Red Bull: Schlägt Vettel in Abu Dhabi wieder zu ?

Sebastian Vettel konnte zwei der drei

Abu-Dhabi-Rennen gewinnen

Wenn es nach Abu Dhabi geht, geraten die meisten Formel-1-Piloten ins Schwärmen. Da machen Sebastian Vettel und Mark Webber keine Ausnahme. Die beiden Red-Bull-Piloten kommen mit breiter Brust zum Rennen in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Das Tempo des Autos stimmt sie zuversichtlich. Zudem war Abu Dhabi in der Vergangenheit immer ein gutes Pflaster für die Kreationen von Adrian Newey.

"Das Rennen hat sich innerhalb von lediglich drei Jahren zu einem der Saisonhighlights entwickelt", betont Vettel. "In der Dämmerung zu starten und dann in der Dunkelheit das Rennen zu beenden macht es einzigartig und beeindruckend. Ich habe besondere Erinnerungen an den Kurs. 2009 konnte ich gewinnen und 2010 den Sieg wiederholen und meine erste Weltmeisterschaft gewinnen. Es ist ein Ereignis, das ich nie vergessen werden. Der Kurs selbst ist beeindruckend: Er ist fünfeinhalb Kilometer lang, hat grosse Auslaufzonen und eine Boxenausfahrt, die durch einen Tunnel geht und auf der anderen Seite der Strecke endet", schwärmt der Deutsche, der mit 13 Punkten Vorsprung auf Fernando Alonso als WM-Leader nach Abu Dhabi kommt.

Teamkollege Webber ist lediglich WM-Vierter, hat aber noch gute Chancen, Kimi Räikkönen von Platz drei zu verdrängen. Der Finne liegt lediglich sechs Punkte vor dem Australier. In Abu Dhabi möchte Webber weitere Punkte gutmachen: "Ich mag die Dämmerung als Element in diesem Rennen. Man startet am Tag und endet in der Nacht. Die Einrichtungen sind Weltklasse. Der Kurs verlangt gute Traktion. Es gibt langsame und enge Kurven sowie hohe Topspeeds", analysiert Webber. "Die Atmosphäre beim Rennen ist toll. Es sieht im TV für die heimischen Fans gut aus. Es ist ein phänomenales Spektakel und ich freue mich darauf, dort zu fahren."

Red Bulls Diffusor-Trick: Effizient, aber riskant


Beim vierten Rennen konnte Sebastian den ersten Sieg der laufenden Saison einfahren. Es schien, als ob der amtierende Weltmeister endlich in der Saison 2012 angekommen sei. Doch bei den folgenden neun Rennen verpasste der dominante Mann der Saison 2011 weitere Siege. Erst in Singapur meldete sich Vettel wieder zurück und ist seitdem ungeschlagen.

Offensichtlich ist Red Bull im Endspurt der Saison der richtige Kniff gelungen. Doch wie kam es zur Trendwende? Vettel und Mark Webber haderten bis vor kurzem noch oft am Samstag - der einstigen Paradedisziplin. Bei einigen Rennen stellte sogar der Einzug ins Q3 eine Herausforderung dar. Seit Singapur gibt es diese Qualifying-Schwäche nicht mehr. Laut 'BBC'-Technikexperte Gary Anderson ist die neue Heckkonstruktion in Kombination mit dem Doppel-DRS der Schlüssel zum Erfolg. Er analysiert: "Den Effekt des neuen Designs kann man nicht mit dem des angeblasenen Diffusors vergleichen. Doch sie sind näher dran als alle anderen." Doch wie funktioniert Adrian Newey neuestes Meisterwerk?

