Hamilton in Abu Dhabi auf Pole - Vettel bestraft

Gegen Lewis Hamilton war kein Kraut gewachsen

Teilerfolg im WM-Duell gegen Fernando Alonso, aber für die Pole-Position in Abu Dhabi hat es aus Sicht von Sebastian Vettel nicht gereicht: Der Red-Bull-Pilot belegte im Flutlicht-Qualifying auf dem Yas Marina Circuit den dritten Platz - hinter dem überragenden Polesetter Lewis Hamilton (McLaren) und auch hinter seinem eigenen Teamkollegen Mark Webber.

Vettel fand in seinem zweiten Q3-Run nur zwei Hundertstelsekunden und fiel dadurch hinter Webber zurück, schaffte es dann auch nicht aus eigener Kraft in den Parc ferme zurück. "Ich weiss nicht, warum ich stehenbleiben musste. Ich wurde darum gebeten, aber es ist hoffentlich nichts Ernstes", kommentiert der zweimalige Abu-Dhabi-Sieger sein Ausrollen unter dem Yas-Viceroy-Hotel. Teamchef Christian Horner ergänzt: "Renault wollte, dass wir das Auto abstellen."

"Wir haben von der Box gehört, dass Renault gemeint hat, er soll das Auto abstellen, weil der Benzindruck nicht gestimmt hat", analysiert Experte Marc Surer. "Wenn der Benzindruck in der Auslaufrunde nicht stimmt, könnte es sein, dass der Motor Luft angesaugt hat. Ich befürchte Schlimmes, aber wir können ja noch hoffen, dass es wirklich ein Irrtum war." Sollte wirklich der Sprit ausgegangen sein, droht seitens der FIA eine Rückversetzung.

Vettel mit zahlreichen kleinen Problemen

Für Vettel war es generell ein schwieriger Tag: Erst das Bremsproblem im Freien Training, dann ein Mauerkuss in Q1 (in der gleichen Kurve wie Webber im Rennen 2010), ein weiterer Ausritt in Q2 und das Ausrollen in Q3. "Lewis war heute nicht in Reichweite", gibt der 25-Jährige zu. "Mit dem letzten Teil des Qualifyings bin ich nicht zufrieden. Die Runde war nicht optimal, denn ich habe mir schwer damit getan, die Reifen auf Temperatur zu bringen." Gegen Hamilton war heute einfach kein Kraut gewachsen. Der McLaren-Pilot widerlegte Bedenken, wonach er sich mit den weichen Reifen auf eine schnelle Runde schwerer tun könnte als Vettel, fuhr in allen drei Qualifying-Abschnitten Bestzeit und konnte es sich sogar leisten, den zweiten Run nicht zu Ende zu fahren, um den Reifensatz zu schonen. Insgesamt benötigte er nur 15 Runden für die Pole-Position, um zwei weniger als seine nächsten Verfolger. "Seit langer Zeit stehe ich mal wieder vor der Konkurrenz", jubelt der Vorjahressieger des Dämmerungs-Grand-Prix. "Ich weiss nicht, warum unser Auto ausgerechnet hier so dermassen gut läuft. Wir haben seit dem letzten Rennen wirklich überhaupt nichts verändert. Das Auto passt offenbar einfach sehr gut zu dieser Strecke." Und zwar mit einem ausbalancierten Setup, denn Hamilton war bei keiner der vier Geschwindigkeitsmessungen die Nummer eins.

Webber denkt nicht an Vettel-Hilfe

Der zweitplatzierte Webber gratuliert und grinst: "Sie haben uns die erste Reihe versaut - erstmals seit einiger Zeit. Heute hat McLaren einen tollen Job gemacht. Wir haben alles gegeben, mehr war nicht drin." Morgen will der Australier gewinnen, von einer Stallorder scheint er nichts zu wissen: "Ich selbst bin bei der Fahrer-WM noch gut dabei." Allerdings hat er schon in Indien bewiesen, dass er gegen Vettel im Ernstfall nicht die Brechstange auspackt. Der grosse Geschlagene ist Ferrari-Pilot Alonso, der sich im zweiten Run nicht mehr steigern konnte und als Siebter 0,952 Sekunden Rückstand hatte - bitter, denn nach dem ersten Run war er noch auf Rang vier gelegen, also nur zwei statt vier Plätze hinter Vettel. "Leider waren wir heute nicht schnell genug", ärgert er sich. "Das war unser Limit. Schneller ging es nicht." Aber: "Von Startplatz sieben kann man sich durchaus noch verbessern."

