Vettel siegt vor Räikkönen in Bahrain

Mark Webber gratuliert Teamkollege Vettel

zum Sieg

Viertes Rennen, vierter Sieger: Weltmeister Sebastian Vettel (Red Bull) beendete heute beim Grand Prix von Bahrain in Manama seine kurze Durststrecke und feierte seinen ersten Saisonerfolg. Heimlicher Mann des Rennens war aber Kimi Räikkönen (Lotus), der erstmals seit seinem Comeback wieder an einem Sieg schnupperte und letztendlich Zweiter wurde.

Nach 57 Runden hatte der "Iceman" 3,3 Sekunden Rückstand auf Vettel, dem er vor dem letzten Boxenstopp bedrohlich nahe gekommen war. In der 34. Runde betrug der Abstand zwischen den beiden erstmals weniger als eine Sekunde, sodass Räikkönen den verstellbaren Heckflügel (DRS) aufklappen und sich am Ende der Start- und Zielgerade jeweils ansaugen konnte. Doch in den Kurven konnte sich Vettel jeweils gerade so viel Vorsprung verschaffen, dass er in Führung blieb.

Nur eine echte Chance gegen Vettel

"Ich hatte nur eine Chance, aber da entschied ich mich auf der Bremse für die falsche Seite", ärgert sich Räikkönen. "Das war die einzige Situation, wo Vettel ein bisschen unter Druck war", analysiert der ehemalige Formel-1-Pilot Adrian Sutil. "Aber er hat das gut gemacht, sich nach innen gesetzt und den Platz verteidigt." Räikkönen bedauert: "Schade, dass es nicht geklappt hat." Aber immerhin darf er sich über seinen ersten Podestplatz seit 2009 freuen. Die Grundlage dafür wurde schon gestern geschaffen, als der Lotus-Pilot den Einzug ins dritte Qualifying verpasste und damit zwei Reifensätze sparte. "Kimi scheint wo einen Reifenhändler gefunden zu haben, denn er hatte immer neue Reifen! Das war schwierig", lächelt Vettel. Räikkönen sieht sich im Nachhinein bestätigt: "Die gestrige Entscheidung hat sich als richtig herausgestellt", freut er sich. Trotzdem lief nicht alles perfekt: "Ich habe am Anfang einen Platz gegen einen Ferrari verloren. Die anderen zu überholen, ist halt nicht einfach. Wir hätten gewinnen können, aber wir stehen mit beiden Autos auf dem Podium", zieht er Bilanz und spricht über sein Duell mit Teamkollege Romain Grosjean: "Es gibt keine Teamorder. Wir kennen die Regeln. Ich wollte so schnell wie möglich überholen, aber das ist bei zwei fast gleichen Autos nicht einfach."
Entscheidung durch letzten Boxenstopp

Grosjean erwischte diesmal einen guten Start und kam als Vierter aus der ersten Runde zurück, griff sich dann erst Mark Webber (Red Bull) und ein paar Runden später auch Lewis Hamilton (McLaren), während von hinten Räikkönen durch das Feld pflügte. In der 24. Runde kam es zum Überholmanöver - und von da an machte der "Iceman" Jagd auf die Führung. Doch der letzte Boxenstopp brachte die Vorentscheidung.
Weil die Red-Bull-Crew etwas schneller arbeitete als Lotus, konnte Vettel Räikkönen aus der DRS-Sekunde abschütteln. Zudem kam er mit harten Pirelli-Reifen offenbar besser zurecht als davor mit weichen. Aber der Lotus-Kommandostand witterte noch eine Chance: "Vettel hat stärker abbauende Reifen als du. Du wirst ihn einholen." Ein Irrglaube, wie sich herausstellen sollte, denn der Weltmeister liess von da an nichts mehr anbrennen. "Es war ein unglaubliches Rennen, manchmal extrem hart", jubelt Vettel. "Ich hatte einen guten Start und konnte mich sofort absetzen, was ein großer Vorteil war. Ich hatte ja keine neuen Reifen mehr, weil ich die schon im Qualifying verbraucht hatte. Kimi war sehr schnell, Romain auch, aber bei uns hat alles funktioniert. Das haben wir nicht erwartet, als wir ins Wochenende gestartet sind. Ein perfekter Sonntag!"

