Pirelli: China nicht mit Australien vergleichbar

Obwohl Pirelli in Schanghai dieselben

Slick-Mischungen wie in Melbourne bereitstellt, erwartet Paul Hembery diesmal ein lebhafteres Rennen

Der Grand Prix von China steht vor der Tür und alle Beteiligten sind sich einig, dass der richtigen Reifenstrategie eine grosse Bedeutung zukommen wird. Im vergangenen Jahr setzten die drei Erstplatzierten auf unterschiedliche Strategien und waren nach 56 Runden dennoch gerade einmal um 7,5 Sekunden getrennt.

Sieger Lewis Hamilton legte vor zwölf Monaten auf dem Shanghai International Circuit drei Stopps ein. Der Zweitplatzierte Sebastian Vettel begnügte sich mit deren zwei. Mark Webber zeigte mit drei Stopps eine beeindruckende Aufholjagd vom Ende des Feldes, ließ im Unterschied zu Hamilton aber die härtere Mischung zu Beginn aufziehen. "In China kann die Reifenstrategie den entscheidenden Unterschied machen", weiss Pirelli-Testfahrer Jaime Alguersuari. "Lewis Hamilton gewann im vergangenen Jahr mit einem Stopp mehr als Sebastian Vettel, während Mark Webber seine Reifen zu Beginn schonte und schließlich Dritter wurde", erinnert der Spanier. Nachdem Pirelli im Vorjahr die Soft- und Hard-Mischung nach Schanghai brachte, sind es diesmal Soft und Medium und damit dieselben Slick-Mischungen wie beim Saisonauftakt in Melbourne. Im Vergleich zu den Pneus der 2011er-Spezifikation weisen die aktuellen einen geringeren Performance-Unterschied untereinander auf.

Beim italienischen Reifenhersteller verspricht man sich dadurch noch mehr Vielfalt in puncto Strategie. "China gehörte zu den faszinierendsten Rennen in unserem ersten Jahr", blickt Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery auf den Grand Prix vor zwölf Monaten zurück. "Uns steht keine einfache Aufgabe bevor, wenn wir das in diesem Jahr toppen wollen." Der Brite ist dennoch optimistisch, dass dies gelingen kann: "Dank der Anpassungen über den Winter können die Fahrer mit den Slicks nun noch länger attackieren, was der Spannung auf der Strecke zu Gute kommen sollte. Obwohl die Temperaturen in China in der Regel eher niedrig sind, ist der Verschleiss aufgrund des einzigartigen Layouts der Strecke verhältnismässig hoch", wie Hembery herausstellt. Aus diesem Grund erwartet der Pirelli-Motorsportchef trotz der identischen Wahl der Slick-Mischungen wie beim Saisonauftakt am kommenden Wochenende ein lebhafteres Rennen als in Melbourne. "Die Herausforderungen, die auf unsere P Zeros warten, sind in Schanghai ganz andere", so der Brite.

Speziell die langgezogenen Kurven der 5,451 Kilometer langen Strecke verlangen den Vorderreifen alles ab. "Die richtige Abstimmung des Autos, speziell an der Vorderachse ist hier ganz entscheidend", sagt auch Sauber-Pilot Sergio Perez und pickt in diesem Zusammenhang vor allem die erste Kurve heraus: "Dort wird der linke Vorderreifen besonders stark beansprucht. Es kommt darauf an, ihn nicht zu schnell verschleissen zu lassen."

Alguersuari und di Grassi neue Pirelli-Testfahrer


Pirelli-Motorsportchef Paul Hembery musste zuletzt ohne Testfahrer auskommen, doch für diesen Monat kündigte er eine Entscheidung an. Diese hat man nun getroffen - Jaime Alguersuari und Lucas di Grassi werden in Zukunft als Formel-1-Testfahrer des italienischen Reifenherstellers fungieren. Erstmals hat Pirelli damit zwei permanente Tester unter Vertrag. Im Vorjahr füllte di Grassi diese Rolle alleine aus. Pirelli plant zwischen Mai und September vier Testwochen in Jerez, Spa-Francorchamps, Monza und Barcelona, wo erstmals der Renault R30 aus dem Jahr 2010 statt dem 2009er-Toyota eingesetzt werden soll. Dabei sollten die Reifenmischungen für die Saison 2013 entwickelt werden. Einige neue Mischungen könnten bereits diese Saison ausprobiert werden.