Massa mit Fehler in fünfter Reihe

Teamkollege Felipe Massa verzichtete in Q3 auf den ersten Run und absolvierte stattdessen einen langen Run mit zwei gezeiteten Versuchen. Der zweite klappte aber nicht wie gewünscht: "Ich habe einen Fehler gemacht", funkte er an Renningenieur Rob Smedley, der ihm daraufhin empfahl: "Dann brich ab und schone die Reifen!" So konnte Massa nur Romain Grosjean (Lotus) hinter sich lassen, der morgen neben ihm aus Startreihe fünf losfahren wird. Die positive Überraschung des Qualifyings war Pastor Maldonado (Williams): Der Venezolaner schob sich kurz vor Schluss auf Platz drei und behielt seine Position in der zweiten Reihe auch, als Webber noch an ihm vorbeizog. "Wir haben das ganze Wochenende gezeigt, dass wir konkurrenzfähig sind", freut sich Maldonado und kündigt selbstbewusst an: "Ich glaube, wir können ein starkes Tempo gehen und sind genauso schnell wie die drei Topteams." Kimi Räikkönen (Lotus/+0,630) und Jenson Button (McLaren/+0,660) teilen sich die dritte Reihe, gefolgt von Alonso und Nico Rosberg. Der gewann das Mercedes-Stallduell gegen Michael Schumacher in Q2 um mehr als eine halbe Sekunde und landete auf Position acht. In Q3 musste Rosberg nach nur einem Run aussteigen - weil er schon in Q1 die weicheren Pirelli-Options gezogen hatte, gingen ihm die frischen Reifensätze aus.

Kleine Fehler bei Schumacher/Mercedes

Schumacher wurde unterm Strich 14. und gab nach seinem Ausscheiden via Funk zu, bei der Bedienung des KERS-Recovery-Mappings einen Fehler gemacht zu haben. Offenbar war man aber auch teamseitig nicht ganz zufrieden mit dem Timing des Runs: "Okay, Michael, sorry dafür. P14." Und zwar vor Bruno Senna (Williams), dem wegen eines Zwischenfalls mit Sergio Perez (12./Sauber) noch eine Untersuchung seitens der Rennleitung bevorsteht. Nico Hülkenberg, am Nachmittag noch starker Fünfter, verpasste am Abend den Einzug ins Top-10-Finale um 0,112 Sekunden gegen Maldonado. "Das Auto hat sich einfach nicht mehr so gut angefühlt wie am Vormittag. Es war ein großer Kampf, ich bin viel gerutscht, die Balance war nicht mehr so gut", analysiert der Force-India-Pilot und räumt gleichzeitig ein: "Es ist unheimlich schwierig, hier alles auf den Punkt zu bringen."

Toro Rosso Schlusslicht im Mittelfeld

Immerhin schlug er Teamkollege Paul di Resta ("Der Wechsel des Chassis hatte grossen Einfluss") erneut um zwei Zehntelsekunden und steht somit in Reihe sechs neben seinem Sauber-Vorgänger Perez. Am Q1-Cut scheiterte diesmal Jean-Eric Vergne, auch wegen eines Drehers eine Minute vor Schluss. Toro-Rosso-Teamkollege Daniel Ricciardo kam eine Runde weiter, steht aber trotzdem unmittelbar vor Vergne auf Platz 17. Bei Caterham setzte sich nach zweimal Witali Petrow (21.) diesmal wieder Heikki Kovalainen (19.) durch - mit Charles Pic (Marussia) im Sandwich. "Meines Erachtens nach haben wir die Reifen nicht wirklich zum Arbeiten gebracht", ärgert sich Timo Glock (22.) über seine Niederlage im Stallduell (um 0,337 Sekunden). "Im ersten Versuch hat es lange gebraucht, bis der Reifen zum Arbeiten kam. Im zweiten Run war es auch so. Unter dem Strich waren wir heute überall zu langsam." Für das Rennen wird nun ein Duell McLaren gegen Red Bull erwartet. Hamilton ist zuversichtlich: "Der Start wird interessant, das Rennen spannend. Red Bull hat bestimmt auch hier einen guten Rennspeed. Ich hoffe aber, dass wir den Kampf mit ihnen aufnehmen können. Ich muss beim Start hellwach sein. Die Red-Bull-Jungs sind in den ersten Runden oft unglaublich schnell", sagt der Polesetter im Hinblick auf den morgigen Grand Prix von Abu Dhabi.

