Button hat Sauber und Lotus auf der Rechnung

Jenson Button sprüht vor dem Saisonauftakt

in Melbourne vor Zuversicht

Nach den Eindrücken aus den Wintertests haben viele Beobachter ein Duell zwischen Red Bull und McLaren auf dem Zettel. Mercedes werden ebenso Chancen auf starke Ergebnisse eingeräumt, von Ferrari-Siegen spricht hingegen derzeit kaum jemand. McLaren-Pilot Jenson Button sieht eher andere Konkurrenz weit vorne. Der Brite rechnet mit einem Auftrumpfen von Sauber und Lotus. In mehreren TV-Interviews am Donnerstag in Melbourne erklärte Button seine Erwartungen.

Frage: Jenson, jetzt geht es wieder los...

Jenson Button: Exakt! Wir alle lieben es, hierher zu kommen. Endlich der Saisonstart nach den harten Wintertests. Wir wissen noch nicht genau, wo wir stehen. Jetzt sind wie in Melbourne, Albert Park - eine fantastische Strecke mit toller Atmosphäre. Es ist die perfekte Art, in eine neue Formel-1-Saison zu starten. Wenn wir Piloten unsere Augen kurz schließen und die Motoren gestartet werden, dann schließen wir unseren inneren Frieden. Dann sind wir zu Hause. Auf diesen Moment freue ich mich.

Bist du nach den Testfahrten zuversichtlich und glücklich?

Man würde natürlich immer noch gern ein paar Runden zusätzlich drehen, um das Auto noch weiter abzustimmen. Aber so ist es nun einmal. Ich hatte nicht allzu viel Zeit, das neue Aeropaket zu testen. Aber es funktionierte alles korrekt und ich bin mit den Ergebnissen recht glücklich. Wir kommen zuversichtlich hierher, aber man weiss nie, wo man wirklich steht. Dieser Winter war wirklich etwas komisch. Es war extrem schwierig zu erkennen, wie sich die Hackordnung darstellen könnte. Es hatte den Anschein als wären wirklich viel sehr schnelle Autos unterwegs. Das verspricht doch ein aufregendes erstes Rennen.

Es sind sechs Weltmeister am Start. Spielt das eine Rolle für dich? Bist du stolz, zu diesem Kreis zu gehören?

Ja, klar. Ich bin sicher, dass jeder von uns nun einen weiteren Titel holen möchte. Es ist super, wenn ein solch starkes Starterfeld antritt. Es sind auch noch viele Piloten ohne WM-Titel dabei, gegen die man wunderbare Rennen fahren kann. Die Formel 1 ist wirklich gut aufgestellt. Das Talent, das in der Formel 1 am Start ist, ist wirklich immens. Auch die vielen starken Teams, die einen tollen Job machen. Mich freut es sehr, dass die Formel 1 so stark dasteht.

Im vergangenen Jahr bist du weniger gut ins Jahr gekommen, aber hattest ein starkes Finish. Wird es dieses Jahr anders laufen?

Naja, ich war damals Zweiter im zweiten Saisonrennen. So schlecht war es nicht. Okay, das erste Rennen war damals nicht so toll. Man will natürlich immer einen guten Start ins Jahr erwischen. Das ist immer das Ziel. Man will mit einem guten Ergebnis loslegen und mit einem guten Resultat abschließen. Nur so kannst du Meisterschaften gewinnen. Wenn du zwischendurch schlechte Rennen hast, dann kannst du kaum um den Titel kämpfen. Wir kommen gut vorbereitet hierher, aber wir wissen nicht, ob wir stark genug sind. Wir müssen den Sonntag mal abwarten. Wir fühlen uns stark. Mal schauen, wie stark wie sind.

Von den letzten sechs Melbourne-Siegern haben fünf später den Titel geholt. Wie wichtig ist das Rennen demnach hier?

Es ist wichtig, weil es eben der Saisonstart ist. Erstmals bekommen wir nach den Wintertests ein klares Bild. Das Team, das beim Start gut aufgestellt ist, kann sich meistens über das gesamte Jahr vorne halten. Das Rennen ist somit wichtig, aber doch es ist nicht alles. Man könnte hier mit einem Podestrang zufrieden sein, denn man sammelt dann ordentlich Punkte. Aber wir Fahrer wollen immer den Sieg. Sobald wir in ein Rennen gehen, dann fahren wir um den Sieg - und um nichts anderes.

