Lage in Bahrain weiter angespannt

Im Februar aufgenommen:

Gegen das Volk wird mit Panzern vorgegangen

Tränengas, Molotow-Cocktails, brennende Flaggen und die Ankündigung von "drei Tagen der Wut": Die Lage im Golfstaat Bahrain ist wenige Tage vor Eintreffen des Formel-1-Zirkus weiterhin alles andere als entspannt. Nachdem der Automobil-Weltverband FIA und Formel-1-Boss Bernie Ecclestone nach einem Gespräch mit Teamvertretern am Freitag die Austragung des Rennens am 22. April bestätigt hatten, scheint eine Absage nur noch durch eine Reisewarnung eines Auswärtigen Amtes oder einen Boykott von Fahrern oder Teams möglich. Dies scheint angesichts der jüngsten Ereignisse aber nicht mehr ausgeschlossen.

Der deutsche Pay-TV-Sender Sky, der finnische Kanal MTV3 und Fuji TV aus Japan haben bereits erklärt, aus Sicherheitsgründen keine Mitarbeiter nach Bahrain zu entsenden. Medienberichten zufolge kam es nach der Entscheidung der FIA in Bahrain zu Protesten. Dabei soll auch eine Flagge mit dem Konterfei von Formel-1-Boss Bernie Ecclestone verbrannt worden sein. Zudem soll in der bahrainischen Hauptstadt Manama mit Graffitis zum Boykott des Rennens aufgerufen worden sein.

Ecclestone von Journalisten zunehmend genervt

Ecclestone kann jedoch immer noch nicht verstehen, warum hinter vorgehaltener Hand viele Protagonisten Zweifel an der Richtigkeit des Grand Prix haben: "Welche Proteste?", fragt er genervt, von einem 'AFP'-Reporter auf die jüngsten Ausschreitungen angesprochen. Und er behauptet: "Niemand wurde erschossen. Wovon reden Sie überhaupt?" In Bahrain gehe es "ruhig und friedlich" zu. Dass es im Zuge des Arabischen Frühlings bisher mehr als 80 Todesfälle gegeben haben soll, kommentiert er nicht.

Nadil Radschab, Präsident des Bahrainischen Zentrums für Menschenrechte, bezeichnet die Austragung des Rennens in der 'Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung' deshalb als "keine weise Entscheidung. Statt Frieden bringt die Formel 1 Gewalt", sagt er. "Die Formel 1 steht damit für einen Sport, der Diktatoren und repressive Regime unterstützt. Dieses Rennen ist eine Schande." An die Formel-1-Piloten appelliert der Menschenrechtler: "Bitte stellen Sie das Geld diesmal hintenan und fahren Sie nicht!"

Auch die Schriftstellerin und Aktivistin Ala'a Shehabi äussert im TV-Sender 'Al Jazeera' ihre Bedenken an der Austragung. "Die Durchführung des Rennens in unserem besetzten Land ist eine große Provokation gegenüber den Gefühlen der Bevölkerung und eine Missachtung des Blutes, das jeden Tag vergossen wird", sagt sie. "Die Jugendvereinigung hat bereits drei Tage der Wut angekündigt und große Protestaktionen für die Renntage geplant."

Medien berichten kritisch über die Situation

Der einzige Vorteil des Rennens ist nach Ansicht von Shehabi, "dass Journalisten ins Land kommen, die sehen, was hier vor sich geht. In den vergangenen Monaten hat die Regierung vielen Journalisten die Einreise jedoch verweigert." So auch aktuell der bekannten Kriegs- und Krisenreporterin Antonio Rados vom deutschen Sender 'RTL'. "Viel Hoffnung, dass ich das Visum in den nächsten Tagen noch bekomme, habe ich nicht", sagt sie der 'Bild am Sonntag'. "Gerade jetzt werden sie keine politischen Journalisten ins Land lassen."

Dies bemängelt auch die Organisation RSF (Reporter ohne Grenzen). In einer Petition heißt es: "Es ist wichtig, dort nicht zu fahren. Ausländische Journalisten dürfen das Land nicht betreten." Derweil attackierte die Polizei laut der Oppositionsgruppe Al-Wefaq bei der Beerdigung eines im vergangenen Monat getöteten lokalen Journalisten die Trauergemeinde mit Tränengas und scharfer Munition. Ein 15-Jähriger soll dabei Schusswunden in der Brust erlitten haben und musste auf die Intensivstation gebracht werden.

So warnt auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erneut davor, den Grand Prix im Golfstaat wirklich stattfinden zu lassen. "Den Grand Prix 2012 in Bahrain auszutragen, birgt das Risiko, dass die Regierung Bahrains dies als Rückkehr zur Normalität deuten könnte. Obwohl die Machthaber das Gegenteil behaupten, wird weiterhin staatliche Gewalt auf Menschen ausgeübt, die Gegner der Meinung der Al-Chalifa-Familie sind. Im Alltag hat sich seit der blutigen Niederschlagung von Regierungsgegnern im Februar und März 2011 nichts verändert." Zudem wurde behauptet, dass die Zahl der Gewaltakte gegen die Polizei in den vergangenen drei Monaten "beträchtlich gestiegen" sei.

Kritik von Menschenrechts-Organisationen

"Die internationale Gemeinschaft darf bei den fortwährenden Menschenrechtsverletzungen in diesem Land kein Auge zudrücken", heißt es weiter. "Die Behörden Bahrains haben sich in den vergangenen Monaten mehr darum gekümmert, ihr Image wiederherzustellen und Werbung zu betreiben, statt sich mit den Menschenrechten und den politischen Reformen zu befassen. Die Regierung muss aber verstehen, dass ihre halbherzigen Massnahmen nicht ausreichend sind."

Aufgrund der anhaltenden Unruhen - unter anderem waren bei einem Bombenanschlag am Ostermontag sieben Polizisten verletzt worden - hatten sich Stimmen gemehrt, das Rennen im Golfstaat wie im vergangenen Jahr abzusagen. Die FIA und Ecclestone haben sich dazu jedoch nicht durchringen können.

"Warum der nächste Grand Prix in Bahrain stattfinden wird? Weil der Termin im Kalender steht - das war immer so geplant", argumentiert Todt gegenüber 'RTL'. "Es hat eine Kontroverse darüber gegeben, aber die FIA ist eine Sportorganisation. Wir interessieren uns nur für Sport und nicht für Politik. Unsere Verantwortung ist, dass jeder unter sicheren und guten Bedingungen dort hingehen kann. Das wird der Fall sein. Wir haben diesbezüglich mit den Vertretern der Regierung, mit den Botschaften und mit den Nachbarländern gesprochen, ebenso wie mit europäischen Aussenministerien. Es hat einen ausführlichen Untersuchungsprozess und viele Kontrollen gegeben. Es ist eindeutig, dass man den Grand Prix durchführen kann", behauptet der Franzose. "Zurzeit findet in Bahrain ein grosses Golfturnier statt. Einerseits gibt es leider unerfreuliche politische Aspekte, aber die gibt es überall auf der Welt. Auf der anderen Seite haben wir den Sport. Wir sind zuversichtlich, dass der nächste Grand Prix hoffentlich genauso gut ablaufen wird wie dieser hier in China."

16.4.2012