Vettel auf letzten Platz zurückversetzt


Hiobsbotschaft für Sebastian Vettel: Der Red-Bull-Pilot verliert seinen dritten Startplatz für den morgigen Grand Prix von Abu Dhabi und muss das Rennen vom letzten Platz aus in Angriff nehmen. Diese Entscheidung haben die FIA-Rennkommissare Khaled Bin Shaiban, Radovan Novak, Lars Österlind und Derek Warwick mehr als viereinhalb Stunden nach dem Ende des Qualifyings bekannt gegeben.

Hintergrund ist, dass sich im Tank des Red Bull zu wenig Benzin befand. Regel ist, dass jedes Auto nach dem Qualifying aus eigener Kraft in den Parc ferme zurückfahren muss - und dann ist eine Mindest-Treibstoffmenge von einem Liter vorgeschrieben, damit die FIA zur Überprüfung der Legalität des Benzins Proben entnehmen kann. Bei Vettel waren jedoch nur noch 0,85 Liter übrig, wie die FIA in ihrer Begründung bekannt gegeben hat. Teamchef Christian Horner hatte zuvor "Probleme mit dem Tanksystem" eingestanden, ohne diese näher zu erläutern. Vettel selbst hatte sich nach dem Qualifying optimistisch erklärt und ging von einem technischen Defekt aus, was eine Ausnahme von der Regel erlauben würde. Das Gesetz, in den Parc ferme zurückzufahren, soll verhindern, dass Fahrer durch das Abstellen auf der Strecke Benzin sparen.

"Zu wenig Sprit ist glaube ich nicht das Problem", hatte der Red-Bull-Pilot in einer ersten Stellungnahme keine Sanktionen seitens der Kommissare befürchtet. "Wir haben genug Runden gefahren, um genug Sprit reinzumachen. Man hat mir auch noch gesagt, dass ich relativ zügig zurückkommen soll, was komplett dagegen spricht, dass wir am Limit waren. Was genau es war, weiß ich jetzt noch nicht." Die Red-Bull-Vertreter konnten die Kommissare davon überzeugen, dass Vettel nicht angewiesen wurde, stehen zu bleiben, um Benzin zu sparen, sondern wegen eines anderen Problems. "Allerdings wurde ein Report des Technischen Delegierten erhalten, der zeigt, dass während der Untersuchung nach dem Qualifying eine für eine Probeentnahme nicht ausreichende Benzinmenge übrig war", heißt es in der offiziellen Begründung.

Die kann Alexander Wurz, in der Vergangenheit bereits als FIA-Rennkommissar tätig, gut nachvollziehen: "Ich sage, es ist eine logische Entscheidung, die trotzig keinen Raum für eine Verschwörung lässt. Es ist eine harte Entscheidung, ja, aber die gleiche wie für Lewis in Spanien", twittert der Williams-Fahrermentor. Lewis Hamilton war in Barcelona für ein vergleichbares Vergehen ebenfalls zurückversetzt worden. Vettel versucht, die Strafe so gut es geht hinzunehmen: "Einer der besten Skispringer aller Zeiten hat einmal gesagt: Jeder Rückschlag ist eine Chance, und was uns betrifft, gibt es morgen jede Menge Chancen", lässt er ausrichten. Besonders bitter allerdings, dass nicht nur er selbst vom dritten auf den letzten Startplatz zurückfällt, sondern auch noch sein WM-Rivale Fernando Alonso vom siebten auf den sechsten aufrückt.

Vettel startet aus der Boxengasse


Weil nach seinem Ausrollen im heutigen Qualifying in Abu Dhabi zu wenig Benzin im Tank war, wurde Sebastian Vettel von den FIA-Rennkommissaren nachträglich disqualifiziert. Immerhin wird ihm gestattet, als Letzter der Startaufstellung am Rennen teilzunehmen, doch sein Red-Bull-Team hat entschieden, stattdessen die Parc-ferme-Bedingungen zu umgehen und aus der Boxengasse zu starten.