Alguersuari endlich wieder im Cockpit

Alguersuari, der von Toro Rosso im Dezember geschasst wurde und zuletzt mit einem Testfahrer-Job bei McLaren in Verbindung gebracht wurde, hat bei Pirelli eine Möglichkeit gefunden, sich weiterhin im Formel-1-Umfeld zu bewegen. "Ich bin sehr glücklich, diese fantastische Möglichkeit zu erhalten", sagt der Spanier. "Vor einer Woche feierte ich meinen 22. Geburtstag, und jetzt gibt mir Pirelli den besten verfügbaren Job." Die Vorfreude ist enorm: "Ich kann es gar nicht mehr erwarten, mit dieser sehr wichtigen und herausfordernden Aufgabe, die Reifen der Zukunft zu entwickeln, anzufangen. Meine Sehnsucht, endlich wieder hinters Lenkrad eines Formel-1-Autos zu kommen und in den Wettbewerb einzusteigen, ist riesig, daher ist das eine brillante Chance für mich."

Di Grassi kehrt zu Pirelli zurück

Auch di Grassi, dessen Virgin-Saison bereits zwei Jahre zurückliegt, freut sich über die Gelegenheit, zumal er die Zusammenarbeit im Vorjahr als "extrem erfolgreich" bezeichnet. "Wir haben gemeinsam viel gelernt, und daher sind wir beide extrem glücklich weiterzumachen", sagt der 27-jährige Brasilianer, der einen Vertrag beim Le-Mans-Team von Peugeot in der Tasche hatte, ehe das Projekt gestoppt wurde. "Das ist für mich eine gute Gelegenheit, mit der Arbeit des Vorjahres weiterzumachen. Daher kann ich Vergleiche zu allen Reifen ziehen, die ich bisher getestet habe. Diese Reifen sind jetzt ein fantastisches Element der Formel 1." Motorsportchef Hembery beweist mit zwei Testfahrern, dass Pirelli auch dieses Jahr keine Mühen scheut, für ein Spektakel zu sorgen: "Lucas wird uns den Referenzpunkt bieten, der wegen des bisherigen Entwicklungsprogramms notwendig ist. Jaime verleiht uns mit seiner Rennerfahrung aus den vergangenen drei Jahren eine zusätzliche Dimension. Wir werden die Fahrer für all unsere Aktivitäten mit Monoposto-Rennwagen verwenden, darunter die GP2 und die Entwicklung im Simulator."

Testfahrer-Job ein Sprungbrett?

"Ihr Inupt und ihre Expertise werden uns auf jeden Fall dabei helfen, noch weitere Fortschritte während der Saison zu machen, was in Wettbewerbs-Reifen resultieren sollte, die die Action weiter verbessern werden - und in Technologien, die sich vielleicht auch in unserer Produktpalette für die Serie wiederfinden werden." Dem Briten ist durchaus bewusst, dass der Testfahrer-Job bei Pirelli für junge Piloten Chancen birgt: "Da die Möglichkeiten, ein Formel-1-Auto zu fahren, so limitiert sind, handelt es sich um eine grosse Chance für Lucas und Jaime, um nicht nur ihre Test- und Entwicklungsfähigkeiten zu verfeinern, sondern auch um möglicherweise unseren ehemaligen Testfahrern Romain Grosjean, Pedro de la Rosa und Nick Heidfeld nachzufolgen und in die Formel 1 oder in eine andere Top-Motorsport-Kategorie zurückzukehren." Auch di Grassi hätte diesen Sprung im Vorjahr beinahe geschafft, doch dann zog Peugeot den Stecker. "Mit einem Auto so viele Kilometer zurückzulegen ist auf jeden Fall eine gute Vorbereitung, sollte sich in der Formel 1 eine Gelegenheit ergeben", sagt di Grassi gegenüber 'Autosport'. "Und selbst, wenn es keine Formel-1-Chance gibt, bleibt man in guter Verfassung, wenn sich bei den Le-Mans-Autos oder bei den IndyCars oder wo auch immer was ergibt."

Di Grassi hatte angeblich zwei Formel-1-Angebote

Ursprünglich wollte di Grassi neben Peugeot auch dieses Jahr für Pirelli testen. "Es ist gut, in einem Formel-1-Auto Kilometer zu sammeln", meint er. "Und ich habe auch technisch meine Fähigkeiten erweitert." Laut eigenen Angaben hatte der Brasilianer im Vorjahr zwei Formel-1-Angebote: "Aber ich hätte Sponsoren gebraucht. In der Formel 1 gibt es viele Piloten, die Geld mitbringen müssen, obwohl sie Talent haben. Es zeigt sich, dass auch die wirtschaftliche Seite von Bedeutung ist." Daher ist er von seinem Formel-1-Traum etwas abgekommen und könnte sich auch eine Karriere in anderen Kategorien vorstellen: "Wenn es die Möglichkeit gibt, in die WEC, die DTM oder zu den IndyCars zu gehen, um dort Rennen zu gewinnen, dann wäre das auch gut. Für mich steht im Vordergrund, um den Sieg oder um die Meisterschaft fahren zu können."

11.4.2012