Wen gilt es in diesem Jahr zu schlagen? Ist Red Bull der einzige Gegner?

Es ist nicht nur Red Bull. Natürlich werden die stark sein, denn die hatten in den zurückliegenden drei Jahren immer ein tolles Auto. Die werden dabei sein. Aber wir müssen auch auf Mercedes achten, auf Lotus ebenso und sogar auf Sauber. Wenn man sich beim Test die Longruns angeschaut hat, dann waren da sehr viele auf dem gleichen Niveau. Gut möglich, dass einige Teams aus der zweiten Reihe des Jahres 2011 nun vorne mitkämpfen können. Die ersten paar Rennen werden hart für uns alle.

Rechnest du also mit ungewöhnlichen Rennergebnissen?

Naja, was heisst schon ungewöhnlich. Jeder wird für seine Arbeit belohnt. Tatsache ist allerdings, dass eine Formel-1-Saison sehr lang ist. Man muss sich erst einmal über ein gesamtes Jahr vorne halten können. Da sind die grossen Teams im Vorteil. Aber es werden sich viele wundern, wie schnell Sauber und Lotus im Qualifying sein werden. Die haben mich wirklich beeindruckt. Das meine ich völlig ernst. Ihr werdet es sehen.

Wie wirken sich die neuen Regeln auf das Fahrzeugverhalten aus?

Eigentlich ist es recht ähnlich. Nur in dem Moment, wo du wieder auf das Gas gehst, da hast du weniger Anpressdruck, weil er angeblasener Diffusor weg ist. Am Heck ging viel Abtrieb verloren. Dann nimmt man eben auch vorne etwas Downforce weg, um die Balance wieder herzustellen. Letztlich ist der Unterschied dann nicht mehr allzu gross.

Bist du physisch und psychisch gut vorbereitet?

Unfassbar gut! (lacht) Im Ernst: Ich bin wirklich mit den Abläufen des Winters sehr glücklich. Die Zusammenarbeit mit Team und Technikern, mein Fitnessprogramm, meine Ernährung - alles lief bestens. Ich bin in guter Form.

In Japan hast du sogar einen Marathon absolviert...

Nein, meine Freundin ist Marathon gelaufen, ich nur zehn Kilometer. Aber ich wurde Siebter bei insgesamt 4.500 Startern. Ich weiß bis jetzt noch nicht, wie ich das schaffen konnte. Ich bin einfach nur gerannt.

Warum bist du 'nur' die zehn Kilometer gelaufen?

Ich habe an diesem Wochenende einen Job zu erledigen, muss hier einen Grand Prix fahren. Es ist Saisonstart. Ich bin am Dienstag in Melbourne angekommen, habe dann erst einmal viel Sport gemacht, um den Kopf noch einmal frei zu bekommen. Aber jetzt ist es schön, dass die Action losgeht.

Über dem Himmel von Melbourne ziehen immer mehr dunkle Wolken auf...

Ja, am Freitag soll es regnen. Ich denke, dann werden wir nicht allzu viel fahren. Am Samstag und Sonntag soll es angeblich trocken sein, aber in Melbourne kannst du bezüglich des Wetters nie sicher sein. Das ist schön. Man muss sich eben auf alle Eventualitäten vorbereiten.

Rubens ist nun nicht mehr dabei. Hattest du die Zeit, deinen Kumpel mal anzurufen? Wird man ihn vermissen?

Wir haben drei Jahre lang zusammengearbeitet. Wir sind wirklich befreundet und ich habe höchsten Respekt vor ihm. Wir werden ihn ganz sicher vermissen. Die Enttäuschung war gross, als deutlich wurde, dass er dieses Jahr nicht mehr in der Formel 1 fährt. Ich bin etwas enttäuscht, dass Rubens so dermassen verbissen um seine Formel-1-Zukunft gekämpft hat. Wir hätten sonst eine wunderschöne Abschiedsparty in Brasilien haben können. Aber so ist Rubens eben, er ist ein Racer durch und durch. Nach so vielen Jahren hat er immer noch den Biss. Er ist nach wie vor ein schneller Mann. Wenn es um die Erarbeitung eines Setups für das Auto geht, dann ist er garantiert einer der besten Leute in diesem Geschäft. Schade, dass er nicht hier ist. Nun startet er eine neue Karriere bei den IndyCars. Das ist mutig, wenn man so lange Formel 1 gefahren ist. Rubens wird stark sein. Da bin ich sicher.

