrari vorbeiziehen


Während sich Red Bull, Ferrari und Lotus an der Spitze immer mehr absetzen konnten, trat McLaren zuletzt auf der Stelle. Selbst die Updates an Frontflügel und Bremsbelüftung, mit denen die Briten beim Heimspiel in Silverstone antraten, brachten nicht den gewünschten Erfolg. Nach den Rängen acht (Lewis Hamilton) und zehn (Jenson Button) berief man in Woking eine Krisensitzung ein. Fahrer, Techniker und Teamverantwortliche berieten am vergangenen Dienstag über die weitere Marschroute.

"Wir haben die vergangenen drei Rennen analysiert und auf die Zukunft geschaut. Es gab natürlich viele kritische Anmerkungen. Das ist ganz normal, wenn es nicht so läuft wie man sich das vorstellt. Es gab aber gleichzeitig auch eine Aufbruchstimmung und positive Aussichten auf die kommenden Rennen", berichtet Button. "Da wurde es nicht laut, sondern wir haben vernünftig diskutiert. Bei uns wird nicht herumgeschrien. Solche Emotionen kommen nur heraus, wenn wir Rennsiege feiern. Es war sehr interessant. Wir haben beispielsweise auch nochmal auf Kanada geblickt, wo wir mit zwei völlig unterschiedlichen Varianten gefahren sind. Der Reifenverschleiß unterschied sich extrem. Es ist fast unmöglich, innerhalb von drei Runden ein Graining auf den Hinterreifen zu erzeugen, aber in Kanada war das bei mir so. Wir haben viel daraus lernen können", sagt der Champion von 2009. Man habe erkannt, dass man im Vergleich zur Konkurrenz deutliche Schwächen habe. "Wir treten hier mit zahlreichen Updates an, sowohl im mechanischen als auch im aerodynamischen Bereich. Hoffentlich funktionieren diese Neuentwicklungen gut", so Button vor dem Grand Prix in Hockenheim. "Ich bin überzeugt, dass es gut werden wird. Das sind keine komplizierten Entwicklungen wie damals ein angeblasener Diffusor oder so etwas, sondern logische Schritte, die uns schlichtweg schneller machen sollten. Ob es dann für ganz vorne reicht, weiß ich nicht. Aber es sieht gut aus."

McLaren ab sofort wieder siegfähig?

"Wir werden es morgen sehen", erklärt Teamkollege Hamilton, der in der WM-Wertung zwar 37 Punkte Rückstand hat, aber immerhin noch Titelchancen besitzt. "Ich weiss, wie viele neue Teile wir dabei haben. Ich hoffe sehr, dass diese uns den Fortschritt ermöglichen, um wieder um Siege kämpfen zu können. Das Team steht unter Druck, Updates bringen zu müssen, wir Fahrer stehen unter Druck, die nötigen Resultate zu holen. Unser Auto wird an diesem Wochenende sicherlich besser sein." McLaren hatte in den vergangenen Wochen den Anschluss verloren. "Wir sind nicht langsamer geworden. Andere haben ihr Potenzial besser ausgeschöpft oder technisch nachgelegt", sagt Button. "Ich hatte beispielsweise bei Lotus in den ersten Rennen nicht das Gefühl, dass sie alles abrufen können. Nun schaffen sie das - einige andere eben auch. Ferrari und Red Bull sind allen etwas davongezogen. Das liegt an deren großen Updates. Ferrari ist seit Barcelona richtig schnell. Dort bekamen sie ihre neuen Teile. In Valencia machte Red Bull den stärksten Eindruck, in Silverstone denke ich, hätte Fernando das Rennen gewinnen können. Die hatten eine seltsame Strategie. Ich halte den Ferrari für sehr schnell. Auch Lotus ist stark. Dahinter kommt dann eine ganze Reihe verschiedener Autos: Mercedes, Sauber, Williams und unseres. Force India ist auch fast dran", so die Einschätzung von Button. "Wir hatten bislang keine ausreichend großen Entwicklungsschritte, um vorne mithalten zu können." Dieses grosse, möglicherweise entscheidende Update kommt nun in Hockenheim an den MP4-27. Es wird für den weiteren Saisonverlauf sehr wichtig sein. "Ich weiss nicht, ob unser Auto sensibler als andere reagiert, aber Tatsache ist, dass es uns bisher immer schwer fiel, es im passenden Arbeitsbereich zu halten", erklärt Technikchef Paddy Lowe gegenüber 'Autosport'. "Das Auto hat keine grundlegenden Schwächen. Uns gelingt es nur nicht, stets das Beste aus den Möglichkeiten zu machen."