Erster Podestplatz für Grosjean

Grosjean fuhr im letzten Drittel ein einsames Rennen, hatte nach hinten fast eine halbe Minute Puffer auf Webber, der Vierter wurde. "Ein merkwürdiges Gefühl, aber ein gutes", sei das erste Podium, grinst der Franzose. "Wir wussten, dass wir ein gutes Auto haben, aber der Speed am Anfang hat uns selbst überrascht. Unser Auto ist sehr konkurrenzfähig. Jetzt will ich gewinnen, aber das wird noch ein bisschen dauern."
Romain Grosjean hielt sich nur kurz hinter Mark Webber auf Platz vier auf. Fünfter wurde Nico Rosberg (Mercedes), der diesmal nicht ganz an die Performance von Schanghai anknüpfen konnte. Rosberg verlor am Start vier Positionen, drängte dann Hamilton einmal relativ hart von der Strecke ab, was ihm eine Untersuchung durch die Rennleitung einbrachte. "Wundert mich nicht. Das war schon ziemlich hart, was Nico gemacht hat", findet Experte Marc Surer. Rosberg selbst sah das am Funk ganz anders: "Lewis hat mich neben der Strecke überholt! Bisher herrscht in dieser Saison ein Durcheinander", so Rosbergs Fazit. "Man weiß überhaupt nicht, wer im Rennen schnell ist. So oder so war das Wochenende okay für uns. Wenn man sich die ersten beiden Rennen anguckt, dann kann man sagen, dass wir da sehr langsam waren. Hier war es aber okay und die Bedingungen da draussen waren sehr schwierig. Das Reifenmanagement war extrem wichtig. Von daher kann man da ziemlich viel Positives sehen."

McLaren patzt an der Box

Hamilton spielte im weiteren Rennverlauf übrigens keine entscheidende Rolle mehr: Gleich nach dem Start konnte er die starke Pace von Vettel nicht gehen, dann musste er Grosjean passieren lassen - und die zwei ersten Boxenstopps gingen wieder einmal völlig in die Hose. Dass er am Ende mit einer Minute Rückstand zumindest noch Achter wurde, war angesichts dieser Umstände nicht selbstverständlich. Hamilton profitierte vom Pech seines Teamkollegen Jenson Button, der an siebter Stelle liegend mit Reifenschaden an die Box kam und eine Runde später mit einem technischen Defekt ganz abstellen musste. In jener Phase wollte er sich eigentlich gerade den einzigen Zweistopper im Feld, Paul di Resta (Force India) zurechtlegen, der mit abbauenden Reifen kurz zuvor schon einen Platz gegen Rosberg verloren hatte. Ferrari erreichte die Positionen sieben (Fernando Alonso) und neun (Felipe Massa) und erfüllte damit die bescheidene Zielvorgabe, mit beiden Autos zu punkten. Erfreulich vor allem die Performance von Bahrain-Spezialist Massa, der vor dem letzten Boxenstopp in Alonsos Windschatten sogar phasenweise schneller war und am Ende weniger als zehn Sekunden nach seinem Teamkollegen über die Ziellinie fuhr.

Mercedes von der Realität eingeholt

Michael Schumacher (Mercedes), bei dem vor dem Start das Getriebe gewechselt worden war, konnte nach einem katastrophalen Samstag immerhin noch einen WM-Punkt retten, 1,2 Sekunden vor Sauber-Youngster Sergio Perez und Nico Hülkenberg (Force India). Daniel Ricciardo (Toro Rosso), Sensationsmann des Qualifyings, erwischte einen schlechten Start, musste dann auch noch die Nase auswechseln lassen und wurde unterm Strich gerade mal 15. Eines der Themen des Tages waren die Reifen - und zwar nicht nur wegen der Performance, sondern weil es erstmals in der Pirelli-Ära zu drei Reifenschäden kam: Gleich nach dem Start musste sich Heikki Kovalainen (17./Caterham) neue Pneus abholen, später dann hatte Pastor Maldonado (Williams) einen schleichenden Platten und im Finish dann auch noch Button. Die Ursache dafür ist bisher nicht geklärt. Nach dem von zahlreichen Überholmanövern geprägten Grand Prix von Bahrain führt in der Fahrer-WM erstmals Vettel (53 Punkte) vor Hamilton (49) und Webber (48). Räikkönen liegt mit 34 Punkten an siebter Stelle. Bei den Konstrukteuren übernimmt Red Bull (101) Platz eins vor McLaren (92) und Lotus (57). Weiter geht's am 13. Mai in Barcelona (Spanien). Davor wird noch von 1. bis 3. Mai in Mugello (Italien) getestet.

Victory:

Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel


Das-Red-Bull-Team erlebte am Sonntag in Manama keinen leichten Grossen Preis von Bahrain. Sebastian Vettel stand gewaltig unter Druck, konnte am Ende Kimi Räikkönen im überraschend starken Lotus jedoch um knapp über drei Sekunden hinter sich halten, seinen ersten Saisonsieg und die Führung in der Weltmeisterschaft feiern. Teamkollege Mark Webber kam unterdessen zum vierten Mal in Folge auf dem vierten Rang ins Ziel. Damit geht auch die Führung in der Konstrukteursmeisterschaft an den österreichischen Rennstall.