Du wirkst sehr zuversichtlich. Liegt es daran, dass sich in letzter Zeit viele Dinge in deine Richtung gedreht haben?

Die Zuversicht steigt, wenn dir das Team vermittelt, dass es an dich glaubt. So ist es bei McLaren der Fall. Als ich beim Team neu war, da wusste ich nicht recht, was ich erwarten sollte. Aber die Atmosphäre ist super. Es war so wie bei Brawn. Man schart einige Leute um sich herum und schafft sich ein Umfeld, das letztlich Siege ermöglicht. Man springt nicht nur ins Auto und gibt Gas, sondern daneben passieren sehr viele wichtige Dinge. Nur so kannst du vorankommen. Das musst du als Fahrer heutzutage machen. Ins Auto hüpfen und schnell fahren - das reicht nicht mehr.

Mit sechs Weltmeistern geht es in 20 Rennen. Wie gehst du die Saison an?


Ich will jedes einzelne Rennen gewinnen. Mit diesem Ziel muss man die Sache angehen. Dafür braucht man ein Auto, dass beim Saisonstart und im Finish - also jederzeit - diese Siege zulässt. Man darf keine Zuverlässigkeitsprobleme haben. 20 Siege sind das Ziel.

Werden die veränderten Reifen ein Problem?


Nein, überhaupt nicht. Der Unterschied ist auch nur minimal. Im vergangenen Jahr waren wir mit den damaligen Reifen testen und es war furchtbar. Beim ersten Rennen ging es dann aber plötzlich doch viel besser als befürchtet. Mit den Reifen für dieses Jahr wird es kaum anders sein.

Wie siehst du das Comeback von Kimi?

Das ist doch toll. Ich habe schon mit ihm gesprochen. Irgendwie zeigt diese Geschichte aber auch, dass man dem Sport vielleicht nicht zu früh den Rücken kehren sollte. Jeder Job hat seine schlechten Seiten, aber wir haben doch definitiv einen der besten Jobs der Welt. Michael war weg und kam wieder, Kimi war weg und kehrt nun zurück. Man sollte sich demnach also gut überlegen, wann man die Szene verlässt. Es ist schön, dass Kimi wieder da ist. Er ist ein interessanter Charakterkopf und ein schneller Rennfahrer. Ich freue mich auf die Duelle.

Wie ist dein Verhältnis zu Lewis im Moment? Ihr geht nun in das dritte gemeinsame Jahr bei McLaren...

Ja. Ich gehe nicht mit dem Gedanken in die Saison, dass ich unbedingt vor Lewis landen muss. Allerdings ist es nun einmal so, dass ich meinen Teamkollegen schlagen muss, wenn ich Weltmeister werden will. Wir arbeiten nach wie vor gut zusammen. Wir haben beide das gleiche Ziel: Rennsiege und WM-Titel. Wenn das Visier heruntergeklappt ist, dann kämpft jeder für sich selbst. Das ist ganz normal.

Button stärkster Red-Bull-Rivale?


Im Vorfeld der neuen Saison hatte Red-Bull-Teamchef Christian Horner den amtierenden Vizeweltmeister Jenson Button auch für das bevorstehende Rennjahr als den stärksten Gegner seines Teams ausgemacht. Lewis Hamilton traut der Chef der Weltmeistermannschaft aus Milton Keynes demnach keine ernsthaften WM-Chancen zu. In Melbourne setzte Horner noch einen drauf und bemerkte, dass er sich trotz diesbezüglicher Gerüchte im Vorjahr Hamilton als Red-Bull-Fahrer nicht vorstellen könne. Der McLaren-Pilot zeigt sich von den Äusserungen Horners unbeeindruckt und plant, sich ausschliesslich auf seine eigenen Aufgaben zu konzentrieren, die da heissen: Teamkollege Button schlagen und Weltmeister werden.