Abtrieb ist das Allheilmittel

Teams wie Sauber oder Williams haben es zuletzt immer besser verstanden, die Reifen im optimalen Betriebsfenster zu betreiben. "Wenn man sich den Reifenabbau im Vergleich zu den besseren Teams - inklusive Sauber - mal anschaut, dann waren wir diesbezüglich immer schlechter. Das liegt daran, dass die mehr Abtrieb haben. Es hängt zum Teil auch mit dem Setup zusammen", so die Einschätzung von Button. "Wir werden an diesem Wochenende besonders an unserer Longrun-Leistung arbeiten. Das war bisher eine grosse Schwäche. Im Qualifying sahen wir zuletzt oft besser aus als in den Rennen, was für McLaren sehr ungewöhnlich ist", sagt der Weltmeister von 2009. "Ich habe mich zuletzt schon wieder viel wohler im Auto gefühlt. Es war nur leider so, dass es generell an Tempo fehlte. Der Bereich, in dem wir am weitesten zurücklagen, war die Reifentemperatur. Wir haben dort aber auch mehr herum experimentiert als andere. Abtrieb ist Abtrieb. Je mehr du davon hast, desto einfacher wird alles andere. Du kannst dann viel besser die Temperatur in die Reifen bekommen, kannst auf manche behelfsmässigen Teile verzichten, die wir zuletzt brauchten, um die Reifen ins Fenster zu bekommen", so das Allheilmittel laut Button. "Im mechanischen Bereich haben wir neue Teile dabei, die uns bezüglich Verschleiß helfen sollten. Es sollte besser werden. Der grosse Schlüssel ist aber der Abtrieb. Er hilft dir beim Beheben von Problemen jeglicher Art."

Hamilton sendet Signale an McLaren

Hamilton wird vermutlich bei McLaren einen neuen

Vertrag unterzeichnen


Weil Mark Webber bei Red Bull um ein weiteres Jahr verlängert hat und Michael Schumacher sich womöglich erst im Oktober zu seiner Zukunft äußert, steht Lewis Hamilton derzeit im Zentrum zahlreicher Spekulationen. Der Vertrag des McLaren-Stars läuft am Jahresende aus. Die britischen Medien haben die Gerüchteküche zuletzt ordentlich brodeln lassen. Von einem möglichen Wechsel des Champions von 2008 zu Lotus war oftmals die Rede.

Vor einigen Wochen deutete Hamilton an, dass er sich einen Teamwechsel durchaus vorstellen könnte. Es war der Beginn eines Pokers, der vermutlich mit einer Vertragsverlängerung in Woking enden wird. Mittlerweile geht Teamchef Martin Whitmarsh von einem solchen Szenario aus. "Ich erwarte, dass wir bald einen langfristigen Vertrag haben werden", sagt der Brite, der seinen Star gern halten möchte. Auch der Pilot selbst deutet nun seinen Verbleib an. "Ich glaube fest an das Team", so Hamilton am Donnerstag in Hockenheim. Die Mannschaft aus Woking sei für ihn "wie eine Familie", in der er sich wohl fühle. "Alles andere würde sich nicht normal anfühlen", beschreibt er. Dennoch sondert der 27-Jährige den Markt. "In bin erstmals in einer solchen Situation und muss sorgfältig alle Optionen prüfen. Man darf nichts überstürzen. Die schlechtesten Entscheidungen trifft man, wenn man voreilig handelt."

McLaren war sportlich zuletzt nicht allzu gut aufgestellt. Die Briten wollen in Hockenheim mit umfangreichen Updates den Anschluss zur Spitze wieder herstellen und weitere Siege einfahren. Hamilton wünscht sich neue Erfolge, am liebsten weitere Titel. "Die vergangenen zehn bis 15 Jahre waren schwierig für das Team. Ich erwarte nun wieder einen neuen Höhenflug. Das Team hat so etwas zuletzt in den 1990er-Jahren mit Mika Häkkinen erlebt. Ich hoffe, dass es bald meine Phase sein wird", sagt Hamilton. "Ich traue mir das definitiv zu. Ich bin regelmässig begeistert, wenn ich sehe, wie hart das Team an Verbesserungen arbeitet. Dieses Team gibt niemals auf, ich auch nicht. Hoffentlich werden wir dafür belohnt", so der Brite, der in Hockenheim seinen 100. Grand Prix bestreiten wird. "Es ist schon krank, wie schnell die Zeit vergeht. Es fühlt sich unreal an. Ich finde, es ist kein Grund zum Feiern, wenn man 100 Grands Prix 'alt' wird. Ich hätte mehr erreichen können. Das ist aus gewissen Gründen nicht gelungen."