"Das war ein unglaubliches Rennen, extrem hart", berichtet Vettel. "Ein guter Start war entscheidend, und ich war in der Lage, vom Feld davon zu ziehen, was ein grosser Vorteil war, da wir aufgrund der Tatsache, dass wir im gestrigen Qualifying beinahe alle Reifen verwendet hatten, jedes Mal auf angefahrenen Reifen fahren mussten. Kimi und Grosjean waren sehr schnell. Aber alles schien heute sehr gut funktioniert zu haben. Die Strategie war gut, und ich kann mich lediglich beim gesamten Team herzlich bedanken, und auch bei den Jungs in der Garage. Ich hatte es schon gestern gesagt, sie haben während den vergangenen vier Rennen unglaubliche Arbeit geleistet. Sie haben so viel gearbeitet. Wir haben sie darum gebeten, hier und dort Verbesserungen vorzunehmen, und sie sind mit den neuen Teilen angekommen, dann wieder mit alten Teilen, anschliessend erneut mit neuen Teilen, hin und her, und sie haben viel Zeit in der Garage verbracht, um unser Auto so hinzubekommen, wie wir es mögen. Aber wir haben es geschafft. Ich war mit dem Qualifying glücklich und heute das gesamte Rennen über. Kimi war heute schnell und es war knapp, aber ich bin extrem glücklich und stolz auf das Team."

"Das war kein schlechter Start", blickt Webber zurück. "Ich hatte in der ersten Runde kein KERS, es war aus diesem Grund schwierig, auf Lewis Druck auszuüben. Aber dann funktionierte es wieder. In den ersten beiden Rennabschnitten konnte ich mit diesen Jungs nicht mithalten - den beiden Lotus und Sebastian, also musste ich von da an konsolidieren. Lotus hat ein feines Auto, und wenn alles passt, dann funktioniert es gut. Heute haben wir gute Arbeit geleistet, und das zeigt, wie eng es in der Meisterschaft zugeht. Es hat schon viele verschiedene Gewinner gegeben. Ich habe heute ein paar gute Punkte geholt, und beide Fahrer und Red Bull Racing sind in der Meisterschaft gut unterwegs. Für mich war es nicht das aufregendste Rennen, aber es war ein guter Start in die Meisterschaft. Ich freue mich darauf, wieder zu den Rennen nach Europa zurückzukehren."

"Das war heute eine grossartige Leistung", so Teamchef Christian Horner. "Nachdem er gut von der Pole weggekommen ist, richtete sich Sebastian im Rennen ein und hatte einen sehr starken ersten Abschnitt. Die heutige Herausforderung war es gewesen, dass wir mehr aus den Reifen herausholen mussten, nachdem wir sie gestern stark verbraucht haben. Sebastian leistete einen reifen Job, indem er die Reifen am Leben hielt und die Drei-Boxenstopp-Strategie zum Funktionieren brachte. Wir führten die Boxenstopps zur exakt richtigen Zeit durch. Das war großartige Arbeit in der Box heute angesichts einiger toller Stopps und einem engen Rennen mit Kimi, besonders beim letzten Stopp - da war es entscheidend, diesen richtig hinzubekommen. Dank einer grossartigen Leistung der Boxenmannschaft haben wir es schlussendlich geschafft, in der Boxengasse eine Sekunde zu gewinnen. Auch Mark hat ein grossartiges Ergebnis abgeliefert. Es ist das vierte Mal in Folge, dass er auf den vierten Platz ins Ziel kommt. Einmal mehr haben wir gestern mehr Reifen verwendet als einige unserer Gegner, aus diesem Grund waren sie in der Lage, davon zu profitieren, dass sie frischere Reifen zur Verfügung haben. Aber er fuhr bis ins Ziel auf den vierten Platz ein gutes Rennen und hat für sich und das Team wertvolle Punkte geholt. Wir führen nun beide Meisterschaften an. Gratulation an Lotus zu ihrer heutigen sehr starken Leistung und einer Zielankunft mit zwei Autos auf dem Podium. Dies bedeutet auch, dass Renault-Autos auf den Positionen eins, zwei, drei und vier ins Ziel gekommen sind."

"Das war heute fantastisch", so Cyril Dumont von Renault. "Wir haben ein wirklich solides Rennen mit einem guten Start absolviert, und danach mussten wir einfach die erste Position von Sebastian festigen. Für Renault ist es ein fantastisches Ergebnis, und ich denke, dass wir 15 Jahre zurückgehen müssen, um das letzte Mal mit vier Renault-Autos auf den ersten Positionen in der Formel 1 zu finden. Das letzte Mal war 1997, ich möchte aus diesem Grund allen in Viry, bei Renault und bei Mecachrome für einen sehr guten Job danken."