"Ich höre zum ersten Mal von diesen Aussagen, aber sie bringen mich ganz sicher nicht aus der Ruhe", so Hamilton gegenüber 'BBC'. "Jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung", betont der Weltmeister des Jahres 2008 und versichert: "Das kümmert mich nicht, wenn ich auf die Strecke gehe und meinen Job erledige." In diesem Zusammenhang gesteht Hamilton, dass er speziell in den vergangenen Jahren "gern mehr erreicht hätte". "Mein Weg war aber von Beginn an vorbestimmt", sagt der 27-Jährige im Hinblick auf die Förderung seitens McLaren und durch seinen Vater Anthony. "Ich hatte ganz sicher eine steile Lernkurve", blickt er zurück und gleichzeitig voraus: "Wenn ich so lange fahre wie Michael (Schumacher), habe ich noch reichlich Zeit. Ich bin überzeugt, dass ich weitere WM-Titel gewinnen kann."

Keine guten Karten für Hamilton bei Red Bull


Der McLaren-Vertrag von Lewis Hamilton läuft Ende der Saison 2012 aus. Wo der Weltmeister des Jahres 2008 im kommenden Jahr fahren wird, ist derzeit offen. Gerüchteweise wurde der Brite in den vergangenen Wochen und Monaten sowohl mit Red Bull als auch mit Mercedes in Verbindung gebracht. Ein Verbleib bei McLaren ist ebenfalls nicht auszuschliessen. Red Bull jedenfalls schränkt die Möglichkeiten für Hamilton deutlich ein. "Es ist schwer vorstellbar, Lewis bei uns im Team zu haben", wird Teamchef Christian Horner von 'The Telegraph' zitiert. Im Juni des vergangenen Jahres hatte sich Hamilton am Rande des Grand Prix von Kanada in Montreal mit Horner in dessen Motorhome zu Gesprächen getroffen, was den Gerüchten über einen möglichen Wechsel zu Red Bull Nahrung verlieh. "Ich glaube er fühlt sich in seiner aktuellen Umgebung wohl", deutet Horner im Vorfeld des Grand Prix von Australien auf einen Verbleib Hamiltons bei McLaren hin und fügt mit Blick auf die derzeitige Kombination Sebastian Vettel/Mark Webber hinzu: "Wir fühlen uns mit unseren beiden Fahrern ebenso wohl."

Vettel und Hamilton im Team schwer vorstellbar

Dem Gedanken, in Person von Vettel und Hamilton zwei der stärksten Fahrer in seinem Team zu haben, kann der Teamchef wenig abgewinnen: "Es ist wichtig, die richtige Balance zu bewahren. Das gilt nicht nur für die Piloten, sondern für die gesamte Organisation. Unsere Präferenz ist es sicherlich, auf einen der Fahrer zu setzen, auf die wir bereits in jungen Jahren gesetzt haben." Sollte nach Ablauf der Saison 2012 tatsächlich ein Fahrerwechsel bei Red Bull anstehen, so stellt Horner klar, dass er "eher intern als extern" nach einem neuen Piloten Ausschau hält: "In Person von Jean-Eric Vergne und Daniel Ricciardo haben wir zwei wirklich aufregende Youngster in unseren Reihen. Beide sind sehr talentiert und verdienen diese Chance."

Macht Mark Webber weiter?

Dass einer der beiden Toro-Rosso-Piloten bereits im Winter 2012/13 zum aktuellen Weltmeisterteam stösst, sei laut Horner aber alles andere als sicher. "Ich habe nicht das Gefühl, dass Mark diese Saison als seine letzte ansieht", sagt er mit Blick auf den derzeitigen und langjährigen Red-Bull-Piloten Webber. "Er ist hungrig und motiviert und sieht eine Zukunft über das Jahr 2012 hinaus." Webber wird im Sommer 36 Jahre alt. Da sei es nach Ansicht Horners "nur normal, die Zukunft Schritt für Schritt zu planen". Darauf hätte sich der Australier gemeinsam mit dem Team verständigt. Der Red-Bull-Teamchef jedenfalls sieht sich derzeit in einer glücklichen Lage und fügt abschliessend hinzu: "Es ist toll, dass dem Team einige Optionen in Form eigens aufgebauter Nachwuchsfahrer zur Verfügung stehen, aber es gibt keine Garantien, dass diese Jungs in zwölf Monaten soweit sein werden. Vielleicht brauchen sie zwei oder sogar drei Jahre."

15.3.2012