McLaren: Keine Deadline für neuen Hamilton-Vertrag


Bleibt er bei McLaren oder sucht er sich einen neuen Arbeitgeber? Die Frage nach der sportlichen Zukunft von Lewis Hamilton beschäftigt die Medien vor der Sommerpause der Formel 1 sehr intensiv. Denn mehr und mehr kristallisiert sich heraus, wie die Cockpitbesetzungen in der kommenden Saison aussehen werden. Bei Hamilton und McLaren erscheint an dieser Stelle aber noch ein Fragezeichen.

Wann also gedenkt man, sich dieser Aufgabe zu widmen? Darauf hat Martin Whitmarsh in einer Telefonkonferenz keine Antwort. Der Grund: Auf einen Termin haben sich McLaren und Hamilton nicht verständigt. "Ich denke nicht, dass wir uns eine Deadline setzen sollten", sagt Teamchef Whitmarsh. "Es muss aber eine Entscheidung getroffen werden. Da sitzen beide Parteien im selben Boot. Am besten, es passiert noch vor dem Ende der Saison. Ich glaube jedoch kaum, dass wir uns dafür einen zu engen Zeitplan setzen sollten", meint Whitmarsh und schliesst aus, dass sich Hamilton bei der Planung seiner sportlichen Zukunft von kurzfristigen Ergebnissen beeinflussen lassen wird. Die Läufe in Deutschland und Ungarn würden bei den Überlegungen Hamiltons wohl keinerlei Rolle spielen.

"Lewis ist klüger als das", sagt Whitmarsh. Zudem würde ohnehin zu viel spekuliert und in die Lage bei McLaren hineininterpretiert werden, betont der Brite. "Wir konzentrieren uns auf die aktuelle Saison. Die Medien scheinen da mehr Spekulationen, mehr Sorgen und mehr Interesse über und an dieser Situation zu generieren, als dass innerhalb des Teams und bei Lewis tatsächlich der Fall ist. Wir werden zwar oft danach gefragt, doch so viel Zeit, wie andernorts dafür aufgewendet wird, kostet uns das sicherlich nicht", erklärt McLaren-Teamchef Whitmarsh. Er kenne Hamilton nun schon "seit sehr langer Zeit" und rechne daher mit einem Verbleib seines Landsmanns. Zunächst aber wolle man die Rennen vor der Sommerpause gewinnen. "Genau so, wie wir jedes Rennen gewinnen wollen."

Hamilton in der Zwickmühle: Treue oder Erfolg?


Die einst spannendste Frage auf dem Formel-1-Transfermarkt scheint nicht mehr zu lauten, ob Lewis Hamilton einen Vertrag bei McLaren unterschreibt - sondern wann er es tut. Für den 27-Jährigen liegen kaum noch Optionen auf dem Tisch. "Wir haben uns noch nicht zusammengesetzt und das besprochen. Aber ich bin mir sicher, dass es gut wäre, während der Sommerpause etwas in die Gänge zu bringen", zitiert 'Autosport' den Briten aus einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur 'R-Sport'. Das klingt danach, als seien die Würfel gefallen.

Hamilton will weder Stress noch Druck: "Das wäre eine Zeit, in der wir entspannter sein und die vernünftigste Entscheidung für die Zukunft treffen können", insistiert er. Der Ex-Weltmeister will sich nicht von der aktuellen Formschwäche seines Teams leiten lassen. "Man muss seine Entscheidungen mit Blick auf einen viel, viel grösseren Zeitraum treffen. Ein halbes Jahr kann nicht sechs Jahre- oder sogar 13 Jahre - der Zusammenarbeit prägen."