Vettel denkt an kranke Oma


Nach einem "perfekten Sonntag" dachte Sebastian Vettel vor allem an seine kranke Grossmutter. "Ich möchte Grüsse in die Heimat schicken, an meine Oma: Gute Besserung", sagte der Formel-1-Weltmeister sichtlich bewegt. Dennoch löste sein erster Sieg seit einem halben Jahr und die erstmalige Eroberung der WM-Führung 2012 auch Glücksgefühle beim 24-Jährigen aus.

Erst sprintete er mit dem Helm in der Hand zurück an die Box, nachdem er seine "Abbey" schon wenige Meter hinter dem Zielstrich abgestellt hatte. Dann lauschte er mit geschlossenen Augen und tief atmend der Nationalhymne, und schliesslich schüttete er die halbe Flasche arabischen Rosenwassers über seinen Teamchef Christian Horner. In einem der umstrittensten Rennen der Formel-1-Geschichte hatte der in den vergangenen Wochen sichtlich frustrierte Titelverteidiger in der Wüste von Bahrain seine Durststrecke beendet und sich gleich an die Spitze der WM-Wertung gesetzt. Der Red-Bull-Pilot siegte beim während der gesamten Woche heftig diskutierten Grand Prix im Krisenstaat im Persischen Golf nach einem harten Zweikampf vor dem aus der Rallye-WM zurückkehrten Ex-Champion Kimi Räikkönen und übernahm damit auch die Führung im WM-Klassement.

Seinen zuvor letzten Sieg hatte Vettel am 30. Oktober 2011 in Indien gefeiert. Danach war er für seine Verhältnis lange fünf Rennen und inklusive Winterpause 175 Tage ohne Erfolg geblieben. "Ich bin sehr glücklich", strahlt er. "Das haben wir nicht erwartet, als wir ins Wochenende gestartet sind, aber um ehrlich zu sein habe ich mich das ganze Wochenende schon viel besser gefühlt mit dem Auto. Zum ersten Mal war die Balance so, dass ich wirklich an die Grenzen gehen konnte, und zwar konstant. Ich wusste, was ich zu erwarten habe, und das hat unterm Strich den Unterschied gemacht - nicht nur auf eine Runde im Qualifying, sondern auch im Rennen." Allerdings war das Rennen keineswegs ein Selbstläufer: "Es war extrem eng", spricht Vettel seinen Gegnern ein Kompliment aus. "Lotus war extrem schnell, schneller als vielleicht viele erwartet haben. Sie sahen schon am Freitag stark aus. Es war einmal ganz knapp mit Kimi, aber Gott sei Dank konnte ich meine Position verteidigen. Das hat sich als sehr wichtig rausgestellt."

Abschliessend sagt er: "Riesendank ans Team, die haben ganz hart gearbeitet und wenig geschlafen, wie ich gestern schon gesagt habe. Die verdienen den Sieg. Der Boxenstopp am Schluss war natürlich super, da haben wir ein bisschen Zeit rausholen können. Alles in allem ein perfekter Sonntag."

23.4.2012

Ergebnis GP Bahrain 2012

  • 1 S. Vettel Red Bull 1:35:10.990
  • 2 K. Räikkönen Lotus + 0:03.333
  • 3 R. Grosjean Lotus + 0:10.194
  • 4 M. Webber Red Bull + 0:38.788
  • 5 N. Rosberg Mercedes GP + 0:55.460
  • 6 P. Di Resta Force India + 0:57.543
  • 7 F. Alonso Ferrari + 0:57.803
  • 8 L. Hamilton McLaren +0:58.984
  • 9 F. Massa Ferrari + 1:04.999
  • 10 M. Schumacher Mercedes GP + 1:11.490
  • 11 S. Perez Sauber F1 + 1:12.702
  • 12 N. Hülkenberg Force India + 1:16.539
  • 13 K. Kobayashi Sauber F1 + 1:30.334
  • 14 J. Vergne Toro Rosso + 1:33.723
  • 15 D. Ricciardo Toro Rosso + 1 Runde
  • 16 V. Petrov Caterham + 1 Runde
  • 17 H. Kovalainen Caterham + 1 Runde
  • 18 J. Button McLaren + 2 Runden
  • 19 T. Glock Marussia + 2 Runden
  • 20 P. de la Rosa HRT F1 + 2 Runden
  • 21 N. Karthikeyan HRT F1 + 2 Runden
  • 22 B. Senna Williams + 3 Runden
  • - P. Maldonado Williams + 32 Runden Ausfall
  • - C. Pic Marussia + 33 Runden Ausfall