Die Funktionsweise von Neweys Idee

"Eine Abänderung der hinteren Abdeckung hat die Richtung der Auspuffgase und ihren Bezug zur Aerodynamik im hinteren Bereich geändert. Die Abgase werden durch Kanäle der Hinterräder zwischen den Reifen und dem äußeren Abschluss des Diffusors gelenkt", erklärt Anderson. "Dadurch erzeugt der Diffusor mehr Abtrieb, wenn hinten mehr Bodenfreiheit gefahren und das Auto angestellt wird. Newey geht diesen Weg ziemlich gerne. Der Vorteil des angestellten Autos ist, dass der Diffusor und der Unterboden bei niedrigen Geschwindigkeiten mehr Abtrieb generiert - solange das System richtig funktioniert", weiss der Aerodynamik-Experte. Doch die Idee hat auch Nachteile. "Durch mehr Bodenfreiheit entweicht mehr Luft, was den Abtrieb reduziert. Man hat nur dann mehr Abtrieb als bei einem geringer angestellten Auto, wenn es einen Mechanismus gibt, der das Entwichen der Luft unterbindet", schildert Anderson.

2011 kontrollierte man dieses Problem mit dem angeblasenen Diffusor. Ein weiteres Problem stellt die niedrigere Bodenfreiheit bei hohen Geschwindigkeiten dar. Durch den Abtrieb wird das Auto an den Boden gedrückt. Dadurch steigt der Druck unter dem Auto. Horizontale Löcher, die an den Doppel-Diffusor erinnern, sind Neweys Antwort auf dieses Problem. "Dadurch ist das Auto schneller in langsamen und schnellen Kurven. Durch das Doppel-DRS-System von Red Bull am Heckflügel ist es noch effizienter. Das hat kein anderes Team", lobt Anderson. "Das ganze Heck ist eine sehr clever konstruierte Anlehnung an zwei Technologien, die verboten wurden, doch durch die neue Herangehensweise unter den aktuellen Regeln legal sind."

Neweys Plan geht aber nur auf, wenn Vettel an der Spitze fährt. Somit sind Pole-Positions und fehlerfreie Rennen Pflicht. "Wenn er sich nicht an der Spitze qualifiziert oder in den ersten beiden Runden einen Fehler macht und zurückfällt, dann hat er ein Problem", betont Anderson. Zuletzt ging der Plan aber zuverlässig auf.

McLaren: Das Pendel kann schnell umschlagen

Bei McLaren weiss man, wie fragil der Plan von Red Bull ist. "Die Performance kann von heute auf morgen um ein paar Zehntelsekunden umschlagen", bemerkt Sportdirektor Sam Michael gegenüber 'Autosport'. "Es kann sich von Strecke zu Strecke ändern. Das hat nichts mit den Entwicklungen am Auto zu tun. Früher, als man einen Vorsprung von einer Sekunde hatte, dann konnte man zuversichtlich in die Rennen gehen und musste keine Angst haben, dass sich das Blatt wenden könnte", erinnert sich Michael. "Doch mittlerweile gibt es keine Strecken, die einem besonders liegen. Man weiss nicht wie konkurrenzfähig man ist, bis man da ist."

In der WM-Wertung kann McLaren aus eigener Kraft nicht mehr an Red Bull vorbeiziehen. "Mit Blick auf die Meisterschaft wird es schwierig, weil sie schon ausfallen müssten", so Michael, der sich keinen Illusionen hingibt. "Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering."

Davidson und Lauda: Red Bull fast unschlagbar


Ex-Formel-1-Pilot Anthony Davidson sieht Sebastian Vettel und dessen Team Red Bull auf dem sicheren Weg zum Gewinn beider Titel. "Nach derzeitigem Stand können sie die Titel nur noch durch Pech verlieren", so der Brite gegenüber 'Sky Sports News'. Der RB8 sei das schnellste Fahrzeug, Adrian Newey und sein Technikerteam leisteten die beste Arbeit, meint Davidson: "Am Anfang war das Auto schwierig, sie hatten gewisse Trends verpasst, aber jetzt sind alle wieder absolut auf der Höhe."

"Ich sehe kein anderes Team, das ihnen in den ausstehenden Rennen in Sachen Performance noch das Wasser reichen könnte", erklärt der aktuelle Toyota-LMP1-Pilot. "Sebastian ist einer der schnellsten Fahrer, wenn nicht sogar der allerbeste Pilot. Sein Auto ist das Beste. Nur noch Unzuverlässigkeit kann ihn aufhalten. Solche Dinge haben ihn in diesem Jahr schon mehrfach eingebremst", sagt Davidson vor dem drittletzten Saisonrennen in Abu Dhabi.