McLarens Patzer veranlassen zum Grübeln

Doch Hamilton sitzt in der Zwickmühle. Einerseits fühlt er sich McLaren verpflichtet und schätzt Woking als sicheren Hafen. Er hat viele Vertraute. Anderseits braucht er für sein sportliches Glück ein Auto, mit dem er um den Titel fahren kann. "Es gibt einige Dinge zu berücksichtigen. Ich arbeite mit dem Team, seitdem ich 13 oder 14 Jahre alt bin. Diese Leute haben mich unterstützt, mich in die Formel 1 gebracht. Aber ich will eben auch gewinnen", beschreibt Hamilton das Dilemma. Zweifel an der Siegfähigkeit von McLaren sind - zumindest in der laufenden Saison - angebracht. Das Team leistete sich mit Hamilton zahlreiche Schnitzer: Strafversetzung wegen Getriebewechsels in China, Boxenstopp-Probleme in Bahrain, der Fauxpas mit der Spritmenge in Spanien und ein Strategiepatzer in Monaco. Dazu haben Ferrari und Red Bull ein Entwicklungstempo vorgelegt, dass McLaren offenbar im Moment nicht mitgehen kann.

Zu wenig neue Teile aus Woking

Hamilton betont, eine komplexe Entscheidung treffen zu müssen: "Es geht also um viel mehr als die kleinen Details, es ist ein viel, viel grösseres Puzzle", sagt der Brite, der die aktuelle McLaren-Krise nicht überbewerten will. "Ich war das ganze Jahr über bereit, Rennen zu gewinnen. Wir hätten viel mehr siegen sollen als wir es tatsächlich getan haben, aber es sind noch viele Grand Prix zu bestreiten. Wir haben noch mehr Chancen." Nur wann reisst der Geduldsfaden? Denn Hamilton weiss auch: "Bis jetzt haben wir nicht so schnell entwickelt wie andere." Allen voran die Tatsache, dass für den Heim-Grand-Prix in Silverstone keine bahnbrechenden neuen Teile vorbereitet wurden, hatte Hamilton geärgert. "Andere haben in der Vergangenheit mehr Upgrades gebracht, aber wir haben ein grosses für das nächste Rennen in der Hinterhand. Hoffentlich tut es, was es soll und bringt uns zurück in eine gute Ausgangsposition", gibt er sich optimistisch.

Siegen als oberste Maxime

Doch geht es wirklich um das aktuelle Auto? 'Autosport'-Redakteur Jonathan Noble schreibt in seiner Kolumne: "Vielleicht brennt Hamilton gar nicht so unter den Nägeln, was ihn im Moment frustriert. Vielleicht ist es eher die Frage, wie sich die Dinge in der Zukunft entwickeln", spekuliert er. "Er könnte das Gefühl bekommen, dass McLaren für ihn nicht so einen guten Job macht wie er für McLaren - auch wenn er das in der Öffentlichkeit niemals zugeben wird."

Eine Aussage, die Hamilton selbst im Gespräch mit 'R-Sport' macht, untermauert diese These: "Ich bin nicht mehr so jung und will sicherstellen, dass jede Entscheidung, die ich treffe, die richtige ist und ich so alles aus meiner Karriere herausholen kann." Dabei scheint der sportliche Erfolg die Verbundenheit zu McLaren in den Hintergrund zu drängen: "Ich muss nur sicherstellen, dass ich gewinne. Dafür lebe ich, dafür trainiere ich und dafür arbeite ich jeden Tag."

Flexibilität durch Ein-Jahres-Vertrag?

Zurück zu den nicht vorhandenen Optionen: Nach Mark Webbers Vertragsverlängerung bei Red Bull dürfte der Weg zu den Österreichern endgültig versperrt sein, bei Ferrari scheint Sebastian Vettel deutlich höher im Kurs zu stehen und eine Zusammenarbeit mit Fernando Alonso wäre ohnehin auf tönernen Füßen gebaut. Die einzig verbleibende Wechseloption - Mercedes - ist nur dann eine, wenn Michael Schumacher seine Karriere beendet. Der Rekordweltmeister spielt jedoch auf Zeit. Zeit, die Hamilton nicht hat. Heisst die Lösung also Ein-Jahres-Vertrag bei McLaren, wie Noble es glaubt? Wird aus verschiedenen Quellen immer wieder ein Deal über fünf Jahre und 100 Millionen Euro kolportiert, könnte eine entsprechende Einigung für Hamilton zwar finanzielle Nachteile, dafür aber sportliche Flexibilität bringen. Hinzu kommt, dass die Partnerschaft mit Hauptsponsor Vodafone über das Jahr 2013 hinaus ungeklärt ist steht und das neue Reglement ab 2014 die Dinge in einem neuen Licht erscheinen lassen könnte.

20.7.2012