"Während der Auslaufrunde nach dem letzten Run in Q3 gab Renault die Anweisung, Sebastians Auto wegen eines Problems mit dem Benzinsystem sofort auf der Strecke anzuhalten", erklärt Teamchef Christian Horner. "Nach unserem Gespräch mit den Kommissaren, die akzeptierten, dass das Auto wegen höherer Gewalt aus technischen Gründen stehen geblieben ist, wurden leider aus Gründen, die wir erst noch verstehen müssen, bei der technischen Untersuchung nur 850 Milliliter des erforderlichen Liters aus dem Auto gepumpt. Demzufolge hat die FIA Sebastian vom Qualifying ausgeschlossen und wir werden das Auto aus dem Parc ferme zurückziehen, um die Ursache weiter untersuchen zu können. Sebastian wird das morgige Rennen also aus der Boxengasse in Angriff nehmen", so der Brite. Praktisch: Der Start aus der Boxengasse erlaubt dem Team gleichzeitig, andere Arbeiten am Auto durchzuführen und zum Beispiel das Setup an die neuen Voraussetzungen anzupassen.

"Wenn ich mir die Topspeeds von Vettel und Red Bull ansehe, wird es vielleicht ein schwieriges Rennen", twittert Williams-Fahrermentor Alexander Wurz. "Vielleicht Getriebeübersetzung ändern und aus der Boxengasse starten?" Denn mit 311,4 km/h hatte Vettel fast die schlechteste Höchstgeschwindigkeit aller Fahrer, Teamkollege Mark Webber einmal ausgenommen. Auf Spitzenreiter Pastor Maldonado fehlten 14,4 km/h. Nicht gerade die besten Voraussetzungen, um morgen von hinten durch das Feld zu pflügen. Aber Vettel hat nun ja Gelegenheit, die Flügel flacher zu stellen und die Getriebeübersetzung anzupassen. Dann hält er Überholen grundsätzlich für möglich: "Es ist hier schwierig, selbst wenn du die langen Geraden hast. Wir haben die doppelte DRS-Zone - mal sehen, ob das hilft. Ich bin mir sicher, dass es nicht unmöglich ist", meint der 25-Jährige.

In der Pressemitteilung seines Teams wurde der technische Grund für das Ausrollen übrigens weiterhin nicht bekannt gegeben: "Ich bin nicht sicher, was am Ende das Problem war. Mir wurde nur gesagt, ich soll das Auto abstellen", wird Vettel darin zitiert. Und er macht sich selbst Mut: "Einer der besten Skispringer aller Zeiten hat einmal gesagt: Jeder Rückschlag ist eine Chance, und was uns betrifft, gibt es morgen jede Menge Chancen." An der Richtigkeit der FIA-Entscheidung bestehen offenbar keine Zweifel: "Ich sage, es ist eine logische Entscheidung, die trotzig keinen Raum für eine Verschwörung lässt", findet Wurz, in der Vergangenheit schon mehrfach selbst FIA-Rennkommissar. "Es ist eine harte Entscheidung, ja, aber die gleiche wie für Lewis in Spanien. Tut mir leid, das sagen zu müssen, aber es war nach der Situation mit Lewis in Spanien die einzig logische Entscheidung."

3.11.2012

Startaufstellung zum GP Abu Dhabi 2012

  • 1 L. Hamilton McLaren 1:40.630
  • 2 M. Webber Red Bull 1:40.978
  • 3 S. Vettel Red Bull 1:41.073
  • 4 P. Maldonado Williams 1:41.226
  • 5 K. Räikkönen Lotus 1:41.260
  • 6 J. Button McLaren 1:41.290
  • 7 F. Alonso Ferrari 1:41.582
  • 8 N. Rosberg Mercedes 1:41.603
  • 9 F. Massa Ferrari 1:41.723
  • 10 R. Grosjean Lotus 1:41.778
  • 11 N. Hülkenberg Force India 1:42.019
  • 12 S. Perez Sauber 1:42.084
  • 13 P. di Resta Force India 1:42.218
  • 14 M. Schumacher Mercedes 1:42.289
  • 15 B. Senna Williams 1:42.330
  • 16 K. Kobayashi Sauber 1:42.606
  • 17 D. Ricciardo Toro Rosso 1:42.765
  • 18 J. Vergne Toro Rosso 1:44.058
  • 19 H. Kovalainen Caterham 1:44.956
  • 20 C. Pic Marussia 1:45.089
  • 21 W. Petrow Caterham 1:45.151
  • 22 T. Glock Marussia 1:45.426
  • 23 P. de la Rosa HRT 1:45.766
  • 24 N. Karthikeyan HRT 1:46.382