Lauda warnt vor Defekten

Formel-1-Legende und Mercedes-Aufsichtsrat Niki Lauda schliesst sich der Meinung Davidsons an, obwohl er nach dem Lichtmaschinendefekt Vettels in Monza sagte, dass Vettel den Titel "praktisch schon verloren" habe. Doch die vier Siege in Serie haben den Österreicher überzeugt: "Es wird fast unmöglich für Ferrari, da noch aufzuholen. Sebastian bleibt für mich der haushohe Favorit für die WM." Diesmal relativiert er gegenüber 'Bild.de' allerdings: "Ein Ausfall kann wieder alles verändern. Durch ist der Sebastian noch nicht."

Und wie sieht es mit der teaminternen Situation aus? Während Alonso mit Felipe Massa einen Teamkollegen hat, der ihm hörig ist, stellte Mark Webber vor dem Rennen in Indien klar, dass er nicht dazu bereit sei, für Vettel zu fahren. Könnte diese Tatsache Unruhe in das Red-Bull-Team bringen?

Warum Webber keine Gefahr für Vettel ist

Lauda verneint: "Rennfahrer haben eine gewisse Intelligenz. Das war bei mir schon so. Wenn ich damals keine Chance mehr hatte, den Titel zu holen, war ich motiviert, meinem Teamkollegen zu helfen." Fakt ist, dass Webber 73 WM-Zähler hinter Vettel liegt - bei den verbleibenden drei Rennen sind noch 75 Punkte zu vergeben. Der "Aussie" hat noch eine - wenn auch sehr theoretische - Chance. Dass Webber öffentlich nicht einwilligt, Vettel zu unterstützen, wundert Lauda nicht: Das sei klar, "weil er keine Schwäche zeigen will. Aber lieber gewinnt der eigene Kollege, als jemand anderes. Es sei denn, es herrscht blanker Hass. Aber das ist bei Red Bull null so. Keine Sorge: Webber wird dem Sebastian sicher nicht ins Gehege kommen und ihm in die Kiste fahren."

Red Bull nimmt Webber in Schutz


Mark Webber sorgte nach dem Grand Prix von Indien für einen Eklat, als er die Top-3-Pressekonferenz vorzeitig verliess. Der Red-Bull-Pilot hatte bei den langen Antworten von Sieger Sebastian Vettel schon sehr missmutig ins Publikum geschaut und hatte endgültig die Nase voll, als Vettel und Fernando Alonso mit der letzten Frage gefragt wurden, was sie am liebsten voneinander hätten.

Webber hatte offenbar keine Lust mehr, sich das anzuhören, schüttelte den Kopf, stand wortlos auf und verliess den Mediensaal. "Die Pressekonferenz hat sich lange gezogen", wird er nun von Red-Bull-Motorsportkonsulent Helmut Marko in der 'Bild'-Zeitung in Schutz genommen. "Mark aber hatte eigentlich einen frühen Flug zurück und war schon spät dran. Es hat sich alles verzögert. Weil die letzte Frage nicht an ihn ging, ist er aufgestanden."

Von der Boulevardpresse wurde der Eklat als Indiz für ein angespanntes Verhältnis zwischen den beiden Red-Bull-Piloten gewertet, nachdem Webber schon vor dem Rennen klargestellt hatte, dass er keine Stallorder akzeptieren würde. Aber Marko betont, dass die Atmosphäre teamintern nicht vergiftet ist: "Wir haben Mark umgebucht. Er fliegt jetzt in der gleichen Maschine mit Sebastian nach Dubai."

Seitens der FIA hat Webber für sein Verhalten übrigens keine Konsequenzen zu befürchten. Zwar hätte ihn Pressechef Matteo Bonciani theoretisch bei den FIA-Rennkommissaren anzeigen können, aber Bonciani liess nach einer offiziellen Entschuldigung des Drittplatzierten im Rennen in Noida Gnade walten.

31.10.2012